War­um öffent­li­che Bil­dungs­aus­ga­ben sich erst recht in Zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung lohnen

(UBT). Kapi­tal­zu­flüs­se aus dem Aus­land, die ihre Ursa­che in der Inte­gra­ti­on inter­na­tio­na­ler Kapi­tal­märk­te haben, las­sen in den west­li­chen Indu­strie­län­dern das Bil­dungs­ni­veau und damit auch das Wirt­schafts­wachs­tum stei­gen. Natio­na­le Regie­run­gen kön­nen die Pro­duk­tiv­kraft ihrer Volks­wirt­schaf­ten und damit auch den all­ge­mei­nen Wohl­stand för­dern, indem sie durch geziel­te Inve­sti­tio­nen ihre öffent­li­chen Bil­dungs­sy­ste­me stär­ken. Zu die­sen Ergeb­nis­sen kommt eine neue Stu­die, die Prof. Dr. Hart­mut Egger, Inha­ber des Lehr­stuhls für Wirt­schafts­po­li­tik an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, gemein­sam mit Kol­le­gen aus der Schweiz erar­bei­tet hat. In der renom­mier­ten Zeit­schrift „The World Eco­no­my“ haben die betei­lig­ten Wis­sen­schaft­ler die Vor­aus­set­zun­gen und Ergeb­nis­se ihrer Stu­die vorgestellt.

Kapi­tal­markt­in­te­gra­ti­on, höhe­re Bil­dung und Wirt­schafts­wachs­tum: Wech­sel­sei­ti­ge Abhängigkeiten

In vie­len Län­dern, ins­be­son­de­re in den west­li­chen Indu­strie­na­tio­nen, besteht eine all­ge­mei­ne gesetz­li­che Schul­pflicht. Wei­ter­füh­ren­de Ange­bo­te der Schul- und Hoch­schul­aus­bil­dung sind hin­ge­gen frei­wil­lig. Dabei befin­den sich die mei­sten Bil­dungs­ein­rich­tun­gen in öffent­li­cher Trä­ger­schaft, so dass der Staat das Bil­dungs­sy­stem weit­ge­hend finan­ziert. Wie wirkt sich unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen eine zuneh­men­de Kapi­tal­markt­in­te­gra­ti­on aus? Wel­che Kon­se­quen­zen aus die­ser Ent­wick­lung soll­ten natio­na­le Regie­run­gen in Hin­blick auf ihre Bil­dungs­in­ve­sti­tio­nen ziehen?

Um die­se Fra­gen unter­su­chen zu kön­nen, haben die Autoren der Stu­die ein for­ma­les volks­wirt­schaft­li­ches Modell ent­wickelt, das es ermög­licht, Zusam­men­hän­ge zwi­schen makro­öko­no­mi­schen Ent­wick­lun­gen und höhe­rer Bil­dung prä­zi­se her­aus­zu­ar­bei­ten. Kapi­tal und hoch­qua­li­fi­zier­te Arbeit wer­den dar­in als kom­ple­men­tä­re Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren behan­delt; d.h. bei­de Fak­to­ren müs­sen sich bei der Bereit­stel­lung von Gütern und Dienst­lei­stun­gen ergän­zen. Ver­ein­fa­chend wird zudem ange­nom­men, dass inner­halb von Bil­dungs­ein­rich­tun­gen kein Ver­drän­gungs­wett­be­werb statt­fin­det: Wer staat­lich finan­zier­te Bil­dungs­an­ge­bo­te nutzt, schließt dadurch kei­nen ande­ren von die­sen Ange­bo­ten aus.

