Neu­es EU-Kauf­recht: Online­han­del wird einfacher

Ver­brau­cher­recht­ler der Uni Bay­reuth begrüßt den aktu­el­len Ent­wurf der EU-Kommission

Der heu­te von der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on vor­ge­leg­te Ent­wurf eines von den Ver­trags­par­tei­en frei wähl­ba­ren Euro­päi­schen Kauf­rechts stellt nach Ansicht des Bay­reu­ther Ver­brau­cher­recht­lers, Prof. Dr. Mar­tin Schmidt-Kes­sel, einen gro­ßen Fort­schritt für die euro­päi­schen Ver­brau­cher und Unter­neh­mer dar. „In Zei­ten des Inter­net soll­te die Mög­lich­keit, Ver­trä­ge unter einem ein­heit­li­chen Recht abzu­schlie­ßen, an sich eine Selbst­ver­ständ­lich­keit sein“, betont Schmidt-Kes­sel. Gera­de die Frei­heit der Par­tei­en, sich für oder gegen eine ent­spre­chen­de Rechts­wahl zu ent­schei­den, ent­spre­che dem Gedan­ken des Euro­päi­schen Binnenmarkts.

Dem Han­del ent­gin­gen durch die Nicht­nut­zung des euro­päi­schen Bin­nen­markts rund 26 Mrd. Euro, so aktu­el­le Schät­zun­gen. Der heu­te prä­sen­tier­te Ent­wurf betre­te inso­fern Neu­land als nicht wie üblich Bestim­mun­gen ver­ein­heit­licht, son­dern ein ein­heit­li­ches, für alle Aus­lands­märk­te gel­ten­des Rechts­sy­stem eta­bliert wür­de. Exper­ten rech­nen, dass 44 Pro­zent der euro­päi­schen Händ­ler bis­her nicht grenz­über­schrei­tend ange­bo­ten hät­ten, weil sie sich poten­zi­ell mit 27 Rechts­sy­ste­men ver­traut hät­ten machen müssen.

Schmidt-Kes­sel über­zeugt nicht allein die auf einer min­de­stens vier­zehn­jäh­ri­gen Vor­be­rei­tungs­zeit beru­hen­de fach­li­che Qua­li­tät des Ent­wurfs, son­dern vor allem sei­ne poli­ti­sche Aus­ge­wo­gen­heit: Einer­seits müs­sen sich Ver­brau­cher kei­ne lang­wie­ri­gen Nach­bes­se­rungs­ver­su­che des Unter­neh­mers gefal­len las­sen und für ihre Schä­den – etwa die Kosten einer Ersatz­be­schaf­fung – haf­tet ihnen der Ver­käu­fer auch dann, wenn ihn kein Ver­schul­dens­vor­wurf trifft. Ande­rer­seits kann der Unter­neh­mer eine vom Ver­brau­cher gefor­der­te Nach­bes­se­rung schon dann ver­wei­gern, wenn sie außer Ver­hält­nis zu des­sen wirk­li­chem Inter­es­se steht und nicht erst dann, wenn sie den Unter­neh­mer an den Rand sei­ner Lei­stungs­fä­hig­keit bringt. „Das Ver­brau­cher­schutz­ni­veau liegt damit gering­fü­gig über dem deut­schen Schutz­ni­veau“, fasst Schmidt-Kes­sel zusam­men und meint, „die­ser Preis soll­te es den deut­schen Unter­neh­mens­ver­bän­den wert sein, mehr Rechts­si­cher­heit für den Export zu gewinnen.“

Auch für den unter­neh­me­ri­schen Geschäfts­ver­kehr sieht Schmidt-Kes­sel Vor­tei­le: „Der abwei­chen­de Stan­dard bei der Rol­le all­ge­mei­ner Ver­trags­be­din­gun­gen wird es ermög­li­chen, eine gan­ze Rei­he von Über­trei­bun­gen der deut­schen Recht­spre­chung bei der Kon­trol­le vor­for­mu­lier­ter Ver­trags­in­hal­te zwi­schen Unter­neh­men zurück­zu­schnei­den“, erläu­tert der Wis­sen­schaft­ler. Gera­de für den Mit­tel­stand, wer­de damit ein sehr hilf­rei­ches Instru­ment zur Ver­fü­gung gestellt. Die Erfah­run­gen mit dem nahe­zu welt­weit anwend­ba­ren Kauf­recht der Ver­ein­ten Natio­nen zei­ge, daß gera­de für export­ori­en­tier­te, mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men ein ein­heit­li­ches Ver­trags­recht beson­ders vor­teil­haft sei, so Schmidt-Kes­sel wei­ter. Das gel­te gera­de auch für die sonst äußerst schwie­ri­ge Abstim­mung des Ver­trags­rechts mit den Instru­men­ten des Wirtschaftsaufsichtsrechts.

Kri­tisch sieht der Ver­brau­cher­recht­ler vor allem die vor­ge­se­he­nen Begren­zun­gen des Anwen­dungs­be­reichs. „Bei einem gera­de auf den Inter­net­han­del zuge­schnit­te­nen Instru­ment ist eine Beschrän­kung auf grenz­über­schrei­ten­de Ver­trä­ge nicht sinn­voll, weil der Unter­neh­mer nicht ein­mal anhand der Inter­net­adres­se zuver­läs­sig erken­nen kann, ob die Mög­lich­keit einer Wahl des Instru­ments besteht.“ Das Instru­ment müs­se, so for­dert Schmidt-Kes­sel, auch für rei­ne Inlands­ge­schäf­te wähl­bar sein. Für die weit­ge­hen­de Beschrän­kung auf Kauf­ver­trä­ge hat der Wis­sen­schaft­ler hin­ge­gen teil­wei­se Ver­ständ­nis. „Für Dienst­lei­stun­gen von Ärz­ten, Rechts­an­wäl­ten oder Inge­nieu­ren sind wir wis­sen­schaft­lich nicht so weit, daß ein ent­spre­chen­des Regel­werk schon auf siche­rem Boden ste­hen könn­te.“ War­um Ver­trä­ge über Miet­wa­gen und Hotel­bu­chun­gen hin­ge­gen aus­ge­schlos­sen sei­en, will ihm nicht einleuchten.

Sieht man von der begrenz­ten Erhö­hung des Ver­brau­cher­schutz­ni­veaus ein­mal ab, käme das neue Instru­ment vor allem dem Inter­net­han­del sowie klei­nen Anbie­tern aus den klei­ne­ren Mit­glieds­staa­ten zugu­te. Letz­te­re wür­den – so Schmidt-Kes­sel – prak­tisch ohne­hin kaum Ver­trä­ge nach eige­nem Recht abschlie­ßen kön­nen. Unter­neh­men aus den gro­ßen Staa­ten sei­nen hier bis­lang ganz erheb­lich im Vor­teil. „Soll­ten sich die Plä­ne der Kom­mis­si­on rea­li­sie­ren las­sen, wären die klei­nen Mit­glied­staa­ten ein­mal mehr Motor der Euro­päi­schen Inte­gra­ti­on“, freut sich Schmidt-Kes­sel. Für das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren hält Schmidt-Kes­sel einen Zeit­raum von fünf Jah­ren für rea­li­stisch; die Euro­pa­wahl 2014 wer­de hier für erheb­li­che Ver­zö­ge­run­gen sorgen.