Offener Brief an die Stadtverwaltung und Politiker in Bamberg

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„Kopf an!“ lautete im vergangenen Jahr die allseits verkündete Aufforderung  an die Bambergerinnen und Bamberger. Im Ergebnis sollte die – begrüßenswerte –  Einsicht, sich möglichst zu Fuß oder per Fahrrad fortzubewegen, stehen: „Motor  aus!“

Für die Heerscharen der für Verkehrslenkung Verantwortlichen scheint „Motor  aus“ eher dem Reich der Phantasie zu entstammen. Zwar ist die Mehrzahl aller im  Pkw zurückgelegten Wege kürzer als 5 km, liegt die durchschnittlich beförderte  Personenzahl bei 1,1, das im Mittel transportierte Gepäck / Ladegut in der  Größenordnung einer Aktentasche. Dennoch werden umfangreiche Maßnahmen  ergriffen, dem motorisierten Individualverkehr (MIV) freie Bahn zu verschaffen.  Selbst Häuserabriß und mehretagige Straßen werden angedacht, beispielsweise im  Aktionsplan für den Masterplan Innenstadt (Bahntangente). Baustellen werden  mittels aufwendig angelegter Ersatzspuren – nicht selten auf Kosten der nicht  motorisierten Verkehrsteilnehmer – und Umleitungen umfahren.

Baustelle am Leinritt

Baustelle am Leinritt

Radfahrern und Fußgängern hingegen legt man gern Hindernisse aller Art in den  Weg. „Kopf an“ kommt den hierfür Verantwortlichen sicher nicht in den Sinn.  Ein aktuelles Beispiel bietet der Leinritt in Höhe der Schweinfurter Straße. Der  gemeinsame Geh- und Radweg wird über einen Parkplatz geführt, der derzeit auf  Grund von Tiefbauarbeiten für Pkw gesperrt ist. Behelfsweise wird auch der  Parkplatz als gemeinsamer Geh- und Radweg ausgeschildert, gleichzeitig aber  werden Radfahrer zum Absteigen aufgefordert (siehe nebenstehendes Bild vom 23. Juli). Schiebende  Radler benötigen eine deutlich größere Wegebreite als fahrende. Auf dem Bild  nicht erkennbar, steht vor dem Lkw ein Container, der die Passage bspw. mit  einem Fahrradanhänger oder Rollstuhl nahezu unmöglich macht. Einen rechtzeitigen  Hinweis, so daß man ersatzweise auf die Schweinfurter Straße ausweichen könnte,  sucht man allerdings vergeblich.

Problematische Schilder

Problematische Schilder

Am Tag darauf ist Wochenende. Dennoch werden die Radfahrer zum Absteigen  aufgefordert . Ein Grund ist nicht erkennbar. Es wird sich auch kaum  jemand daran halten. Die für die Gegenrichtung aufgestellten Schilder (siehe Bild)  werden bei Begegnungsverkehr und schlechter Sicht (Dunkelheit) leicht zur  Stolperfalle, mehrspurige Fahrzeuge (Hänger u. a.) fahren leicht auf die kaum  erkennbaren Bakenfüße auf. Zudem hängt das Zusatzschild, welches zum  Absteigen auffordert, an dieser Stelle in Kopfhöhe.

Radfahren und Zu-Fuß-Gehen sollen dem Bekunden nach mehr Gewicht erhalten.  Radfahrer und Fußgänger selbst hingegen müssen abspecken – und zwar deutlich, um  die ihnen zugemuteten Engstellen passieren zu können:

Baum am Adenauerufer

Baum am Adenauerufer

Der Baum am Adenauerufer ist sicherlich deutlich älter als der Geh- und Radweg . Am Rande bemerkt: Die durch Markierung festgelegte, hälftige  Aufteilung auf die beiden Verkehrsarten ist absolut realitätsfremd. Die  Radweghälfte läßt kaum Überholen oder Begegnungsverkehr zu. Die Gehweghälfte  erweist sich spätestens bei schönem Wetter als deutlich unterdimensioniert.  Folgerichtig wird der Weg von allen in voller Breite genutzt. Diesbezüglicher –  und durch Verzicht auf die Aufteilung leicht vermeidbarer – Ärger entsteht  allenfalls, wenn jemand rechthaberisch auf eben diese Aufteilung hinweist.

Zurück zur Theorie: Die markierte Radwegbreite in Baumhöhe genügt nicht einmal  für den Lenker. Niemand verlangt nun, den Baum zu beseitigen. Doch mit nur wenig  Nachdenken hätte man schon bei Planung und Errichtung des Wegs eine kleine  Verschwenkung vorsehen können. Und auch die Nachrüstung kann nicht  unerschwinglich sein, vergleicht man sie mit den angeblich unvorhersehbaren  Mehrkosten diverser Prestigeprojekte.

Glascontainer an der Forchheimer Straße

Glascontainer an der Forchheimer Straße

Fußgänger müssen sich noch erheblich weiter einschränken.  Die  Glascontainer an der Forchheimer Straße lassen – ohne Verletzung von  Verkehrsregeln – wirklich nur die Schlanksten der Schlanken passieren. Radfahrer  hingegen freuen sich über die Nähe der Container zum Radweg. Da das Umfeld  praktisch immer mit Glassplittern verunreinigt ist, wird die regelmäßige  Erneuerung der Bereifung gewährleistet. Bedauerlich ist nur, daß nicht der für  die Ursache Verantwortliche die Kosten trägt.

Der Straßenverkehrsordnung nach ist die Verhängung der Benutzungspflicht  ungeachtet der ausnahmsweise zufriedenstellenden Qualität des Radwegs – es  bleibt die unnötige Gefährdung im Einmündungsbereich, welche durch die  Markierung zwar gemildert, nicht aber beseitigt wird – nicht zulässig. In der  Örtlichkeit begründete besondere Gefahrenquellen – eine rechtlich zwingende  Voraussetzung – sind auf der Fahrbahn nicht zu erkennen. Die Glascontainer  bedingen zudem, daß ausreichender Raum für den Fußverkehr – gleichfalls zwingend  vorgeschrieben – nicht gegeben ist. Besonders unverständlich ist die Regelung  auf Grund der Tatsache, daß die Benutzungspflicht auf einem späteren Teilstück  aufgehoben wurde, wie es die Straßenverkehrsordnung verlangt.

Der Appell „Kopf an!“ richtet sich somit vor allem an die für Verkehrslenkung  und -gestaltung Verantwortlichen. Dann fiele den Verkehrsteilnehmern die  Entscheidung „Motor aus“ deutlich leichter.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Bönig

Martin-Ott-Straße 8

96049 Bamberg-Gaustadt