Auf der Grund­la­ge die­ses Modells gelingt dem inter­na­tio­na­len For­scher­team der Nach­weis für eini­ge grund­le­gen­de Zusam­men­hän­ge: Je mehr aus­län­di­sches Kapi­tal infol­ge einer zuneh­men­den Kapi­tal­markt­in­te­gra­ti­on in eine Volks­wirt­schaft fließt, desto stär­ker wer­den – bei gege­be­nen öffent­li­chen Inve­sti­tio­nen in das Bil­dungs­sy­stem – die Anrei­ze für die Bür­ger, an höhe­rer Bil­dung teil­zu­ha­ben. Ein auf die­se Wei­se geför­der­tes Bil­dungs­ni­veau kräf­tigt wie­der­um das Wirt­schafts­wachs­tum. Denn ein Zuwachs an höhe­rer Bil­dung stärkt die Inno­va­ti­ons­kraft einer Ökonomie.

Vom Nut­zen öffent­li­cher Aus­ga­ben für die höhe­re Bildung

Regie­run­gen kön­nen und soll­ten die­se Zusam­men­hän­ge zum Wohl ihrer jewei­li­gen Volks­wirt­schaf­ten nut­zen, wie die Autoren der Stu­die beto­nen. Der öffent­li­che Cha­rak­ter des Bil­dungs­sy­stems dür­fe unter den Vor­aus­set­zun­gen der Glo­ba­li­sie­rung nicht vor­ei­lig geschwächt wer­den. Staat­li­che Aus­ga­ben für die höhe­re Bil­dung soll­ten auf­recht­erhal­ten oder sogar aus­ge­wei­tet wer­den. Denn es ist kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich, dass die wach­sen­de Inte­gra­ti­on der inter­na­tio­na­len Kapi­tal­märk­te einen Kapi­tal­zu­fluss aus­löst. Wie die Stu­die nach­weist, kann auch der gegen­tei­li­ge Effekt ein­tre­ten: Volks­wirt­schaf­ten, in denen nur ein klei­ner Teil der Bevöl­ke­rung höhe­re Bil­dung besitzt und in denen die Arbeits­pro­duk­ti­vi­tät gering ist, lau­fen Gefahr, dass das glo­ba­le Zusam­men­wach­sen der Kapi­tal­märk­te einen Abfluss von real­wirt­schaft­li­chen Inve­sti­tio­nen und eine Abwan­de­rung qua­li­fi­zier­ter Arbeits­kräf­te bewirkt. Dann setzt sich eine Abwärts­spi­ra­le in Gang, die sich schwer auf­hal­ten lässt.

Plä­doy­er für eine Bil­dungs­po­li­tik mit inter­na­tio­na­ler Weitsicht

Wirt­schafts­po­li­tik und Bil­dungs­po­li­tik wer­den in der Öffent­lich­keit häu­fig als getrenn­te Berei­che wahr­ge­nom­men, die wenig mit­ein­an­der zu tun haben. Doch die­se Sicht­wei­se hält Prof. Dr. Hart­mut Egger für ver­al­tet und für schäd­lich. „Die Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten ver­fü­gen heu­te über theo­re­ti­sche und empi­ri­sche Metho­den, die sie in die Lage ver­set­zen, wech­sel­sei­ti­ge Abhän­gig­kei­ten zu ana­ly­sie­ren und zu begrün­den“, erklärt der Bay­reu­ther Öko­nom. „Nicht zuletzt für die euro­päi­schen Län­der ist es nach­weis­lich von zen­tra­ler Bedeu­tung, dass ihre Regie­run­gen die inter­na­tio­na­len Ver­flech­tun­gen auf dem Kapi­tal­markt im Blick haben, wenn sie über Bil­dungs­in­ve­sti­tio­nen ent­schei­den. Ein Niveau staat­li­cher Bil­dungs­aus­ga­ben, das einer in sich geschlos­se­nen Volks­wirt­schaft ange­mes­sen wäre, erweist sich als umso unzu­läng­li­cher, je wei­ter die Inte­gra­ti­on der Kapi­tal­märk­te fort­schrei­tet. Dann näm­lich kann und soll­te die Poli­tik durch eine Stär­kung der Uni­ver­si­tä­ten und ande­rer öffent­li­cher Bil­dungs­ein­rich­tun­gen dazu bei­tra­gen, dass mehr Kapi­tal ins Land kommt und die Wirt­schaft wächst.“