Uni­ver­si­tät Bay­reuth: War­um ist Sport für Jugend­li­che gesund?

Neue Stu­die betont die Stär­kung von Gesundheitsressourcen

„Wer Sport treibt, ist sel­te­ner krank“, lau­tet eine ver­brei­te­te Über­zeu­gung. Denn kör­per­lich akti­ve Erwach­se­ne lei­den nach­weis­lich sel­te­ner an Herz- oder Gefäß­er­kran­kun­gen. Aber wie ver­hält es sich bei Jugend­li­chen? Ein For­schungs­team um Prof. Dr. Wal­ter Brehm und PD Dr. Susan­ne Tittl­bach an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth sowie Prof. Dr. Ralf Sygusch an der Uni­ver­si­tät Jena hat jetzt gezeigt, dass kör­per­li­che Aus­dau­er und Kraft sowie die selbst ein­ge­schätz­te Fit­ness erheb­lich stei­gen, wenn Jugend­li­che häu­fi­ger Sport trei­ben. Schwach aus­ge­prägt ist hin­ge­gen der Zusam­men­hang zwi­schen gesund­heit­li­chen Defi­zi­ten, unter denen Jugend­li­che lei­den, und dem Grad ihrer sport­li­chen Aktivität.

Empi­ri­sche Grund­la­gen: Eine deutsch­land­wei­te, reprä­sen­ta­ti­ve Untersuchung

Die Stu­die, die im „Euro­pean Jour­nal of Sport Sci­ence“ erschie­nen ist, stützt sich auf eine bun­des­wei­te Unter­su­chung. Das Robert Koch-Insti­tut in Ber­lin hat die Daten erho­ben. Mehr als 17.600 Kin­der und Jugend­li­che im Alter zwi­schen 0 und 17 Jah­ren wur­den dabei medi­zi­nisch unter­sucht und über ihren Gesund­heits­zu­stand befragt. Im Zusatz­mo­dul MoMo (Moto­rik-Modul, Lei­tung Prof. Dr. Klaus Bös, Karls­ru­he) wur­den die Kin­der und Jugend­li­chen im Hin­blick auf ihre kör­per­li­che Fit­ness gete­stet. Par­al­lel zu die­sen sport­mo­to­ri­schen Tests gaben die Kin­der und Jugend­li­chen, beglei­tet von ihren Eltern, in Fra­ge­bö­gen Aus­kunft über ihre kör­per­lich-sport­li­chen Aktivitäten.

Im Fokus der neu­en Stu­die: Kör­per­li­che, psy­cho­so­zia­le und sozio­de­mo­gra­phi­sche Aspekte

Die Autoren der Stu­die aus Bay­reuth, Ber­lin, Erlan­gen, Jena, Karls­ru­he und Kon­stanz haben die Daten des Robert Koch-Insti­tuts als Basis für ihre Aus­wer­tun­gen genutzt. Es wur­den dafür Ergeb­nis­se aus­ge­wählt, die sich auf 2291 Jugend­li­che – davon etwa die Hälf­te Jun­gen – im Alter zwi­schen 11 und 17 Jah­ren bezie­hen; jeder Jahr­gang ist dabei unge­fähr gleich stark vertreten.

Der Häu­fig­keit und Inten­si­tät ihrer sport­li­chen Akti­vi­tät ent­spre­chend, ver­tei­len sich die Jugend­li­chen auf fünf Akti­vi­täts­grup­pen. Die Autoren unter­schei­den zwi­schen phy­si­schen und psy­cho­so­zia­len Fak­to­ren, um einer­seits Gesund­heits­res­sour­cen (wie Aus­dau­er, Kraft, Selbst­wert­ge­fühl) und ande­rer­seits Gesund­heits­de­fi­zi­te (wie Body Mass Index, emo­tio­na­le Pro­ble­me, Bezie­hungs­schwie­rig­kei­ten mit Gleich­alt­ri­gen) mög­lichst prä­zi­se zu erfas­sen. Der Bil­dungs­stand, die beruf­li­chen Qua­li­fi­ka­tio­nen, die Beru­fe und das Net­to­ein­kom­men der Eltern wer­den als Kri­te­ri­en her­an­ge­zo­gen, um das häus­li­che Umfeld ein­zu­schät­zen. Auf die­ser Grund­la­ge wird der Sozi­al­sta­tus von 24,9% der Jugend­li­chen als nied­rig, von 48,5% als mit­tel und 26,6% als hoch bewertet.

