Ver­brau­cher­schutz: Infor­ma­ti­on allein genügt nicht

Pro­fes­sor Schmidt-Kes­sel plä­diert für eine stär­ke­re Posi­ti­on des Ver­brau­chers – Ring­vor­le­sung im Sommersemester

Wer infor­miert ist, han­delt rich­tig. Die­sen schlich­ten Satz wür­de Pro­fes­sor Dr. Mar­tin Schmidt-Kes­sel, Inha­ber des Lehr­stuhls für Ver­brau­cher­recht an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, kei­nes­falls unbe­se­hen unter­schrei­ben. Er sagt: „Das Infor­ma­ti­ons­mo­dell im Ver­brau­cher­schutz ist aus­ge­reizt, wenn nicht sogar schon über­reizt.“ Dies wird auch im Rah­men einer öffent­li­chen Ring­vor­le­sung deut­lich, die unter dem Mot­to „Instru­men­te des Ver­brau­cher­rechts“ wäh­rend des Som­mer­se­me­sters an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth stattfindet.

Im Bemü­hen um den Schutz von Kapi­tal­an­le­gern sieht Pro­fes­sor Schmidt-Kes­sel gera­de­zu ein Para­de­bei­spiel für ver­fehl­te Dere­gu­lie­rung. „Vie­le Geschäf­te mit hohem Risi­ko waren noch vor ein paar Jah­ren Ver­brau­chern und Pri­vat­an­le­gern gar nicht zugäng­lich.“ Das hat sich nicht zuletzt mit der ver­än­der­ten Ver­brau­cher­schutz-Phi­lo­so­phie, ein infor­mier­ter Ver­brau­cher wer­de zwangs­läu­fig rich­tig ent­schei­den, geän­dert. So schön die­se Theo­rie klingt, so weit ist sie in vie­len Fäl­len von der Pra­xis ent­fernt: „Infor­ma­ti­on als Schutz des Ver­brau­chers funk­tio­niert bei­lei­be nicht immer. Manch­mal scha­det sie sogar mehr als sie nutzt“, sagt der Ver­brau­cher­rechts­exper­te der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. „Bei­pack­zet­tel“ bei Finanz­pro­duk­ten hin, obli­ga­to­ri­sche Bera­tungs­pro­to­kol­le her – dass schlicht die Infor­ma­ti­on nicht rich­tig ist oder beim Anle­ger nicht rich­tig ankommt, ist und bleibt ein Feh­ler im System des Anlegerschutzes.

Übri­gens: Das Infor­ma­ti­ons­mo­dell funk­tio­niert nicht nur beim Anle­ger­schutz nicht rei­bungs­los. Auch im Lebens­mit­tel­recht sind die Gren­zen nach Mei­nung von Pro­fes­sor Schmidt-Kes­sel sehr schnell erreicht. Lebens­mit­tel­her­stel­ler, die sich an gel­ten­de Infor­ma­ti­ons­pflich­ten hal­ten, mögen gegen­über den Auf­sichts­be­hör­den eine wei­ße Weste haben. „Im Ver­hält­nis zu den Ver­brau­chern ist das aller­dings eine trü­ge­ri­sche Sicher­heit“, sagt Pro­fes­sor Schmidt-Kes­sel. Ver­brau­cher reagier­ten zu recht all­er­gisch dar­auf, wenn ihnen baye­ri­sche Eier ver­kauft wer­den, die nicht aus Bay­ern stam­men son­dern nur in Bay­ern ver­packt wur­den. Und dass Klon­fleisch lebens­mit­tel­recht­lich nicht gekenn­zeich­net wer­den muss, ver­dirbt vie­len den Appe­tit. Pro­fes­sor Schmidt-Kes­sel sieht auch an die­ser Stel­le für eine stär­ke­re Posi­ti­on des Kon­su­men­ten: „Wenn die Erwar­tun­gen des Ver­brau­chers wei­ter gehen als es die gel­ten­den Infor­ma­ti­ons­pflich­ten vor­se­hen, ist der Her­stel­ler nicht aus dem Schneider.“

Einen kon­kre­ten Ansatz, wie Ver­brau­cher­schutz bes­ser funk­tio­nie­ren kann, hat Pro­fes­sor Schmidt-Kes­sel bei Finanz­pro­duk­te bereits in die öffent­li­che Dis­kus­si­on ein­ge­bracht. In einer Stan­dar­di­sie­rung der Pro­duk­te sieht er den Schlüs­sel. Stan­dar­di­sier­te Pro­duk­te wären bei wei­tem weni­ger erklä­rungs­be­dürf­tig und dien­ten zugleich als Ori­en­tie­rungs­hil­fe. „Bera­ter müss­ten dann weni­ger hoch­kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge erläu­tern, son­dern könn­ten sich auf die Abwei­chung eines Finanz­pro­duk­tes hin­sicht­lich der Chan­cen und Risi­ken gegen­über dem Stan­dard kon­zen­trie­ren.“ Weni­ger Infor­ma­ti­ons­auf­wand für die Bera­ter und für den Anle­ger eine sogar in Pro­zent­zah­len quan­ti­fi­zier­ba­re Chan­cen-/Ri­si­ko-Abwei­chung: Anle­ger­schutz geht also besser.

