Uni­ver­si­tät Bay­reuth: „Die fun­da­men­ta­len Pro­zes­se bei Ener­gie und Ladung verstehen“

Licht an für das neue Gra­du­ier­ten­kol­leg 1640/1 „Pho­to­phy­sik syn­the­ti­scher und bio­lo­gi­scher mul­ti­chro­mo­phorer Syste­me“ an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth: In den näch­sten vier­ein­halb Jah­ren wer­den Phy­si­ker, Che­mi­ker und Bio­lo­gen gemein­sam fun­da­men­ta­le Pro­zes­se erfor­schen, die den Trans­fer von Ener­gie und Ladung in mul­ti­chro­mo­pho­ren Syste­men bestim­men. Das Pro­jekt kann und soll neue Grund­la­gen für prak­ti­sche Anwen­dun­gen liefern.

Mul­ti­chro­mo­pho­re Syste­me? „Chro­mo­pho­re sind Mole­kü­le, die man mit sicht­ba­rem Licht anre­gen kann. Dies führt für das mensch­li­che Auge zu Farb­ef­fek­ten, wes­halb die­se Mole­kü­le als Farb­stof­fe ein­ge­setzt wer­den. Mul­ti­chro­mo­pho­re Syste­me bestehen dem­entspre­chend aus meh­re­ren Farb­stof­fen die mit­ein­an­der in Wech­sel­wir­kung ste­hen“, sagt Pro­fes­sor Dr. Jür­gen Köh­ler, Inha­ber des Lehr­stuhls für Expe­ri­men­tal­phy­sik IV und Spre­cher des neu­en Gra­du­ier­ten­kol­legs. Aktu­ell hat man bei der Anwen­dung die­ser Syste­me zwei Mög­lich­kei­ten: Licht rein, dann kommt Strom raus – dies ent­spricht einer neu­ar­ti­gen Solar­zel­le. Oder umge­kehrt. Strom rein, dann kommt Licht raus – so funk­tio­niert, sehr ver­ein­facht gesagt, eine Leucht­di­ode. „Es geht also stets dar­um, Ener­gie oder Ladung zu über­tra­gen“, sagt Pro­fes­sor Köh­ler. So weit, so klar – so unbefriedigend.

Aus mul­ti­chro­mo­pho­ren Syste­men kann man mehr machen. „Dazu müs­sen wir aber die Ener­gie- und Ladungs­pro­zes­se ver­ste­hen, um sie nut­zen zu kön­nen“, sagt Pro­fes­sor Köh­ler. Die­ses bes­se­re Ver­ständ­nis hat phy­si­ka­li­sche, che­mi­sche und bio­lo­gi­sche Aspek­te – ent­spre­chend setzt sich das Gra­du­ier­ten­kol­leg zusam­men. Sie­ben Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, soge­nann­te prin­ci­pal inve­sti­ga­tors, brin­gen ihr Kön­nen aus der Phy­sik und der Che­mie ein. Den Part der Bio­lo­gen über­neh­men die asso­zi­ier­ten Mit­glie­der Pro­fes­sor Dr. Richard Cod­gell vom Bio­me­di­cal Rese­arch Cent­re der Uni­ver­si­ty of Glas­gow und Pro­fes­sor Dr. Neil Hun­ter, der das Insti­tu­te for Pho­to­syn­the­sis an der Uni­ver­si­ty of Shef­field ver­tritt. Bei­de sind Fel­lows of the Roy­al Socie­ty, bei­de gehö­ren zu den Top-Wis­sen­schaft­lern in der Pho­to­syn­the­se­for­schung. Dies ist ein wich­ti­ger Punkt für das neue Gra­du­ier­ten­kol­leg, denn von der Natur lässt sich viel ler­nen. „Bei der Pho­to­syn­the­se spie­len mul­ti­chro­mo­pho­re Syste­me eine ent­schei­den­de Rol­le“, so Pro­fes­sor Köh­ler. „Die Natur lie­fert uns Vor­la­gen, anhand derer wir ver­ste­hen kön­nen, wie mole­ku­la­re Struk­tur und Funk­ti­on in Zusam­men­hang ste­hen.“ Die Exi­stenz natür­li­cher Pho­to­syn­the­se­sy­ste­me ist zudem der Beweis, dass es mög­lich ist, aus orga­ni­schen Bau­stei­nen kom­ple­xe Funk­ti­ons­ma­te­ria­li­en her­zu­stel­len. Die zugrun­de­lie­gen­den Mecha­nis­men auf­zu­klä­ren, ist ein Ziel des Graduiertenkollegs.

