Oster­ge­dan­ken

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

Der luthe­ri­sche Bischof Wil­helm Stäh­lin erin­ner­te sich noch als alter Mann an ein prä­gen­des Erleb­nis aus sei­ner Stu­den­ten­zeit: Damals besuch­te er mit Kol­le­gen die Wit­ten­ber­ger Schloss­kir­che, an die Mar­tin Luther einst sei­ne 95 The­sen ange­schla­gen hat­te. Der dor­ti­ge Kir­chen­die­ner erzähl­te den jun­gen Leu­ten: Als der letz­te deut­sche Kai­ser Wil­helm II. aus sei­nem Pri­vat­ver­mö­gen die Kir­che reno­vie­ren ließ, bat er dar­um, von sei­nem Platz im Chor­raum aus die Auf­er­ste­hung Jesu bild­haft betrach­ten zu dür­fen. Der beauf­trag­te Künst­ler schuf ein Kir­chen­fen­ster, auf dem man sehen kann, wie Jesus in gött­li­cher Maje­stät sei­ne Grab­höh­le ver­lässt. Einer der von Pon­ti­us Pila­tus abkom­man­dier­ten Grab­wäch­ter, der ent­setzt starrt, ohn­mäch­tig zu Boden stürzt, trägt die Gesichts­zü­ge Wil­helm II.

Der Künst­ler hat das befrei­en­de Oster­ge­heim­nis getrof­fen und der Kai­ser ver­stand den Wink: Die Mäch­ti­gen die­ser Welt, sei­en es nun Mon­ar­chen, Gene­ra­le, Prä­si­den­ten oder Groß­in­du­strie­el­le, sie stür­zen nie­der vor der unbe­greif­li­chen Herr­lich­keit Got­tes. Waf­fen und Geld, Skep­sis und Iro­nie ver­sa­gen vor dem Herrn des Lebens: Jesus hat den Tod am Oster­mor­gen über­wun­den, sei­nen und unse­ren. Mitt­ler­wei­le gibt es kei­nen deut­schen Kai­ser mehr, kein deut­sches Reich und selbst die welt­wei­ten Ban­ken unse­rer Epo­che wackeln schon bedenk­lich. Chri­stus aber ist auf­er­stan­den uns allen vor­an. Chri­stus hat kei­nen eli­tä­ren Deba­tier­club gegrün­det, son­dern hat Got­tes Lie­be allen Men­schen wei­ter­ge­ge­ben, gera­de den Außen­sei­tern. Chri­stus hat lei­den und ster­ben müs­sen, schein­bar so schreck­lich, gemein, sinn­los wie vie­le heu­te. Gera­de dadurch ist er unser Bru­der gewor­den und er wird wie­der­kom­men, um all die Sei­nen zum „ewi­gen Leben“ zu füh­ren. Die­se Gewiss­heit schenkt uns die Kraft, ruhig, gelas­sen, ja hei­ter das Leben täg­lich neu zu wagen, an unse­rem Platz unser Bestes zu geben, gegen das Unrecht im Klei­nen wie im Gro­ßen anzukämpfen.

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de