Weg­wei­send für lei­stungs­star­ke Solar­zel­len: Hoch­prä­zi­se Berech­nun­gen mole­ku­la­rer Licht­ab­sorp­tio­nen an der Uni­ver­si­tät Bayreuth

Unter dem Stich­wort „Light Har­ve­st­ing“ („Licht­ern­te“) hat sich welt­weit eine For­schungs­rich­tung eta­bliert, die Phy­sik, Che­mie und Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten mit­ein­an­der ver­bin­det. Sie zielt auf inno­va­ti­ve Syste­me der Strom­erzeu­gung, die nach dem Vor­bild der pflanz­li­chen Pho­to­syn­the­se Licht­ener­gie in che­mi­sche Ener­gie umwan­deln. In die­sem Zusam­men­hang inter­es­siert sich die For­schung für neue kosten­gün­sti­ge Mate­ria­li­en, wel­che die Effi­zi­enz von Solar­zel­len erheb­lich stei­gern kön­nen. Hier­für hat jetzt ein For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, in Koope­ra­ti­on mit dem Fritz-Haber-Zen­trum an der Hebräi­schen Uni­ver­si­tät Jeru­sa­lem, weg­wei­sen­de Berech­nun­gen vorgelegt.

Die Her­aus­for­de­rung: Funk­ti­ons­ma­te­ria­li­en mit mög­lichst brei­ter Lichtabsorption

Mate­ria­li­en, die einen viel grö­ße­ren Anteil des ein­fal­len­den Son­nen­lichts auf­neh­men kön­nen als die in der Pho­to­vol­ta­ik bis­her übli­chen Bau­stof­fe, sind ein wich­ti­ger Bei­trag zu lei­stungs­stär­ke­ren Solar­zel­len. Nun setzt sich das Son­nen­licht aber aus Licht­strah­len unter­schied­li­cher Wel­len­län­gen zusam­men. Die­se wer­den bei einer Licht­beu­gung, z.B. in einem Regen­bo­gen, als far­bi­ge Abschnit­te eines Spek­trums sicht­bar. Die ange­streb­ten Mate­ria­li­en sol­len folg­lich in der Lage sein, das Son­nen­licht mög­lichst lücken­los auf­zu­neh­men, d.h. Licht­ener­gie aus mög­lichst vie­len Abschnit­ten des Spek­trums zu absorbieren.

An der geziel­ten Erfor­schung sol­cher Mate­ria­li­en arbei­tet ein Bay­reu­ther For­schungs­team um Pro­fes­sor Mukun­dan The­l­ak­kat (Poly­mer­wis­sen­schaft), der das EU-For­schungs­pro­jekt LARG­E­CELLS lei­tet. Hier geht es ins­be­son­de­re dar­um, poly­me­re Funk­ti­ons­ma­te­ria­li­en für orga­ni­sche Pho­to­vol­ta­ik­zel­len zu ent­wickeln; d.h. für neu­ar­ti­ge Solar­zel­len, die sich mit einem viel gerin­ge­ren Ener­gie- und Kosten­auf­wand her­stel­len las­sen als rein anor­ga­ni­sche Pho­to­vol­ta­ik­zel­len aus Silizium.

In aktu­el­len For­schungs­ar­bei­ten ver­dich­te­ten sich die Indi­zi­en, dass eine bestimm­te Grup­pe von Mole­kü­len zu einer unge­wöhn­lich brei­ten Licht­ab­sorp­ti­on fähig sein könn­te. Der zen­tra­le Bau­stein die­ser Mole­kü­le ist Naph­tha­lin-Dii­mid (NDI); an zwei Stel­len des NDI sind Thio­phen­rin­ge ange­hängt. Jeder Thio­phen­ring besteht aus vier Koh­len­stoff- und Was­ser­stoff­ato­men sowie einem Schwe­fel­atom. Die Mole­kü­le, die das Inter­es­se der Bay­reu­ther For­scher geweckt haben, unter­schei­den sich allein durch die Anzahl der Rin­ge, die – wie zwei Arme – links und rechts an das NDI ange­hängt wer­den: „NDI‑1“ heißt ein Mole­kül, das an jeder Sei­te jeweils einen Thio­phen­ring hat; bei „NDI‑2“ sind es jeweils 2 Rin­ge; und so fort. Ver­hält es sich tat­säch­lich so, dass die ver­schie­de­nen NDI-Mole­kü­le Licht­ener­gie aus jeweils ver­schie­de­nen Abschnit­ten des Spek­trums absor­bie­ren? Ist daher eine Mischung von NDI-Mole­kü­len zu einer brei­ten Absorp­ti­on des Son­nen­lichts fähig?

Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen: Ein effi­zi­en­ter Weg­wei­ser zu einer neu­en Solarzellen-Generation

Die­se Hypo­the­se im Labor zu über­prü­fen, ist außer­or­dent­lich zeit­auf­wän­dig. Pro­fes­sor Ste­phan Küm­mel, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth den Lehr­stuhl für Theo­re­ti­sche Phy­sik IV inne­hat, und sein Mit­ar­bei­ter Dipl.-Phys. Andre­as Karo­lew­ski fan­den jedoch einen Aus­weg. Es gelang ihnen, die empi­ri­schen Labor­ver­su­che durch theo­re­ti­sche Berech­nun­gen am Com­pu­ter zu erset­zen. Mit­hil­fe von Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen konn­ten sie nach­wei­sen, dass modi­fi­zier­te NDI-Mole­kü­le Licht ver­schie­de­ner Wel­len­län­gen auf­neh­men; je nach­dem, wie vie­le Thio­phen­rin­ge ihnen ange­hängt sind. Mehr noch: Eine Mischung aus NDI-Mole­kü­len, denen beid­sei­tig bis zu sie­ben Thio­phen­rin­ge ange­hängt sind, kann Licht­ener­gie aus fast allen Abschnit­ten des Son­nen­licht-Spek­trums absor­bie­ren; bis hin zu den ener­gie­ar­men lang­wel­li­gen Licht­strah­len. Ent­schei­dend ist dabei der Auf­bau der NDI-Mole­kü­le. Von den Thio­phen­rin­gen, die wie zwei Arme an den Außen­sei­ten hän­gen, wird elek­tri­sche Ladung in den NDI-Kern gelei­tet. Phy­si­ka­lisch gespro­chen: Die Thio­phen­rin­ge fun­gie­ren als Donor, der NDI-Kern als Rezeptor.

Erste Labor­ver­su­che der Bay­reu­ther Poly­mer­wis­sen­schaft­ler haben die Berech­nun­gen bestä­tigt. Damit eröff­net sich eine hoch­in­ter­es­san­te Per­spek­ti­ve für eine neue Gene­ra­ti­on von Solar­zel­len. Denn eine Mischung aus NDI-Mole­kü­len, die sich nur durch die Zahl der Thio­phen­rin­ge unter­schei­den, lässt sich im Indu­strie­maß­stab außer­or­dent­lich kosten­gün­stig her­stel­len. Aller­dings müs­sen zuvor wei­te­re Aspek­te geklärt wer­den, z.B. die Fra­ge, wie die in dem neu­en Mate­ri­al absor­bier­ten hohen Ener­gie­men­gen am effi­zi­en­te­sten in Solar­strom umge­setzt werden.

Erfolg­reich mit lei­stungs­star­ken Partnern

Die Berech­nun­gen der Licht­ab­sorp­tio­nen sind auch das Ergeb­nis einer erfolg­rei­chen Zusam­men­ar­beit mit kom­pe­ten­ten Part­nern. Auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne lei­ste­te die Arbeits­grup­pe von Pro­fes­sor Roi Baer am Fritz Haber-Zen­trum für Mole­ku­la­re Dyna­mik an der Hebräi­schen Uni­ver­si­tät Jeru­sa­lem wert­vol­le Unter­stüt­zung. Lokal ver­stärkt das Gra­du­ier­ten­kol­leg 1640 „Foto­phy­sik syn­the­ti­scher und bio­lo­gi­scher mul­ti­chro­mo­phorer Syste­me“ die For­schun­gen auf dem Gebiet der orga­ni­schen Pho­to­vol­ta­ik. Es wur­de vor kur­zem von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ein­ge­rich­tet. Zudem macht es die lei­stungs­star­ke Infra­struk­tur im Rechen­zen­trum der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mög­lich, kom­ple­xe Berech­nun­gen in ver­gleichs­wei­se kur­zer Zeit durch­zu­füh­ren. „Die Koope­ra­ti­on mit unse­rem Rechen­zen­trum, das einen von der DFG geför­der­ten High-Per­for­mance-Com­pu­ting-Clu­ster beher­bergt, ist aus­ge­zeich­net. Sie bedeu­tet eine ganz wich­ti­ge Unter­stüt­zung für unse­re phy­si­ka­li­sche Grund­la­gen­for­schung“, freut sich Pro­fes­sor Ste­phan Kümmel.

Sein Mit­ar­bei­ter Dipl.-Phys. Andre­as Karo­lew­ski war 2009 aus­ge­wählt wor­den, um eige­ne For­schungs­ideen bei der Jah­res­ta­gung der Nobel­preis­trä­ger in Lin­dau vor­zu­stel­len. Der­zeit pro­mo­viert er in Bay­reuth mit einem Sti­pen­di­um des Gra­du­ier­ten­kol­legs 1640 in der Bay­NAT, der Bay­reu­ther Gra­du­ier­ten­schu­le für Mathe­ma­tik und Naturwissenschaften.

Ver­öf­fent­li­chung

A. Karo­lew­ski, T. Stein, R. Baer, S. Kümmel,
Com­mu­ni­ca­ti­on: Tail­oring the opti­cal gap in light-har­ve­st­ing molecules,
in: Jour­nal of Che­mical Phy­sics, 134 151101–151104 (2011),
DOI-Book­mark: 10.1063/1.3581788

Ansprech­part­ner

Für die Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen und phy­si­ka­li­schen Berechnungen:

Prof. Dr. Ste­phan Kümmel
Theo­re­ti­sche Phy­sik IV
Uni­ver­si­tät Bayreuth
D‑95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 / 55–3220
E‑Mail: stephan.​kuemmel@​uni-​bayreuth.​de

Für das EU-Pro­jekt LARGECELLS:

Prof. Dr. Mukun­dan Thelakkat
Ange­wand­te Funktionspolymere
Uni­ver­si­tät Bayreuth
D‑95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 / 55–3108
E‑Mail: mukundan.​thelakkat@​uni-​bayreuth.​de