Die Weih­nachts­pre­digt von Erz­bi­schof Schick

Lie­be Schwe­stern und Brüder!

„Weih­nachts­chri­sten!“ – Das Wort ist fast zu einem Schimpf­wort gewor­den. Es meint die, die nur an Weih­nach­ten in die Kir­che kom­men, etwa aus Gewohn­heit, Tra­di­ti­on oder Wohl­fühl­ver­lan­gen, die aber sonst das gan­ze Jahr nicht zu sehen sind. Doch ich möch­te Ihnen sagen: Ich freue mich über alle, die heu­te gekom­men sind, und möch­te mit Ihnen „Fro­he Weih­nach­ten“ feiern.

„Weih­nachts­chri­sten“ rich­tig ver­stan­den, müss­ten aber alle Chri­sten sein! Denn ohne Weih­nach­ten gibt es kein Chri­sten­tum und auch kein Christ­sein. An Weih­nach­ten ist Gott Mensch gewor­den, damit hat das Chri­sten­tum begon­nen und sei­nen Lauf genom­men. An Weih­nach­ten kam das Licht Got­tes in die Welt, das alle Fin­ster­nis erhellt. In Bet­le­hem wur­de der Mensch, durch den wir zum Glau­ben an den guten Gott kom­men. Das Kind von Bet­le­hem ist der, der uns die Macht gibt, Kin­der Got­tes zu wer­den. So hat es uns eben das Weih­nachts­evan­ge­li­um nach Johan­nes ver­kün­det. Wer Christ sein will, der muss beim Kind von Bet­le­hem begin­nen. Ent­we­der wir wer­den mit die­sem Kind in der Krip­pe erwach­se­ne Chri­sten oder wir wer­den es nicht. Jeder Christ muss mit Weih­nach­ten begin­nen, muss ein „Weih­nachts­christ“ sein.

Jesus Chri­stus, der mensch­ge­wor­de­ne Got­tes­sohn, ist das A und O des Chri­sten­tums wie des Christ­seins und das A und O der Kir­che. An ihm kommt nie­mand auf dem Weg zu Gott vor­bei. „Denn Gott woll­te mit sei­ner gan­zen Fül­le in ihm woh­nen“ (Kol 1,19), heißt es im Kolos­s­erbrief. Seit Bet­le­hem gibt es kei­nen alles umfas­sen­den wah­ren Glau­ben an den ein­zig wah­ren Gott, der nicht teil hat am Glau­ben Jesu Chri­sti. Die­ser Glau­be ist Ver­trau­en und Tat, Hoff­nung und Liebe.

Seit Weih­nach­ten kom­men wir auch zur ‚Fül­le des Mensch­seins’ und zu einem ‚men­schen­freund­li­chen Huma­nis­mus’ mit Jesus Chri­stus. In der Pasto­ral­kon­sti­tu­ti­on des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils „Gau­di­um et spes“ heißt es: „Chri­stus … macht … dem Men­schen den Men­schen selbst voll kund und erschließt ihm sei­ne höch­ste Beru­fung“ (Nr. 22). Jesus ist der neue Adam, der neue Mensch. Chri­stus hat gezeigt, wie groß die Wür­de jedes Men­schen ist, wel­che gott­ge­ge­be­nen Rech­te ihm zukom­men, wel­che Auf­ga­ben er in die­ser Welt zu erfül­len hat, näm­lich Gott zu lie­ben und den Näch­sten wie sich selbst. Jesus beant­wor­tet auch die Grund­fra­gen jedes Men­schen: Woher er kommt, wozu er lebt und wohin er nach die­ser Erden­zeit geht.

Im Lau­fe der Kir­chen­ge­schich­te haben – auch Chri­sten – immer wie­der ver­sucht, an Jesus Chri­stus vor­bei, zum Glau­ben an Gott zu kom­men, ohne IHN Christ zu sein und Kir­che zu bil­den. Die­se Ver­su­che waren aber Aber­glau­ben und Häre­si­en. Eini­ge mein­ten, sie könn­ten durch from­me Gedan­ken oder mysti­sche Höhen­flü­ge zu Gott kom­men. An der Mensch­heit Jesu, an sei­nem Kampf um Gerech­tig­keit und Frie­den, an sei­ner Opti­on für die Armen, an sei­nem Lei­den bis zum Kreuz woll­ten sie nicht teil­neh­men. Es gab auch Chri­sten, die sich mit Geset­zes­ge­hor­sam begnü­gen woll­ten. Sie mein­ten, wenn sie getan hät­ten, was die Gebo­te vor­schrie­ben, hät­ten sie alles erfüllt. Pau­lus wen­det sich gegen sie und for­dert, dass sie „in und mit Chri­stus leben“ müs­sen. Ande­re benut­zen den Glau­ben als sanf­tes Ruhe­kis­sen ohne die kon­kre­ten For­de­run­gen zu Bekeh­rung und täti­gem Einsatz.

