Rück­wan­de­rung – ein Bei­trag zur Regio­nal­ent­wick­lung in Ostdeutschland

Prof. Dr. Anke Matuschewski, Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie, und ihr Mitarbeiter Matthias Wendt M.A. Foto: Chr. Wißler

Prof. Dr. Anke Matu­schew­ski, Lehr­stuhl für Wirt­schafts­geo­gra­phie, und ihr Mit­ar­bei­ter Mat­thi­as Wendt M.A. Foto: Chr. Wißler

(UBT) Die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung in den neu­en Bun­des­län­dern wird durch die Abwan­de­rung gut aus­ge­bil­de­ter Arbeits­kräf­te erheb­lich bela­stet. Unter­neh­men und Kom­mu­nen wer­ben des­halb gezielt für eine Rück­kehr. Aber wie erfolg­reich sind sol­che Initia­ti­ven? Wel­che Per­so­nen­grup­pen wan­dern aus den alten Bun­des­län­dern nach Ost­deutsch­land zurück, und wel­che Grün­de sind dafür aus­schlag­ge­bend? Wel­che Erfah­run­gen machen ost­deut­sche Unter­neh­men mit Rück­wan­de­rern aus dem Westen? Mit die­sen Fra­gen befasst sich eine neue Fall­stu­die von Prof. Dr. Anke Matu­schew­ski, die an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth den Lehr­stuhl für Wirt­schafts­geo­gra­phie innehat.

Die Fall­stu­die ist im Rah­men eines von der Hans-Böck­ler-Stif­tung geför­der­ten For­schungs­pro­jek­tes ent­stan­den. Sie erhebt – wie die Autorin betont – kei­nen Anspruch auf Reprä­sen­ta­ti­vi­tät und hat ins­be­son­de­re die Funk­ti­on, das The­ma für umfas­sen­de­re Fol­ge­un­ter­su­chun­gen kon­zep­tio­nell und metho­disch zu erschlie­ßen. Die „Zeit­schrift für Wirt­schafts­geo­gra­phie“ hat das Design und die Ergeb­nis­se die­ser Unter­su­chung, die sich zugleich mit neue­ren Kon­zep­ten der Migra­ti­ons­for­schung aus­ein­an­der­setzt, in ihrer aktu­el­len Aus­ga­be veröffentlicht.

In zwei aus­ge­wähl­ten Bun­des­län­dern, in Sach­sen und in Meck­len­burg-Vor­pom­mern, wur­den struk­tu­rier­te Fra­ge­bö­gen an Rück­wan­de­rer und an deren Arbeit­ge­ber ver­sandt. Die­je­ni­gen Adres­sa­ten, die sich an der Befra­gung betei­lig­ten, wur­den zu per­sön­li­chen Inter­views ein­ge­la­den. Ins­ge­samt füll­ten 57 Rück­wan­de­rer und eben­so vie­le Arbeit­ge­ber die Fra­ge­bö­gen aus, elf bzw. acht von ihnen nah­men an ver­tie­fen­den Inter­views teil. Trotz die­ser rela­tiv schma­len Daten­ba­sis ist die Unter­su­chung auf­schluss­reich, denn die Befun­de wei­sen in vie­ler Hin­sicht in die glei­che Richtung.

Rück­wan­de­rung und beruf­li­cher Aufstieg

Die Rück­wan­de­rer, die an der Stu­die teil­ge­nom­men haben, sind zwi­schen 30 und 45 Jah­re alt. Sie sind im ver­ar­bei­ten­den Gewer­be (26,9 %), in Uni­ver­si­tä­ten und For­schungs­ein­rich­tun­gen (13,5 %) oder in Dienst­lei­stungs­fir­men (13,5 %) berufs­tä­tig. Mehr als drei Vier­tel besit­zen einen Hoch­schul- oder Berufs­schul­ab­schluss, womit ihr Qua­li­fi­ka­ti­ons­ni­veau deut­lich über dem jewei­li­gen lan­des­wei­ten Durch­schnitt liegt. Nach ihrem Wech­sel in die neu­en Bun­des­län­der zie­hen mehr als 90% der Rück­wan­de­rer eine posi­ti­ve Bilanz ihrer beruf­li­chen Ver­än­de­rung. Rund 50% von ihnen haben sogar eine höher qua­li­fi­zier­te Beschäf­ti­gung gefunden.

