Kirchehrenbacher Kulturwochen: Alexander Göttlicher

Alexander Göttlicher

Alexander Göttlicher

Manche Kindheits- und Jugenderfahrungen prägen ein ganzes Leben. Dies gilt besonders für einen kreativ-sensiblen Menschen wie den Musikvirtuosen und Volkspoeten Alexander Göttlicher, der bei den „Kirchehrenbacher Kulturwochen“ im Gasthaus Sponsel auftrat. Vor vielen  Jahren arbeite der Gitarren-Artist Göttlicher als Metzgerlehrling in Ottensoos im Altnürnberger Land. Die Allgegenwart von Fleisch und Blut versetzte ihn in pubertäre Albträume. Als Erinnerung daran blieb seine Ballade vom geliebten „Roten Preßsack“, die inzwischen auf fränkischen Kleinkunst-Bühnen Kultstatus erreicht hat und auch am Fuß des Walberla viel Beifall hervorrief.

Doch auch ein neuerer Text Göttlichers steht im Bann von Kesselfleisch und Stechbrüh. Die Moritat von der „Pengatz-Sau“ spielt in Velden am Oberlauf des genannten Flusses. Göttlicher zeichnet einen deftigen Kleinstadt-Comic voll skurriler Metzger und Fischer. Eine ungehorsame Sau stört das Schlachtfest-Ritual und springt in den Fluss.  Absurdes Ende: “Erscht hams die Sau gerettet und dann hamses geschlachtet und zu „gutem Kesselfrischen“ verarbeitet.

Nicht nur an dieser Ballade zeigte sich an diesem Abend der naive Charme von Göttlichers Sprachhandwerk: Keine geölte Rhetorik, keine Poesie mit neuen Worthorizonten, sondern eher angestrengte Reime, Volksliteratur in ungehobelter Ursprünglichkeit.

Doch nicht im blutbespritzten Metzger-Dress erschien Göttlicher am Beginn seines heftig gefeierten Kirchehrenbacher Auftritts, sondern in atmungsaktiver Kleidung als „Nordic-Walking-King“, dessen Leidenschaft „Steggerla zaing“ ist.

Gestützt auf ein tragbares Navigationssystem war er eben vom St.Jakobs-Pilgerwalk zurückgekehrt, von einundzwanzig plappernden „Walk-üren“ verfolgt. Flott ging´s nach Hause zur lieben Frau, die gerade in geschlossener femininer Runde einen „Super-Tupperabend“ veranstaltet, bei dem der Mann zum Sahneschüttler-Halter erniedrigt wird.

„Apokalyptische Fröhlichkeit macht sich in der Wohnung breit.“

Die Rache des gemeinen Mannes: Demnächst veranstaltet die Super-Tupperlady mit ihm und seinen Freunden ein reines Männerprogramm, bei dem Dessous vorgeführt werden.

Mit seinen gekonnten Parodien zerstört Göttlicher gern die falschen Harmonien der von den elektronischen Massenmedien produzierten „Volkskultur“. Dabei überschreitet er mit Absicht die öffentlich-rechtlichen Tabugrenzen. „Ich möchte a Schupperl in deim Haar drin sein…“ veräppelt er die heile Welt der Kastelruther Spatz´n. Die Steigerung lautet dann: „A Ringerl in deim Naserl“, „a Öserl in deim BH“. Die Fortsetzung erfolgt in noch intimere Körperzonen …

Die Vieldeutigkeit sprachlicher Zeichen fasziniert Göttlicher seit langem. Vor allem Namen scheinen dabei oft Schicksal zu bedeuten. Ein Mädchen namens „Martha Pfahl“ wurde wirklich zum Opfer der Aggressivität seiner Mitschüler. Maria Kron und Klara Korn sind für feuchte Karrieren vorbestimmt.

Die Ebene der formalen Wortspiele verlässt Göttlicher, wenn er sein „Heimatlied“ singt: „Wo die Has´n Hos´n haaßn und die Hos´n Hus´n.“ Der Song entstand 2006 –  als Erinnerung an den Tag vor 200 Jahren, als das Königreich Bayern die freie Reichsstadt Nürnberg und ihr Landgebiet kassierte. In volkspoetisch-schlichter Schönheit singt Göttlicher vom „Bartl, der in Most immer hullt“, vom Ochsen auf der Fleischbrücke, vom aufg´stellten Mausdreck und vom „Hutzlmoo.“ Der Text würde sich als fränkische Regionalhymne eignen. Doch bereits in Fürth stößt er auf taube lokalpatriotische Ohren und zwischen Forch- und Buttenheim wird er nicht mehr verstanden.