Weih­nach­ten ver­kün­det, wie wir eben im Hebrä­er­brief gehört haben: „Als die Fül­le der Zeit gekom­men war, hat Gott durch sei­nen Sohn gespro­chen und ihn als Erben ein­ge­setzt“ (vgl. Hebr 1,2). An ihm und sei­nem Leben müs­sen wir teil­neh­men. Das bedeu­tet ganz kon­kret: Teil­neh­men an sei­nem ein­fa­chen, fro­hen, gelas­se­nen Gott­ver­trau­en, an sei­ner Men­schen­freund­lich­keit und sei­ner Ach­tung der Schöp­fung, an sei­ner Brot­ver­meh­rung und Brot­ver­tei­lung, so dass auch die eine Mil­li­ar­de hun­gern­den Men­schen zu essen hat. Als Chri­sten müs­sen wir teil­ha­ben an sei­ner Für­sor­ge für die Kran­ken und die am Rand der Gesell­schaft Ste­hen­den. Das sind heu­te bei uns die Hartz-IV-Emp­fän­ger oder die Asylanten.

Christ­sein heißt, teil­ha­ben an Jesus Chri­stus. Des­halb sind Dia­lo­ge und Dis­kus­sio­nen in der Kir­che nur sinn­voll und wirk­lich christ­lich, wenn sie zur Par­ti­zi­pa­ti­on am Reden und Wir­ken Jesu füh­ren, die Teil­nah­me an Chri­sti Leben und Ster­ben zum Ziel haben. Wenn sie nicht zu Jesus Chri­stus füh­ren, sind sie ver­ta­ne Zeit.

Lie­be Schwe­stern und Brüder!

Am mensch­ge­wor­de­nen Gott, an Jesus Chri­stus, kommt kein Christ und kein reli­gi­ös Suchen­der vor­bei. Gott selbst, der sich von uns Men­schen fin­den las­sen will und der uns zum wah­ren Mensch­sein füh­ren will, hat uns an Weih­nach­ten das „Super­an­ge­bot“ für alle unse­re Fra­gen und Sehn­süch­te, Pro­ble­me und Zie­le gemacht. Die erste Lesung aus Jesa­ja ver­kün­det des­halb so ein­la­dend: „Wie will­kom­men sind auf den Ber­gen die Schrit­te des Freu­den­bo­ten.“ Jesus, das Kind in der Krip­pe, ist unser „Gott und König“. Er kün­det Frie­den an, bringt fro­he Bot­schaft und ver­heißt Rettung.

Weih­nach­ten ist auch für alle Athe­isten und säku­la­ri­sier­ten Men­schen unse­rer Zeit das Ange­bot, Gott kennenzulernen.

Des­halb ist es so wich­tig, dass wir Chri­sten gera­de in unse­rer Zeit, in der eine Athe­is­mus- und Säku­la­ri­sie­rungs­wel­le über uns hin­weg­ge­schwappt, echt und tief Weih­nach­ten feiern.

Als Chri­sten müs­sen wir Weih­nach­ten fei­ern: Muti­ger im Bekennt­nis, treu­er im Gebet, fröh­li­cher im Glau­ben und bren­nen­der in der Lie­be. So sind wir ech­te „Weih­nachts­chri­sten“! Das wird auch die, die der­zeit abfäl­lig „Weih­nachts­chri­sten“ genannt wer­den, bekeh­ren, zumin­dest nach­denk­lich machen.

  • Sin­gen wir unse­re Weih­nachts­lie­der „Zu Bet­le­hem gebo­ren …“ mutig beken­nend,
  • fei­ern wir die Weih­nachts­got­tes­dien­ste treu betend,
  • glau­ben wir fröh­lich, wenn wir im Glau­bens­be­kennt­nis spre­chen: „Für uns Men­schen und zu unse­rem Heil, ist er vom Him­mel her­ab­ge­kom­men, hat Fleisch ange­nom­men durch den Hei­li­gen Geist aus Maria der Jung­frau und ist Mensch geworden.“
  • Lasst uns bren­nen in der Lie­be, indem wir das Fest fried­voll in der Fami­lie fei­ern, unse­re Kran­ken und Senio­ren besu­chen, für die Armen in Hai­ti und auf der gan­zen Welt eine Weih­nachts­ga­be spen­den etc.

Als ech­te Weih­nachts­chri­sten muti­ger beken­nen, treu­er beten, fröh­li­cher glau­ben und bren­nen­der lie­ben, wie Jesus Chri­stus, an dem kei­ner mehr vor­bei­kommt, wenn er Gott fin­den will. Jesus ist das Super­an­ge­bot für erfüll­tes Mensch­sein, die Super­chan­ce für eine huma­ne Welt. Des­halb kann es gar nicht genug „Weih­nachts­chri­sten“ geben.

Mit Jesus an der Krip­pe begin­nen, mit ihm erwach­sen wer­den und an sei­nem Leben teil­ha­ben. Dar­um geht es im Chri­sten­tum, im Christ­sein und in der Kir­che. Ver­ste­hen wir so Weih­nach­ten, leben wir so Weih­nach­ten, dann ist Weih­nach­ten ein geseg­ne­tes Fest.

Amen.

(Es gilt das gespro­che­ne Wort!)