Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Zwei­di­men­sio­na­le Nano­struk­tu­ren durch Selbstorganisation

Einer inter­na­tio­na­len For­schungs­grup­pe ist erst­mals die Her­stel­lung von Nano­kri­stal­len gelun­gen, die durch Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on zu leit­fä­hi­gen zwei­di­men­sio­na­len Nano­struk­tu­ren zusam­men­fin­den. Dar­über berich­ten die betei­lig­ten Wis­sen­schaft­ler – unter ihnen Prof. Ste­phan För­ster, Uni­ver­si­tät Bay­reuth – in der jüng­sten Aus­ga­be des Wis­sen­schafts­ma­ga­zins „Sci­ence“.

Nano­kri­stal­le sind win­zi­ge Teil­chen, nicht mehr als 100 Nano­me­ter groß. Wegen ihrer kri­stal­li­nen Struk­tur und ihres beson­de­ren Eigen­schafts­pro­fils sind sie hoch­in­ter­es­sant für die Ent­wick­lung neu­er Mate­ria­li­en und inno­va­ti­ver Tech­no­lo­gien. Bei der hier­für erfor­der­li­chen Grund­la­gen­for­schung hat eine inter­na­tio­na­le For­schungs­grup­pe unter Mit­wir­kung von Prof. Ste­phan För­ster, der erst seit weni­gen Mona­ten an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth tätig ist, weg­wei­sen­de Ergeb­nis­se erzielt. Erst­mals ist die Her­stel­lung von Nano­kri­stal­len gelun­gen, die sich durch Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on so zusam­men­fü­gen, dass flä­chi­ge kri­stal­li­ne Nano­struk­tu­ren mit hoher Leit­fä­hig­keit ent­ste­hen. Über die­se Pro­zes­se und ihre Ursa­chen berich­ten die betei­lig­ten For­scher in der Titel­ge­schich­te der jüng­sten Aus­ga­be des Wis­sen­schafts­ma­ga­zins „Sci­ence“.

Leit­fä­hi­ge Nano­struk­tu­ren erwei­tern Ein­satz­mög­lich­kei­ten von Nanokristallen

Schon seit gerau­mer Zeit wer­den auf der Basis von Nano­kri­stal­len elek­tri­sche Bau­ele­men­te pro­du­ziert. Aber die­se Bau­tei­le sind nur schlecht leit­fä­hig, weil die Lücken zwi­schen den Nano­par­ti­keln einen frei­en Fluss der Elek­tro­nen behin­dern. Zwar haben eini­ge For­scher ver­sucht, die Über­gän­ge zwi­schen benach­bar­ten Par­ti­keln mit che­mi­schen Metho­den zu erleich­tern, doch eine zufrie­den­stel­len­de Leit­fä­hig­keit wur­de nicht erreicht. Hin­ge­gen ermög­li­chen flä­chi­ge Nano­struk­tu­ren, die sich auf dem Weg der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on bil­den, einen erheb­lich ver­bes­ser­ten Durch­fluss der Elek­tro­nen. Auf­grund ihrer Leit­fä­hig­keit bie­ten sich viel­fäl­ti­ge Anwen­dungs­po­ten­zia­le, bei­spiels­wei­se in fle­xi­blen elek­tro­ni­schen Schal­tun­gen, Solar­zel­len oder Photosensoren.

In der For­schung wer­den die­se flä­chi­gen Nano­struk­tu­ren als „zwei­di­men­sio­nal“ klas­si­fi­ziert. Denn ihre Län­ge und ihre Brei­te beträgt jeweils rund 1 Mikro­me­ter (= 1 Tau­send­stel Mil­li­me­ter) und ist damit um ein Viel­fa­ches grö­ßer im Ver­gleich zu ihrer äußerst gerin­gen Höhe von rund 2 Nano­me­tern (= 2 Mil­li­on­stel Mil­li­me­tern). So besit­zen sie unter dem Elek­tro­nen­mi­kro­skop ein nahe­zu qua­dra­ti­sches Aussehen.

Orga­ni­sche Mole­kü­le rufen Nano­kri­stal­le zur Ordnung

Neben Prof. Ste­phan För­ster, der von der Uni­ver­si­tät Ham­burg nach Bay­reuth gekom­men ist, gehö­ren auch Prof. Chri­sti­an Klin­ke und Prof. Horst Wel­ler (Uni­ver­si­tät Ham­burg) sowie Dr. Bea­triz H. Jua­rez (For­schungs­zen­trum IMDEA Nano­sci­ence in Madrid) zur inter­na­tio­na­len For­schungs­grup­pe, die ihre Ent­deckun­gen jetzt in „Sci­ence“ prä­sen­tiert. Die Nano­kri­stal­le, über die sie berich­ten, zeich­nen sich durch eine rela­tiv ein­fa­che Struk­tur aus. Es sind klei­ne Par­ti­kel von Blei­sul­fid, einer Ver­bin­dung aus Blei und Schwefel.

