Joa­chim Gauck liest in Hof aus „Win­ter im Som­mer – Früh­ling im Herbst. Erinnerungen“

Mit anschlie­ßen­der Dis­kus­si­on. Mode­ra­ti­on: Eli­sa­beth Schar­fen­berg MdB und Petra Ernst­ber­ger MdB

Joachim Gauck. Foto: Reto Klar

Joa­chim Gauck. Foto: Reto Klar

In sei­nem Erin­ne­rungs­buch „Win­ter im Som­mer – Früh­ling im Herbst“ beschreibt Joa­chim Gauck die Geschich­te der bei­den deut­schen Staa­ten wäh­rend des Kal­ten Krie­ges, die beweg­te Zeit der fried­li­chen Revo­lu­ti­on, das Ende der DDR und das Zusam­men­wach­sen der bei­den deut­schen Staa­ten. Dabei war Gauck nicht nur Zeit­zeu­ge der Geschich­te. Er, der „Revo­lu­ti­onspa­stor“ aus Rostock und spä­te­re Lei­ter der Sta­si-Unter­la­gen­be­hör­de, war einer der selbst Geschich­te geschrie­ben hat.

Idyl­lisch sind die ersten Erin­ne­run­gen, die Gauck in sei­nem Buch fest­hält. Die Som­mer in Wüstrow an der Ost­see, geprägt von Wei­te und Frei­heit. Mit­ten in den Som­mer 1951 zieht plötz­lich der Win­ter ein mit einem Ereig­nis, das Gaucks Leben ent­schei­den soll­te. Er ist elf Jah­re alt als er erfährt, dass sein Vater „abge­holt“ wor­den ist. Zwei Jah­re weiß die Fami­lie Gauck nichts vom Vater. Erst nach Sta­lins Tod, 1953, kehrt der Vater aus Sibi­ri­en zurück: ein gezeich­ne­ter, aber kein gebro­che­ner Mann.

Für den jun­gen Gauck beginnt mit der poli­ti­schen Ver­fol­gung des Vaters die inne­re Geg­ner­schaft zur DDR. Er wird Pfar­rer, auch weil er hier­in einen Weg sieht, sich nicht ver­ein­nah­men zu las­sen. Und er emp­fin­det das Leben in der DDR hin­ter dem soge­nann­ten anti­fa­schi­sti­schen Schutz­wall, wie die Mau­er bezeich­net wird, als Anma­ßung und Belei­di­gung der bür­ger­li­chen Frei­heits­rech­te. Vom Dorf­pfar­rer in sei­ner meck­len­bur­gi­schen Hei­mat wird er zum Stadt­pfar­rer im Rostocker Neu­bau­vier­tel, wo es für 80.000 Bewoh­ner nicht eine Kir­che gibt. Gauck baut eine Gemein­de auf und gerät ins Visier der Sta­si. Er ist einer der Köp­fe der Rostocker Demon­stra­tio­nen im Okto­ber 1989. Es ist der Früh­ling im Herbst, der Wil­le nach Frei­heit und Demo­kra­tie, der sich in den Demon­stra­tio­nen aus­drückt. Als die DDR zusam­men­bricht sind allei­ne sechs IMs auf den „Revo­lu­ti­onspa­stor“ ange­setzt. Gauck wird Mit­glied des Neu­en Forums und in der Nach­wen­de­zeit zum Herrn über die Stasiunterlagen.

Dabei sieht Gauck die nach ihm benann­te Behör­de nicht als Instru­ment der„Rache“. Aller­dings will er auch nicht ein­fach einen Schluss­strich unter die Ver­gan­gen­heit zu zie­hen. Gegen erheb­li­chen Wider­stand tritt er immer wie­der dafür ein, Sta­si-Unrecht auf­zu­decken und damit zu ver­ar­bei­ten. „Letzt­lich“, so Eli­sa­beth Schar­fen­berg MdB, „hat Gauck durch sei­ne Arbeit den Weg berei­tet für eine gesamt­deut­sche Zukunft, die sich an den Wer­ten von Demo­kra­tie und Frei­heit misst.“ „Gera­de weil wir in Ober­fran­ken die Aus­wir­kun­gen des Eiser­nen Vor­hangs haut­nah erle­ben haben, die auf­kei­men­de fried­li­che Revo­lu­ti­on jen­seits der Gren­ze in Plau­en und schließ­lich die deutsch-deut­sche Wie­der­ver­ei­ni­gung, ist die Lesung auch ein Rück­blick auf unse­re eige­ne Geschich­te,“ erklärt Petra Ernst­ber­ger MdB.

Der Hofer Kreis­ver­band von Bünd­nis 90/​Die Grü­nen, der SPD-Unter­be­zirk Hoch­fran­ken und die Evan­ge­li­sche Erwach­se­nen­bil­dung Hof/​Naila laden ein:

  • „Joa­chim Gauck liest aus „Win­ter im Som­mer – Früh­ling im Herbst. Erinnerungen“
  • Mit anschlie­ßen­der Dis­kus­si­on. Mode­ra­ti­on: Eli­sa­beth Schar­fen­berg MdB und Petra Ernst­ber­ger MdB
  • Mon­tag, den 4. Juli um 19:00 Uhr in der St. Michae­lis­kir­che, Hof

Hin­ter­grund­in­fo: Dr. h. c. mult. Joa­chim Gauck

  • Vor­sit­zen­der der Ver­ei­ni­gung Gegen Ver­ges­sen – Für Demokratie
  • ehem. Bun­des­be­auf­trag­ter für die Unter­la­gen des Staats­si­cher­heits­dien­stes der ehe­ma­li­gen Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik a. D.