Wenn Jugend­li­che (kei­nen) Sport trei­ben: Aus­wir­kun­gen auf Gesund­heits­res­sour­cen und ‑defi­zi­te

Die Stu­die zeigt ein­deu­tig: Bereits eine gerin­ge Stei­ge­rung der sport­li­chen Akti­vi­tät stärkt die Gesund­heits­res­sour­cen der Jugend­li­chen. Aus­dau­er, Kraft und Koor­di­na­ti­on neh­men zu, aber auch in psy­cho­so­zia­ler Hin­sicht sind die posi­ti­ven Aus­wir­kun­gen unver­kenn­bar. Denn bei Jugend­li­chen, die öfter Sport trei­ben, wächst zusam­men mit der tat­säch­li­chen Lei­stungs­fä­hig­keit auch die selbst ein­ge­schätz­te Fit­ness. Das Selbst­wert­ge­fühl steigt. Wie die Wis­sen­schaft­ler zei­gen konn­ten, gel­ten die­se Zusam­men­hän­ge unab­hän­gig vom Sozi­al­sta­tus der Jugendlichen.

Hin­ge­gen sind kör­per­li­che Gesund­heits­de­fi­zi­te, die sich bei den Jugend­li­chen fest­stel­len las­sen, offen­bar weni­ger stark von ihren sport­li­chen Akti­vi­tä­ten beein­flusst. Risi­ko­fak­to­ren wie der Body Mass Index (BMI), der Fett­an­teil im Kör­per­ge­we­be und der HDL-Cho­le­ste­rol-Spie­gel ändern sich zwar mit gestei­ger­ter sport­li­cher Akti­vi­tät. Aber die Schwan­kun­gen fal­len deut­lich gerin­ger aus als die Unter­schie­de bei den Gesund­heits­res­sour­cen. Signi­fi­kant ist allen­falls die Tat­sa­che, dass inak­ti­ve Jugend­li­che häu­fi­ger über Schmer­zen im Mus­kel-Ske­lett-System klagen.

Ins­ge­samt gese­hen, sind psy­cho­so­zia­le etwas deut­li­cher als kör­per­li­che Gesund­heits­de­fi­zi­te vom Grad der sport­li­chen Akti­vi­tä­ten abhän­gig. Emo­tio­na­le Pro­ble­me und Bezie­hungs­schwie­rig­kei­ten mit Gleich­alt­ri­gen sind umso öfter anzu­tref­fen, je weni­ger die Jugend­li­chen sport­lich aktiv sind. Auch die­ser Zusam­men­hang gilt unab­hän­gig vom Sozi­al­sta­tus der Jugend­li­chen. Sport­li­che Akti­vi­tä­ten, bei­spiels­wei­se in Ver­ei­nen, schei­nen daher geeig­net, das emo­tio­na­le Wohl­be­fin­den und die Kon­takt­fä­hig­keit von Jugend­li­chen zu stei­gern, die von ihrem häus­li­chen Umfeld her benach­tei­ligt sind.

Moti­va­ti­on für eine kör­per­lich akti­ve Lebensweise

Die Bay­reu­ther Sport­wis­sen­schaft­ler wol­len kei­nes­wegs abstrei­ten, dass sport­li­che Akti­vi­tät einen wert­vol­len Bei­trag zur Risi­ko­prä­ven­ti­on lei­sten kann. Wer im jugend­li­chen Alter regel­mä­ßig Sport treibt, ist im Erwach­se­nen­al­ter bes­ser gegen man­che Herz- oder Gefäß­er­kran­kun­gen geschützt. Dafür gibt es umfang­rei­che wis­sen­schaft­li­che Bele­ge. Den Autoren der Stu­die ist aller­dings dar­an gele­gen, dass der Aspekt der Gesund­heits­res­sour­cen in der Sport­päd­ago­gik und eben­so in der Öffent­lich­keit stär­ker beach­tet wird.

„Jugend­li­che suchen oft nach Wegen, ihre eige­nen Kräf­te aus­zu­le­ben und die Lei­stungs­kraft zu stei­gern. Sie den­ken dabei weni­ger an Risi­ko­ver­mei­dung als an Mög­lich­kei­ten einer posi­ti­ven Selbst­er­fah­rung. Das Erle­ben eige­ner kör­per­li­cher Kraft und Aus­dau­er hat dabei eine zen­tra­le Bedeu­tung“, erklärt PD Dr. Susan­ne Tittl­bach. „Für Jugend­li­che ist sport­li­che Akti­vi­tät ein Frei­zeit- und kein Gesund­heits­ver­hal­ten. Durch das direk­te Erle­ben von Fit­ness und Wohl­be­fin­den bei sport­li­cher Akti­vi­tät las­sen sich Jugend­li­che viel eher für eine kör­per­lich akti­ve Lebens­wei­se gewin­nen, als wenn man ihnen erklärt, wel­che Krank­heits­ri­si­ken dadurch ver­mie­den werden.“

Ver­öf­fent­li­chung:

Susan­ne A. Tittl­bach, Ralf Sygusch, Wal­ter Brehm, Alex­an­der Woll, Tho­mas Lam­pert, Andrea E. Abe­le and Klaus Bös,
Asso­cia­ti­on bet­ween phy­si­cal acti­vi­ty and health in Ger­man adolescents,
in: Euro­pean Jour­nal of Sport Sci­ence, 11:4, pp. 283–291
DOI-Book­mark: 10.1080/17461391.2010.509891