Grün­de und Anläs­se für die Rückwanderung

Häu­fig wur­den die Wohn- und Lebens­ver­hält­nis­se, aber auch die beruf­li­che Situa­ti­on in West­deutsch­land als unbe­frie­di­gend emp­fun­den. Hin­zu kam der aus­ge­präg­te Wunsch nach Nähe zu Freun­den und Ver­wand­ten in der frü­he­ren Hei­mat. In zahl­rei­chen Fäl­len befan­den sich die Rück­wan­de­rer in einer Pha­se der beruf­li­chen Neu­ori­en­tie­rung, in der sie nach Beschäf­ti­gungs­al­ter­na­ti­ven in ihrer Hei­mat such­ten. In die­ser Situa­ti­on haben adäqua­te Arbeits­an­ge­bo­te aus den neu­en Bun­des­län­dern den kon­kre­ten Ent­schluss zur Rück­wan­de­rung mit ausgelöst.

Ein Aspekt, der bei vie­len der Befrag­ten ins Gewicht fällt, sind die Bil­dungs- und Betreu­ungs­an­ge­bo­te für Kin­der. Mehr als 70 % der Rück­wan­de­rer gaben an, dass sich die Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf ver­bes­sert habe. Über­haupt zeich­nen die Rück­wan­de­rer ein über­wie­gend posi­ti­ves Bild von den Lebens­be­din­gun­gen in ihrem ost­deut­schen Umfeld. Die­se wer­den von ihnen nicht sel­ten höher geschätzt als von den Ortsansässigen.

Posi­ti­ve Erfah­run­gen der Arbeitgeber

Bei den Arbeit­ge­bern, die sich an der Fall­stu­die betei­ligt haben, han­delt es sich vor­wie­gend um Inha­ber klei­ner und mit­tel­stän­di­scher Betrie­be. Für sie hat sich die Ein­stel­lung von Rück­wan­de­rern bereits zum Zeit­punkt der Befra­gung posi­tiv aus­ge­wirkt. Die neu­en Arbeits­kräf­te bewähr­ten sich z.B. beim Auf­bau neu­er Pro­dukt­li­ni­en oder der Besei­ti­gung von Pro­duk­ti­ons­eng­päs­sen. Sie konn­ten neue Ideen und hohe Qua­li­fi­ka­tio­nen, aber auch ihre frü­he­ren Geschäfts­kon­tak­te in das Unter­neh­men einbringen.

Fazit: Zwei Drit­tel der befrag­ten Betrie­be wür­den auch in Zukunft Rück­wan­de­rer gezielt anwer­ben, um Stel­len neu beset­zen zu kön­nen. „Die befrag­ten Arbeit­ge­ber haben den Ein­druck, dass das beruf­li­che Enga­ge­ment der Rück­wan­de­rer gestärkt wird durch eine ver­gleichs­wei­se hohe pri­va­te Zufrie­den­heit und eine ver­bes­ser­te Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf. Sie haben die Erfah­rung gemacht, dass sich die Rück­wan­de­rer leicht in den Kol­le­gen­kreis inte­grie­ren und auch bei Kun­den auf eine hohe Akzep­tanz sto­ßen. Ein Pro­blem ist aller­dings das gerin­ge Gehalts­ni­veau,“ fügt Matu­schew­ski hin­zu. „Dar­an sind Stel­len­be­set­zun­gen mit Rück­wan­de­rungs­wil­li­gen auch schon gescheitert.“

Das Ziel: Wei­te­re empi­ri­sche Untersuchungen

Die Bay­reu­ther Wirt­schafts­geo­gra­phin stellt ihre Unter­su­chun­gen in den Kon­text der moder­nen Migra­ti­ons­for­schung. Sie plä­diert dafür, in die Erfor­schung von Wan­de­rungs­be­we­gun­gen sowohl die Her­kunfts- als auch die Ziel­re­gi­on mit ihren spe­zi­fi­schen Lebens­ver­hält­nis­sen ein­zu­be­zie­hen. Dadurch lie­ßen sich die Beweg­grün­de der Migran­ten und auch deren sozia­le Netz­wer­ke kla­rer her­aus­ar­bei­ten. Die Fall­stu­die ist daher aus der Sicht von Matu­schew­ski nur ein erster Schritt zu einer umfas­sen­den Ana­ly­se. Um die inner­deut­schen Rück­wan­de­rungs­pro­zes­se mit ihren Ursa­chen und Wir­kun­gen zu erschlie­ßen, soll­ten in einer quan­ti­ta­tiv brei­ter ange­leg­ten Unter­su­chung auch Ver­gleichs­grup­pen mit ein­be­zo­gen wer­den, bei­spiels­wei­se Zuwan­de­rer mit west­deut­schen oder aus­län­di­schen Wurzeln.

Ver­öf­fent­li­chung:

Anke Matu­schew­ski,
Sta­bi­li­sie­rung der Regio­nal­ent­wick­lung durch Rückwanderung?
Theo­re­ti­sche Kon­zep­tio­na­li­sie­rung und empi­ri­sche Umsetzung
am Bei­spiel von Ostdeutschland,
in: Zeit­schrift für Wirt­schafts­geo­gra­phie, Jg. 54 ( 2010), Heft 2, S. 81 – 95