Offe­ner Brief zum „Media­ti­ons­ver­fah­ren“ im Bam­ber­ger Berggebiet

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Sehr geehr­ter Herr Ober­bür­ger­mei­ster, sehr geehr­te Damen und Herren!

Wie schon sei­ner­zeit in der Innen­stadt, zei­gen die Reak­tio­nen auf das Ergeb­nis auch im Berg­ge­biet, daß eine Media­ti­on, also ein alle zufrie­den­stel­len­der Inter­es­sen­aus­gleich, beim The­ma Ver­kehr schlecht­hin nicht mög­lich ist.

Das spricht nicht gegen das Zusam­men­füh­ren der Betrof­fe­nen und Inter­es­sen­grup­pen. Immer­hin kön­nen so die Pro­ble­me, Kon­flikt­punk­te und mög­li­che Lösungs­an­sät­ze erar­bei­tet, benannt und in die öffent­li­che Dis­kus­si­on und den poli­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zeß ein­ge­bracht wer­den. Aber man soll­te das Kind eben nicht beim fal­schen Namen nen­nen. Sonst sind wie gesche­hen über­trie­be­ne und anschlie­ßend ent­täusch­te Erwar­tun­gen abzu­se­hen. Letzt­end­lich muß der Rat der Stadt ent­schei­den, in wel­che Rich­tung die wei­te­re Ent­wick­lung gehen soll. Hier­bei kann er es nicht allen recht machen. Den Man­dats­trä­gern obliegt, ihren Wäh­lern gegen­über das Ergeb­nis zu vertreten.

Eini­ge grund­sätz­li­che Anmer­kun­gen zur ver­ab­schie­de­ten Kon­ven­ti­on erlau­be ich mir einzubringen:

Bahn­tan­gen­te

Die innen­stadt­na­he Bahn­tan­gen­te war schon im Innen­stadt­ver­fah­ren genannt wor­den. Die­ses Pro­jekt ent­stammt einer Denk­rich­tung, die restrik­ti­ves Ein­grei­fen in den moto­ri­sier­ten Stra­ßen­ver­kehr nur bei (Über)Kompensation an ande­rer Stel­le akzep­tiert. Sie wird Bam­berg nicht ent‑, son­dern eher wei­ter bela­sten. Ins­be­son­de­re auf das Berg­ge­biet, das wie fest­ge­hal­ten 87 % Ziel- und Quell­ver­kehr auf­weist, kann von der Bahn­tan­gen­te nicht profitieren.

Die Ver­mu­tung, das Pro­jekt soll wie ein Kuckucks­ei unter­ge­scho­ben wer­den, dürf­te die Rea­li­tät nicht weit verfehlen.

Park & Ride bei Bischberg

P&R, gebün­delt in gro­ßen Sam­mel­punk­ten bspw. am Stadt­rand statt dezen­tral in der Flä­che, ergänzt nicht den Öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehr (ÖPNV). Im Sal­do führt das Kon­zept zu mehr moto­ri­sier­tem Indi­vi­du­al­ver­kehr (MIV). Denn die­ser wird bestimmt durch den Wech­sel ÖPNV -> MIV auf der Haupt­strecke, nicht durch MIV -> ÖPNV auf den letz­ten Kilo­me­tern. Wenn, wie in wei­ten Tei­len um Bam­berg her­um, der­zeit kein ÖPNV-Ange­bot, das sei­nen Namen ver­dient, exi­stiert, muß die­ses auf die Bei­ne gestellt wer­den. Inve­sti­tio­nen und Betriebs­ko­sten, die in P&R flie­ßen, wer­den für ein Umsteu­ern in Rich­tung zukunfts­ori­en­tier­ter Ver­kehrs­ge­stal­tung fehlen.

Zudem ist die Linie 906, anders als dar­ge­stellt, kei­nes­falls in der Lage, etwa­igen P&R‑Verkehr ab Bisch­berg / Gau­stadt in nen­nens­wer­tem Umfang auf­zu­neh­men. In Spit­zen­zei­ten ist sie bereits über­la­stet. Das Berg­ge­biet wäre allein über den Umweg ZOB erreich­bar, da die Linie 926 nicht mehr fährt. Eine Ent­la­stung des Berg­ge­biets auf die­sem Weg ist daher schwer vorstellbar.