Der näch­ste Schritt zu mehr Sicher­heit wäre indes ein gro­ßer. Wenn Bera­tung und Ver­kauf in der Finanz­bran­che ent­floch­ten wären, wären zugleich die Inter­es­sen­kon­flik­te der Bera­ter gelöst. Unab­hän­gi­ge Bera­ter ver­fah­ren bereits nach die­sem Prin­zip und kas­sie­ren dafür Hono­rar. Der sprin­gen­de Punkt dabei: Die­se Art der unbe­ein­fluss­ten Bera­tung lohnt sich für Bera­ter nur bei grö­ße­ren Finanz­vo­lu­mi­na. „Bei den klei­nen Anle­gern rech­net sich das für die Bera­ter nicht“, sagt Pro­fes­sor Schmidt-Kes­sel. Und das bedeu­tet auch: „Die Ver­mu­tung liegt nahe, dass vie­le Finanz­pro­duk­te, auf die Klein­an­le­ger set­zen, nicht oder nicht opti­mal zu ihnen passen.“

Ter­mi­ne der Ringvorlesung:

Don­ners­tag, 5. Mai, 18 Uhr ct, Hör­saal 34, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor Dr. Mar­tin Schmidt-Kes­sel zum The­ma „Instru­men­te des Ver­brau­cher­rechts – eine Einführung“.

Don­ners­tag, 12. Mai, 18 Uhr ct, Hör­saal 34, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fe­sor Dr. Hin­nerk Wiss­mann zum The­ma „Ver­brau­cher­schutz durch staat­li­che Regu­lie­rung – Auf­ga­ben der intra­dis­zi­pli­nä­ren Systembildung“.

Diens­tag, 17. Mai, 18 Uhr ct, Hör­saal 34, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor Dr. Ste­fan Napel zum The­ma „Qua­li­täts­min­dest­stan­dards – Eine wett­be­werbs­öko­no­mi­sche Perspektive“.

Mitt­woch, 25. Mai, 18 Uhr ct, Hör­saal 33, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor Dr. Kay Wind­thorst zum The­ma „Die Viel­falt der Ver­brau­cher­schutz­in­stru­men­te im Telekommunikationsrecht“.

Diens­tag, 31. Mai, 18 Uhr ct, Hör­saal 34, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor Dr. Ste­phan Rixen zum The­ma „Der kran­ke Kon­su­ment: Ver­brau­cher­schutz durch Gesundheits(sozial)recht zwi­schen Pater­na­lis­mus und Empowerment“.

Don­ners­tag, 9. Juni , 18 Uhr ct, Hör­saal 34, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor Dr. Ste­fan Leib­le zum The­ma „Die inter­na­tio­na­le Dimen­si­on des zivil­recht­li­chen Verbraucherschutzes“.

Don­ners­tag, 16. Juni, 18 Uhr ct, Hör­saal 34, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor Dr. Klaus Schä­fer zum The­ma „Finanz­kri­se und Anle­ger­schutz: Inno­va­ti­on ver­sus Regulierung“.

Diens­tag, 21. Juni, 18 Uhr ct, Hör­saal 34 , Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor Dr. Jörg Gun­del zum The­ma „Ver­brau­cher­schutz im Energiesektor“.

Don­ners­tag, 30. Juni, 18 Uhr ct, Hör­saal 34, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor Dr. Ans­gar Ohly, LL.M, zum The­ma „Ist der Kon­kur­rent der beste Ver­brau­cher­schüt­zer? Grund und Reich­wei­te des lau­ter­keits­recht­li­chen Verbraucherschutzes“.

Don­ners­tag, 7. Juli, 18 Uhr ct, Hör­saal 34, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor em. Dr. Vol­ker Emme­rich zum The­ma „Rück­ver­gü­tun­gen bei der Anla­ge­be­ra­tung ins­be­son­de­re durch Ban­ken – Qua­li­täts­de­fi­zit durch Inter­es­sen­kon­flik­te (in Zusam­men­ar­beit mit der For­schungs­stel­le für Bank­recht und Bankpolitik)“.

Don­ners­tag, 14. Juli, 18 Uhr ct, Hör­saal 34, Gebäu­de Ange­wand­te Infor­ma­tik: Pro­fes­sor Dr. Niko­laus Bosch zum The­ma „Straf­recht – Ein Instru­ment des Verbraucherschutzrechts?“.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen gibt es im Inter­net unter
www​.zivil​rech​t9​.uni​-bay​reuth​.de