Was ist die Ursa­che dafür, dass die­se Par­ti­kel so zusam­men­fin­den, dass Flä­chen­struk­tu­ren statt regel­lo­ser Kri­stall­hau­fen ent­ste­hen? Die trei­ben­de Kraft geht bei die­sem Pro­zess von orga­ni­schen Mole­kü­len aus. Die­se Mole­kü­le – es han­delt sich um Ölsäu­re – befin­den sich auf der Ober­flä­che der Nano­kri­stal­le. Hier üben sie auf deren inne­re Struk­tur eine sta­bi­li­sie­ren­de Wir­kung aus. Der Pro­zess der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on wird nun dadurch in Gang gesetzt, dass die orga­ni­schen Mole­kü­le begin­nen, unter­ein­an­der zu kri­stal­li­sie­ren. Dadurch ver­an­las­sen sie die Nano­kri­stal­le, sich ihrer­seits in eine kri­stal­li­ne, zusam­men­hän­gen­de Struk­tur zu fügen. Nicht in belie­bi­gen For­men, son­dern in wohl­ge­ord­ne­ten Flä­chen lagern sich die Nano­kri­stal­le aneinander.

„Das tech­no­lo­gi­sche Poten­zi­al die­ser neu­ar­ti­gen Nano­struk­tu­ren zeigt, wie flie­ßend der Über­gang aus der Grund­la­gen- in die Anwen­dungs­for­schung gewor­den ist“, erklärt För­ster. „Unse­re Ent­deckung ermu­tigt uns, noch tie­fer in die Mecha­nis­men und Pro­zes­se der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Mate­rie ein­zu­drin­gen. Wir haben es offen­sicht­lich mit einer zukunfts­wei­sen­den For­schungs­rich­tung zu tun, von der ent­schei­den­de Impul­se für neue Tech­no­lo­gien zu erwar­ten sind.“

Von der Natur ler­nen: Zur Schlüs­sel­funk­ti­on der Kolloidforschung

Welt­weit ori­en­tie­ren sich heu­te eine Viel­zahl von For­schungs­pro­jek­ten an der Leit­fra­ge, wie sich Mate­rie in der Natur selbst orga­ni­siert. Denn je bes­ser der­ar­ti­ge Pro­zes­se ver­stan­den wer­den, desto eher ist es mög­lich, bei der Ent­wick­lung künst­li­cher Syste­me von der Natur zu ler­nen. Kom­ple­xe makro­mo­le­ku­la­re Syste­me mit maß­ge­schnei­der­ten Eigen­schaf­ten und Funk­tio­na­li­tä­ten las­sen sich dann, dem Vor­bild der Natur fol­gend, kon­trol­liert her­stel­len. Im Mit­tel­punkt des Inter­es­ses ste­hen dabei die Kol­lo­ide. Dies sind win­zi­ge Par­ti­kel, die sich in einem ande­ren – festen, flüs­si­gen oder gas­för­mi­gen – Medi­um fein ver­tei­len. Die Kol­loid­for­schung hat daher eine zen­tra­le Bedeu­tung, wenn es dar­um geht, neue Ein­sich­ten in die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Mate­rie und in den Auf­bau kom­ple­xer Syste­me zu gewinnen.

An der Uni­ver­si­tät Bay­reuth bil­det die Makro­mo­le­kül- und Kol­loid­for­schung bereits seit mehr als zwei Jahr­zehn­ten einen Schwer­punkt in For­schung und Leh­re. Die­ses Pro­fil­feld ver­stärkt Prof. Ste­phan För­ster nun mit sei­nen spe­zi­el­len For­schungs­kom­pe­ten­zen. Dabei wird er an die jetzt in „Sci­ence“ ver­öf­fent­lich­ten Ergeb­nis­se anknüp­fen kön­nen. „Die Metho­den der moder­nen Kol­lo­id­che­mie ver­set­zen uns in die Lage, gro­ße Men­gen von nahe­zu iden­ti­schen Nano­kri­stal­len unter­schied­lich­ster Mate­ria­li­en her­zu­stel­len – und zwar so, dass wir deren opti­sche, magne­ti­sche, elek­tri­sche oder pho­to­elek­tri­sche Eigen­schaf­ten prä­zi­se ein­stel­len kön­nen,“ erläu­tert För­ster. „Für For­schungs­vor­ha­ben in die­sen Berei­chen bie­tet die Bay­reu­ther Uni­ver­si­tät eine exzel­len­te tech­ni­sche Infra­struk­tur. Was mich dabei beson­ders beein­druckt, ist die enge Zusam­men­ar­beit von Che­mi­kern, Phy­si­kern und Mate­ri­al­wis­sen­schaft­lern. Ich bin sicher, dass wir gemein­sam neue span­nen­de For­schungs­ideen ent­wickeln werden.“