Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Neu­er Ver­bund­stoff für Hoch­fre­quenz-Lei­ter­plat­ten: kosten­gün­stig, hit­ze­be­stän­dig, recyclingfähig

Ein hoch­lei­stungs­fä­hi­ges Mate­ri­al für eine neue Gene­ra­ti­on elek­tro­ni­scher Lei­ter­plat­ten hat ein For­schungs­team am Lehr­stuhl für Poly­me­re Werk­stof­fe der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ent­wickelt. Damit füh­ren die Bay­reu­ther Inge­nieur­wis­sen­schaft­ler ihre erfolg­rei­chen For­schungs­ar­bei­ten wei­ter, die vor zwei Jah­ren bereits zu einer lei­stungs­star­ken Lei­ter­plat­te – einem sog. HTT-Board – aus einem geschäum­ten Kunst­stoff geführt haben. Das neue Mate­ri­al ist ein Ver­bund­stoff, der sich aus prä­zi­se berech­ne­ten Antei­len an ther­mo­pla­sti­schen Kunst­stof­fen und kera­mi­schen Füll­stof­fen zusammensetzt.

Lei­ter­plat­ten bestehen im wesent­li­chen aus einem Sub­strat und den dar­in instal­lier­ten Kup­fer­lei­ter­bah­nen. Wenn sich bei­de Bestand­tei­le infol­ge von Wär­me unter­schied­lich stark aus­deh­nen, kommt es zu Span­nun­gen, die zu einem Ver­sa­gen der Lei­ter­plat­te füh­ren kön­nen. Doch die­se Gefahr gehört der Ver­gan­gen­heit an, sobald der neue Ver­bund­stoff als Sub­strat ver­wen­det wird. Denn mit die­sem Mate­ri­al ist es jetzt gelun­gen, die wär­me­be­ding­te Aus­deh­nung des Sub­strats an die wär­me­be­ding­te Aus­deh­nung der Kup­fer­lei­ter­bah­nen anzu­pas­sen. Die neu­ar­ti­gen Lei­ter­plat­ten eig­nen sich daher ins­be­son­de­re für Anwen­dun­gen im Hoch­fre­quenz­be­reich (bis zu 60 GHz).

In einem Bei­trag für die jüng­ste Aus­ga­be der Zeit­schrift „Cir­cuit World“ ver­glei­chen Prof. Dr.-Ing. Vol­ker Alt­städt, Dr.-Ing. Feli­pe Wolff Fab­ris und Dipl.-Ing. Tho­mas Apel­dorn das neue Mate­ri­al mit einer Rei­he von poly­me­ren Mate­ria­li­en, die bis­her für elek­tro­ni­sche Lei­ter­plat­ten ein­ge­setzt wur­den. Der jetzt ent­wickel­te Ver­bund­stoff lässt sich mit einem hohen Auto­ma­ti­sie­rungs­grad und des­halb deut­lich kosten­gün­sti­ger pro­du­zie­ren als die bis­her ver­wen­de­ten Mate­ria­li­en. Eine in der Kunst­stoff­pro­duk­ti­on übli­che Ver­fah­rens­tech­nik, die Extru­si­on, bringt die kera­mi­schen Füll­stof­fe in die ther­mo­pla­sti­schen Kunst­stof­fe ein. Und noch im glei­chen Arbeits­schritt ent­steht aus die­sem Ver­bund eine extrem dün­ne Folie, die eine Dicke zwi­schen 0,2 mm und 1,0 mm auf­weist. Die­se Folie über­nimmt nun die Funk­ti­on des Sub­strats. Es wer­den meh­re­re Ebe­nen von Kup­fer­leit­bah­nen über­ein­an­der geschich­tet; und zwar so, dass die­se Ebe­nen jeweils durch dazwi­schen lie­gen­de Foli­en von­ein­an­der getrennt und iso­liert wer­den. So wird das Ziel erreicht, mög­lichst vie­le elek­tro­ni­sche Ele­men­te auf mög­lichst engem Raum unterzubringen.

Mit dem neu­en Sub­strat­ma­te­ri­al wur­de in Zusam­men­ar­beit mit der Fa. Heger GmbH in Nor­der­stedt bereits der Pro­to­typ einer neu­en Lei­ter­plat­te, das „LuVo Board“, her­ge­stellt. Die Abkür­zung „LuVo“ ver­weist auf das Luft­fahrt­for­schungs­pro­gramm des Ham­bur­ger Senats, aus dem die Ent­wick­lung geför­dert wur­de. Denn nicht allein aus Kosten­grün­den ist der neue Ver­bund­stoff für die Luft- und Raum­fahrt beson­ders attrak­tiv. Er lässt sich, selbst nach­dem die Lei­ter­bah­nen auf­ge­tra­gen wur­den, unter Hit­ze ohne wei­te­ren tech­ni­schen Auf­wand drei­di­men­sio­nal ver­for­men. So kön­nen die fer­ti­gen Lei­ter­plat­ten nach­träg­lich dem raum­spa­ren­den Design von Flug­zeu­gen und Raum­fäh­ren ange­passt werden.

Und noch wei­te­re Vor­tei­le spre­chen für den neu­en Ver­bund­stoff: Infol­ge der Füll­stof­fe wird die Men­ge der Luft­feuch­tig­keit gesenkt, die bei einer star­ken Aus­deh­nung in das Mate­ri­al ein­dringt. Zudem ist der Ver­bund­stoff äußerst hit­ze­be­stän­dig und benö­tigt kei­ne zusätz­li­chen Flamm­schutz­mit­tel. Somit ist das LuVo Board unein­ge­schränkt recy­cling­fä­hig. Es ent­spricht voll der EU-Richt­li­nie RoHS, wel­che die Ver­wen­dung bestimm­ter gefähr­li­cher Stof­fe in Elek­tro- und Elek­tronik­ge­rä­ten beschränkt.

„Wir sind mit der Per­for­mance unse­res neu­en Mate­ri­als hoch­zu­frie­den“, erklärt Dr.-Ing. Feli­pe Wolff Fab­ris. „Wir wol­len die For­schungs­ar­bei­ten an den Stand­or­ten Bay­reuth und Ham­burg vor­an­trei­ben und mit wei­te­ren Tests auch den indu­stri­el­len Ein­satz des LuVo-Boards unter­stüt­zen.“ Dar­über hin­aus haben die Bay­reu­ther Inge­nieur­wis­sen­schaft­ler bereits die über­näch­ste Gene­ra­ti­on elek­tro­ni­scher Lei­ter­plat­ten im Blick. Im Juni 2011 star­tet ein For­schungs­pro­jekt, das dar­auf abzielt, die Kunst­stoff­an­tei­le in Lei­ter­plat­ten durch nach­wach­sen­de Roh­stof­fe zu erset­zen, ohne dass sich dadurch die Lei­stungs­fä­hig­keit ver­min­dert oder die Pro­duk­ti­on verteuert.