Joa­chim Gauck wur­de 1940 in Rostock als Sohn eines Kapi­täns gebo­ren. Nach dem Abitur stu­dier­te er Theo­lo­gie. Ab 1965 bis 1990 ist er im Dienst der Ev.-Luth. Lan­des­kir­che Meck­len­burgs, die läng­ste Zeit als Pastor in Rostock, wo er im Neben­amt u.a. auch Stadt­ju­gend­pa­stor und spä­ter Lei­ter der Kir­chen­tags­ar­beit sei­ner Lan­des­kir­che war.

Früh wur­de er durch sei­ne offe­nen und kri­ti­schen Wor­te bekannt. 1989 gehör­te Joa­chim Gauck zu den Mit­be­grün­dern des ‚Neu­en Forum‘, des­sen Spre­cher er in sei­ner Hei­mat­stadt wur­de. Im Herbst 1989 war er Mit­in­itia­tor des kirch­li­chen und öffent­li­chen Wider­stan­des gegen die SED-Dik­ta­tur. Er lei­te­te wöchent­li­che Abend­got­tes­dien­ste, aus denen sich macht­vol­le Pro­test­de­mon­stra­tio­nen ent­wickel­ten, die auch in Rostock das DDR-Régime beendeten.

Im März 1990 zog er als Abge­ord­ne­ter der Bür­ger­be­we­gun­gen, die sich im Bünd­nis 90 zusam­men­ge­schlos­sen hat­ten, in die zum ersten Mal frei gewähl­te Volks­kam­mer ein und wur­de zum Vor­sit­zen­den des Par­la­men­ta­ri­schen Son­der­aus­schus­ses zur Kon­trol­le der Auf­lö­sung des MfS (Mini­ste­ri­um für Staats­si­cher­heit) gewählt.

Nach Wahl durch die Volks­kam­mer wur­de Joa­chim Gauck zum 3. Okto­ber 1990 vom Bun­des­prä­si­den­ten und Bun­des­kanz­ler zum ‚Son­der­be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für die per­so­nen­be­zo­ge­nen Unter­la­gen des ehe­ma­li­gen Staats­si­cher­heits­dien­stes‘ beru­fen; nach Ver­ab­schie­dung des Sta­si-Unter­la­gen-Geset­zes des Deut­schen Bun­des­ta­ges Ende 1991 war er ‚Bun­des­be­auf­trag­ter für die Unter­la­gen des Staats­si­cher­heits­dien­stes der ehe­ma­li­gen Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik‘ mit Dienst­sitz in Ber­lin. Am 21. Sep­tem­ber 1995, vom Deut­schen Bun­des­tag mit deut­li­cher Mehr­heit wie­der­ge­wählt, wur­de er zum 3. Okto­ber 1995 für eine zwei­te Amts­pe­ri­ode beru­fen, die am 2. Okto­ber 2000 ende­te. Eine wei­te­re Amts­zeit war nach dem Gesetz nicht möglich.

Im Jahr 2001 mode­rier­te er 14-tägig in der ARD die WDR-Sen­dung ‚Joa­chim Gauck’.

Von 2001 bis 2004 war Joa­chim Gauck deut­sches Mit­glied des Ver­wal­tungs­ra­tes der Euro­päi­schen Stel­le zur Beob­ach­tung von Ras­sis­mus und Frem­den­feind­lich­keit in Wien(Ehrenamt).

Seit Novem­ber 2003 ist er als Nach­fol­ger von Hans Koschnick Bun­des­vor­sit­zen­der der Ver­ei­ni­gung „Gegen Ver­ges­sen- Für Demokratie“.

Im Jahr 2009 hat er sei­ne Erin­ne­run­gen an die fried­lich Revo­lu­ti­on im Sied­ler Ver­lag ver­öf­fent­licht („Win­ter im Som­mer – Früh­ling im Herbst“, Mün­chen 2009, ISBN-978–3‑88680–935‑6).

Ehrun­gen

Theo­dor-Heuss-Medail­le (1991), Bun­des­ver­dienst­kreuz 1. Klas­se (1995), Her­mann-Ehlers-Preis (1996), Han­nah-Are­ndt-Preis, Bre­men (1997) , Ehren­dok­tor der Uni­ver­si­tät Rostock (1999), Imre-Nagy-Gedenk­pla­ket­te, Buda­pest (1999), Dolf-Stern­ber­ger Preis für Öffent­li­che Rede(1999), CiceroRednerpreis(2000), Wart­burg­preis (2000), Goßes Bun­des­ver­dienst­kreuz mit Stern (2000), Ehren­dok­tor der Uni­ver­si­tät Jena (2001); Erich Käst­ner-Preis, Dres­den (2001), Gol­de­nes Lot (der deut­schen Ver­mes­sungs­in­ge­nieu­re) 2002, Wit­ten­berg Award, Washing­ton D.C.(2002), Courage-Preis,Osnabrück/Bad Iburg (2003), Heinz Her­bert Kar­ry-Preis, Frankfurt/​Main (2005), Ehren­dok­tor der Uni­ver­si­tät Augs­burg (2005), Tho­mas-Deh­ler-Preis, Mün­chen 2008), „Glas der Ver­nunft“ (Kas­se­ler Bür­ger­preis 2009), Inter­na­tio­na­ler Deut­scher PR-Preis als „Kom­mu­ni­ka­tor des Jah­res“ (Deut­sche Public Rela­ti­ons Gesell­schaft Sep­tem­ber 2010), Medi­en­preis vom Ver­ein der Aus­län­di­schen Pres­se (Ber­lin, Sep­tem­ber 2010), „Gol­de­ne Vic­to­ria“ (Ber­lin, Novem­ber 2010), Geschwi­ster-Scholl-Preis (Mün­chen, Novem­ber 2010). Euro­päi­scher Men­schen­rechts­preis (Straß­burg, April 2011).