Zen­tra­le Gedenk­ver­an­stal­tung „25 Jah­re nach Tscher­no­byl“ in Bamberg

Denk­mal­ent­hül­lung und Feierstunde

Mit einer fei­er­li­chen Gedenk­ver­an­stal­tung erin­ner­te der Bund Natur­schutz am 25. Jah­res­tag der Kata­stro­phe von Tscher­no­byl an die ver­hee­ren­den Fol­gen des bis dahin schlimm­sten Atom­un­falls der Geschich­te. An der Frie­dens­brücke in Bam­berg wur­de dazu im Bei­sein des Bam­ber­ger Ober­bür­ger­mei­sters Andre­as Star­ke und zahl­rei­cher Ehren­gä­ste ein Denk­mal ent­hüllt: Eine hilf­los auf dem Rücken lie­gen­de Schild­krö­te als Sym­bol der wehr­lo­sen Natur gegen­über der radio­ak­ti­ven Ver­seu­chung wei­ter Tei­le Euro­pas, geschaf­fen vom inter­na­tio­nal bekann­ten Bild­hau­er Jin Mo Kang aus Süd­ko­rea. Auf dem Bauch­pan­zer der Schild­krö­te ist eine Welt­kar­te ein­gra­viert, die die glo­ba­le Bedeu­tung der Umwelt­ver­schmut­zung und im Beson­de­ren der ato­ma­ren Ver­seu­chung widerspiegelt.

Die anschlie­ßen­de Gedenk­ver­an­stal­tung im Kon­gress­zen­trum wur­de durch den Cel­lo­so­li­sten und Mit­glied der Bam­ber­ger Sym­pho­ni­ker, Edu­ard Resatsch musi­ka­lisch begleitet.

„Es war der bis dahin größ­te Atom­un­fall und er lei­te­te die Zei­ten­wen­de der Ener­gie­po­li­tik ein. Wir ver­nei­gen uns vor den Opfern die­ser men­schen­ge­mach­ten Kata­stro­phe. Sie wur­den sehen­den Auges von der Regie­rung der dama­li­gen Sowjet­uni­on in den Tod oder in jah­re­lan­ges kör­per­li­ches Lei­den geschickt. So wie Hiro­shi­ma und Naga­sa­ki als ewi­ge Mahn­ma­le für den Ein­satz der Atom­bom­be gel­ten, wird Tscher­no­byl als Mahn­mal für die Über­heb­lich­keit tech­no­kra­ti­scher Regie­run­gen ste­hen“, so Hubert Wei­ger, Vor­sit­zen­der des Bun­des Naturschutz.

„Die­se schon seit lan­ger Zeit geplan­te Mahn- und Gedenk­stun­de hat durch die aktu­el­len Ereig­nis­se in Japan lei­der eine fürch­ter­li­che Aktua­li­tät erhal­ten. Die bei­den Kata­stro­phen wei­sen auch eine erschrecken­de Par­al­le­li­tät beim Ver­such der Bewäl­ti­gung auf“, so Wei­ger. „Unser heu­te zu ent­hül­len­des Mahn­mal steht damit auch für die Kata­stro­phe von Fuku­shi­ma. Wir hof­fen, dass die heu­ti­ge Bun­des­re­gie­rung end­lich die Zei­chen der Zeit erkennt und aus der unbe­herrsch­ba­ren und ethisch nicht ver­tret­ba­ren Atom­ener­gie­nut­zung aussteigt.“

Der Initia­tor des Kunst­wer­kes Udo Ben­ker-Wienands: „ ‚Was lan­ge währt, wird end­lich gut‘, die­se Volks­weis­heit kann zwar für das Tscher­no­byl­denk­mal, unse­re Schild­krö­te, gel­ten, in kein­ster Wei­se jedoch für die Sache, derent­wil­len das Denk­mal ent­stan­den ist. 25 Jah­re sind seit der Kata­stro­phe von Tscher­no­byl ver­gan­gen. In die­sen Jah­ren wur­den in 400 Atom­kraft­wer­ken wei­ter­hin unge­heue­re Men­gen an Atom­müll erzeugt, von dem kein Mensch weiß, wie wir ihn über hun­dert­tau­sen­de von Jah­ren sicher ver­wah­ren kön­nen. Und in unzäh­li­gen Unfäl­len wur­de radio­ak­ti­ves Gift in die Umwelt abge­ge­ben. Fuku­shi­ma ist ein wei­te­rer ‚Höhe­punkt‘ der Atom­kraft­nut­zung. Hof­fen wir, dass die Ver­nunft dazu führt, dass er der Letz­te ist. Hirn ein­schal­ten – Atom­kraft abschalten!“

„Vor 25 Jah­ren muss­ten unse­re Gärt­ner in Bam­berg die Ern­te unter­pflü­gen. Atom­ka­ta­stro­phen ken­nen kei­ne Gren­zen, des­halb müs­sen Atom­mei­ler welt­weit abge­schal­tet wer­den – so schnell wie mög­lich“, so Heinz Jung, 1. Vor­sit­zen­der der BN-Kreis­grup­pe Bamberg.