Im neu­en Gra­du­ier­ten­kol­leg, das für etwa 25 Teil­neh­mer Platz bie­tet, arbei­ten bereits 15 Dok­to­ran­den – sie dür­fen ihr gan­zes Wis­sen und Kön­nen mit­brin­gen, eines aber wäre fehl am Platz: Berüh­rungs­äng­ste mit der jeweils ande­ren betei­lig­ten Dis­zi­plin. Wie es sich für ein Gra­du­ier­ten­kol­leg gehört, wird hier vor allem aus­ge­bil­det und in den inter­dis­zi­pli­nä­ren Modu­len spie­len Fächer­gren­zen kei­ne Rol­le. Pro­fes­sor Köh­ler: „Wir brau­chen ein Kli­ma, in dem man mit­ein­an­der auf Augen­hö­he spricht. Erfreu­li­cher­wei­se sind wir an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mit die­ser Art von Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät schon sehr weit.“

Vom Eli­te­netz­werk hat das Gra­du­ier­ten­kol­leg das erfolg­rei­che System der Kon­fe­renz­mo­du­le über­nom­men. Dabei tref­fen Dok­to­ran­den im Vor­feld von Kon­fe­ren­zen hoch­ka­rä­ti­ge For­scher, tau­schen sich mit ihnen aus, neh­men gemein­sam mit ihnen an der Tagung teil und bear­bei­ten anschlie­ßend ein Teil­the­ma in einem Essay. Dabei geht es in erster Linie aber eben nicht nur um Wis­sen­schaft. Ins Kon­zept des Gra­du­ier­ten­kol­legs gehört auch eine Gleich­stel­lungs­kom­po­nen­te. Wis­sen­schaft­le­rin­nen, Frau­en aus der Indu­strie und Edi­to­rin­nen von Fach­zeit­schrif­ten wer­den vom Gra­du­ier­ten­kol­leg ein­ge­la­den – auch um zu berich­ten, wie sie den Spa­gat zwi­schen Kind und Kar­rie­re, zwi­schen Fami­lie und Wis­sen­schaft hin­be­kom­men. Dok­to­ran­din­nen, die zum Bei­spiel bei der Kin­der­be­treu­ung Unter­stüt­zung brau­chen, bekom­men die­se – das Gra­du­ier­ten­kol­leg nutzt die Ange­bo­te, die die fami­li­en­freund­li­che Uni­ver­si­tät Bay­reuth vor­hält, kon­se­quent. Und die Deut­sche For­schungs­ge­mein­schaft unter­stützt die­se Bemü­hun­gen um mehr Chan­cen­gleich­heit gesondert.

Das Gra­du­ier­ten­kol­leg, das zunächst für vier­ein­halb Jah­re zehn Arbeits­plät­ze schafft, ist an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth nicht nur wegen deren Fami­li­en­freund­lich­keit gut auf­ge­ho­ben. Das Bay­reu­ther Insti­tut für Makro­mo­le­kül­for­schung und das For­schungs­zen­trum für Bio-Makro­mo­le­kü­le ope­rie­ren jen­seits von Fakul­täts­gren­zen und bie­ten eine Infra­struk­tur, die allen Dok­to­ran­den zur Ver­fü­gung steht. Damit sind brei­tes inter­dis­zi­pli­nä­res Wis­sen sowie ver­wand­te und doch kom­ple­men­tä­re Ver­fah­ren an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth vor­han­den. Der Éli­te-Stu­di­en­gang „Macro­mole­cu­lar Sci­ence“, das Éli­te-PhD-Pro­gramm „Lead Struc­tures of Cell Func­tion“ und das neue Gra­du­ier­ten­kol­leg pro­fi­tie­ren wech­sel­sei­tig von­ein­an­der. Und: Das Gra­du­ier­ten­zen­trum für Mathe­ma­tik und Natur­wis­sen­schaf­ten „Bay­NAT“ schließt alle natur­wis­sen­schaft­li­chen Dis­zi­pli­nen an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ein.