Öffent­li­cher Personennahverkehr

Bam­bergs Stadt­bus­an­ge­bot krankt der­zeit u. a. dar­an, daß alle Lini­en über den ZOB geführt (aus­schließ­lich radia­le Erschlie­ßung) und dort gebro­chen wer­den (ver­meid­ba­re Umstei­ge­zwän­ge). Und die für das Berg­ge­biet ange­dach­ten Shut­tlel­i­ni­en hät­ten nur dau­er­haf­ten Sinn, wenn sie in ein durch­dach­tes Gesamt­netz ein­ge­bun­den werden.

Wenig aus­sa­ge­kräf­tig für die Sinn­haf­tig­keit, die Lini­en­füh­rung der 926 wie­der auf­zu­neh­men, sind Fahr­gast­zäh­lun­gen und ‑befra­gun­gen vor dem Hin­ter­grund des momen­ta­nen Ange­bots. Denn vie­le derer, die die Linie nut­zen könn­ten, wer­den auf ande­re Ver­kehrs­mit­tel aus­ge­wi­chen sein, da (sie­he oben!) die jet­zi­gen Umweg­ver­bin­dun­gen wenig attrak­tiv sind.

Die aktu­el­len Arbei­ten am Nah­ver­kehrs­plan böten – über das Berg­ge­biet hin­aus – die Chan­ce, die Inter­es­sen­grup­pen der ÖPNV-Nut­zer und ‑Nutz­nie­ßer früh­zei­tig in die Dis­kus­si­on ein­zu­bin­den. Wenn kom­mu­na­le Ver­wal­tun­gen, Ver­kehrs­un­ter­neh­men und viel­leicht noch poli­ti­sche Man­dats­trä­ger unter sich blei­ben, besteht die Gefahr, daß allein Fra­gen des Betriebs­ab­laufs und der Kosten­struk­tu­ren das Ergeb­nis bestim­men, die Inter­es­sen der Fahr­gä­ste und der natür­li­chen Lebens­grund­la­gen jedoch außen vor stehen.

Ver­kehrs­mit­tel­wahl

Für die ratio­na­le per­sön­li­che Ver­kehrs­mit­tel­wahl ist nicht allein die Infra­struk­tur am Start- oder Ziel­ort ent­schei­dend. Die Gesamt­qua­li­tät Start + Strecke + Ziel wird ein­be­zo­gen. Inso­fern zielt die Aus­sa­ge, die Lösung der ver­kehr­lich beding­ten Pro­ble­me lie­ge im Berg­ge­biet selbst, ent­schei­dend zu kurz.

Erfor­der­lich ist, ein attrak­ti­ves inner­städ­ti­sches Bus­netz mit der Bahn und einem attrak­ti­ven Bus­netz in der Flä­che so zu ver­knüp­fen, daß die auf ein Mini­mum zu redu­zie­ren­den Umstei­ge­zwän­ge einen mög­lichst gerin­gen Zeit­ver­lust nach sich ziehen.

Erfor­der­lich ist, die Infra­struk­tur für den nicht moto­ri­sier­ten Ver­kehr flä­chen­deckend zu ver­bes­sern – Anre­gun­gen hier­zu gab es in der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit reichlich.

Erfor­der­lich ist, die Ver­net­zung im Umwelt­ver­bund vor­an­zu­trei­ben: Zuwe­gun­gen der ÖPNV-Hal­te­punk­te, Ab- und Unter­stell­mög­lich­kei­ten, Fahr­rad­mit­nah­me, tarif­li­che Angebote.

Letzt­lich muß auch die Öffent­lich­keits­ar­beit, sach­lich-fak­tisch unter­füt­tert, infor­mie­rend und image­för­dernd auf ver­än­der­te Ver­kehrs­mit­tel­wahl hin­wir­ken. Denn ratio­na­le Beweg­grün­de allein erklä­ren man­che Fahrt mit dem eige­nen Kraft­fahr­zeug nicht.

Schluß­be­mer­kung

Iso­lier­te, auf klei­ne Teil­flä­chen der Stadt begrenz­te Kon­zep­te kön­nen nicht groß­räu­mi­ge Defi­zi­te kom­pen­sie­ren. Restrik­tio­nen, in abge­stimm­ten Gesamt­lö­sun­gen oft sinn­voll oder gar unver­zicht­bar, tref­fen als iso­lier­te Maß­nah­men nicht sel­ten die Fal­schen. Die Ergeb­nis­se des bis­he­ri­gen Ver­fah­rens im Berg­ge­biet kön­nen wie in der Innen­stadt nur als Mosa­ik­stei­ne einer umfas­sen­de­ren Pla­nung posi­ti­ve Wir­kung entfalten.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig
Mar­tin-Ott-Stra­ße 8
96049 Bamberg-Gaustadt