Das Kunst­werk

Die Kreis­grup­pe Hof des Bun­des Natur­schutz in Bay­ern e.V. hat­te nach der Kata­stro­phe von Tscher­no­byl im Jahr 1988 einen bun­des­wei­ten Künst­ler­wett­be­werb zum The­ma „Ein Denk­mal für Tscher­no­byl“ ver­an­stal­tet. Weit über 100 Künst­ler aus der gesam­ten Bun­des­re­pu­blik haben sich damals mit Ent­wür­fen an dem Wett­be­werb beteiligt.

Eine fach­kun­di­ge Jury unter der Lei­tung von Pro­fes­sor Eugen Gom­rin­ger mit dem dama­li­gen Vor­sit­zen­den des Bun­des Natur­schutz, Hubert Wein­zierl, und Fran­ken­post­chef­re­dak­teur Wer­ner Mer­gner hat im Mai 1988 das Werk des Korea­ners Jin Mo Kang als zu ver­wirk­li­chen­den Vor­schlag ausgewählt.

Jin Mo Kang, frü­he­rer Mei­ster­schü­ler von Pro­fes­sor Leo Korn­brust an der Kunst­aka­de­mie Mün­chen und mitt­ler­wei­le inter­na­tio­nal bekann­ter Bild­hau­er, hat eine hilf­los die dem Rücken lie­gen­de Schild­krö­te entworfen.

Das Gra­nit­mo­dell der Schild­krö­te war in meh­re­ren Aus­stel­lun­gen in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in der Regi­on Nord­bay­ern zu sehen.

Das Denk­mal hat eine Grö­ße von 150 x150 x110 cm. Das Stein­ma­te­ri­al, Dio­rit, stammt aus einem inzwi­schen still­ge­leg­ten Stein­bruch im nahen Böh­men, in Tano. Es ist ein schwar­zes Gestein mit Quarzeinschlüssen.

Mit Unter­stüt­zung der Staat­li­chen Berufs­schu­le Wun­sie­del, Fach­be­reich Stein­tech­nik, wur­de das Denk­mal ver­wirk­licht. Die Aus­ar­bei­tung erfolg­te durch die Lehr­lin­ge der Staat­li­chen Berufs­schu­le Wunsiedel.

Mit dem Denk­mal wird die Bam­ber­ger Skulp­tu­ren­land­schaft mit einer wei­te­ren Groß­pla­stik berei­chert. Vor den aktu­el­len Ereig­nis­sen in Japan und den in Deutsch­land umstrit­te­nen Lauf­zei­ten für Atom­kraft­wer­ke ist sie sicher­lich die Skulp­tur mit dem aktu­ell­sten Bezug zur Zeitgeschichte.

Der Super-GAU von Tschernobyl

Am 26. April 1986 mel­de­ten die inter­na­tio­na­len Pres­se­agen­tu­ren einen Unfall im ukrai­ni­schen Atom­kraft­werk Tscher­no­byl. Nach einer kur­zen Pha­se der Ver­harm­lo­sung wur­de rela­tiv schnell das kata­stro­pha­le Aus­maß der Hava­rie klar. Das radio­ak­ti­ve Inven­tar von Block 4 des AKW Tscher­no­byl wur­de frei­ge­setzt und von wech­seln­den Win­den über wei­te Tei­le Euro­pas ver­teilt, die Aus­wir­kun­gen waren erschreckend. Sie führ­ten zu Schutz­maß­nah­men bis hin zu Kata­stro­phen­alar­men weit ent­fernt von der Unglücks­quel­le. Lebens­mit­tel, die dem radio­ak­ti­ven Fall­out aus­ge­setzt waren, wur­den mas­sen­wei­se ent­sorgt. Höchst bela­stet sind nach wie vor Regio­nen in Skan­di­na­vi­en und im süd­li­chen Bayern.

Bei den Ret­tungs­ar­bei­ten star­ben Hun­der­te von sowje­ti­schen Sol­da­ten. An den Spät­fol­gen lei­den und ster­ben noch heu­te die­se so genann­ten Liqui­da­to­ren. Die Opfer in der Zivil­be­völ­ke­rung, die an ver­schie­den­sten Krebs­er­kran­kun­gen star­ben oder noch lei­den und die nach­ge­bo­re­nen Kin­der, die krebs­krank oder behin­dert auf die Welt kamen und kom­men, kön­nen nur geschätzt wer­den, da eine genaue Erfas­sung von den staat­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen nicht erfolg­te und auch heu­te noch nicht erfolgt. Dabei wer­den Opfer­zah­len zwi­schen eini­gen 10.000 Men­schen und eini­gen 100.000 Men­schen genannt.