Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Klei­ne Mole­kü­le gegen alters­be­ding­te Erkrankungen

Symbolbild Bildung

Ein inter­na­tio­na­les For­schungs­netz­werk unter Lei­tung des Bay­reu­ther Bio­che­mi­kers Prof. Dr. Cle­mens Steeg­born hat erst­mals klei­ne Mole­kü­le her­ge­stellt, die in der Lage sind, das Enzym Sir­tuin 6 zu akti­vie­ren. Zugleich ist es gelun­gen, wesent­li­che struk­tu­rel­le Vor­aus­set­zun­gen die­ser Pro­zes­se auf­zu­klä­ren. Die neu­en For­schungs­er­geb­nis­se ermög­li­chen die Ent­wick­lung von Wirk­stof­fen, die beim Kampf gegen alters­be­ding­te Erkran­kun­gen hel­fen können.

Sir­tui­ne sind Enzy­me, die im Orga­nis­mus viel­fäl­ti­ge Steue­rungs­auf­ga­ben über­neh­men. Ins­be­son­de­re regu­lie­ren sie den Ener­gie­haus­halt und Stress­re­ak­tio­nen. Im Orga­nis­mus des Men­schen gibt es ins­ge­samt sie­ben ver­schie­de­ne Sir­tui­ne, sie wer­den als „Sirt1“ bis „Sirt7“ bezeich­net. Eine Akti­vie­rung die­ser Enzy­me könn­te dazu bei­tra­gen, alters­be­ding­te Krank­hei­ten – wie bei­spiels­wei­se man­che Krebs­er­kran­kun­gen – zu ver­hin­dern oder zu behandeln.

Bis­her waren ledig­lich Sub­stan­zen bekannt, die imstan­de sind, das Enzym Sirt1 zu akti­vie­ren. Einer For­scher­grup­pe um Prof. Dr. Cle­mens Steeg­born an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist es jetzt aber in enger Zusam­men­ar­beit mit Wis­sen­schaft­lern an der Mar­tin- Luther-Uni­ver­si­tät Hal­le, der Uni­ver­si­tät La Sapi­en­za in Rom und der Stan­ford University/​USA gelun­gen, akti­vie­ren­de Sub­stan­zen auch für Sirt6 her­zu­stel­len. Die­se klei­nen Mole­kü­le docken an Sirt6 und stei­gern dadurch die Akti­vi­tät die­ses Enzyms. Es spal­tet Ace­tyl­grup­pen ab, zum Bei­spiel von Nukle­oso­men, wel­che die Akti­vi­tät von Genen beeinflussen.

Struk­tu­rel­le Vor­aus­set­zun­gen für ziel­ge­naue Wirkstoffe

Die Wis­sen­schaft­ler haben her­aus­ge­fun­den, wo genau die im Labor syn­the­ti­sier­ten klei­nen Mole­kü­le sich mit Sirt6 ver­bin­den. „Sirt6 besitzt einen ein­zig­ar­ti­gen Kanal, der von der Ober­flä­che des Enzyms zum kata­ly­ti­schen Zen­trum führt und eine von außen gut zugäng­li­che Bin­dungs­ta­sche auf­weist. Dadurch sind alle struk­tu­rel­len Vor­aus­set­zun­gen dafür gege­ben, dass die klei­nen Akti­va­to­ren unge­hin­dert andocken kön­nen. In ande­ren Sir­tui­nen hin­ge­gen kön­nen sie sich, von weni­gen Aus­nah­men abge­se­hen, nicht ein­ni­sten“, erklärt Prof. Steeg­born. „Unse­re neu­en Erkennt­nis­se sind daher ein viel­ver­spre­chen­der Aus­gangs­punkt für die Ent­wick­lung ziel­ge­nau­er Wirk­stof­fe, wel­che die wei­te­re bio­me­di­zi­ni­sche For­schung, aber auch the­ra­peu­ti­sche Maß­nah­men – bei­spiels­wei­se zur Bekämp­fung von Tumor­er­kran­kun­gen – unter­stüt­zen kön­nen“, so der Bay­reu­ther Biochemiker.

Unter­schied­li­che Wir­kun­gen der Substanzen

Bei den akti­vie­ren­den Mole­kü­len für Sirt6 han­delt es sich um che­mi­sche Ver­bin­dun­gen auf der Basis von Pyrrolo[1,2‑α]quinoxaline. Ins­ge­samt 14 sol­cher Varia­tio­nen haben die Wis­sen­schaft­ler in Bay­reuth, Hal­le, Rom und Stan­ford in ihre Unter­su­chun­gen ein­be­zo­gen. Es stell­te sich her­aus, dass sich die Mole­kü­le in ihrer Wir­kung auf Sirt6 teil­wei­se signi­fi­kant von­ein­an­der unter­schei­den. Eini­ge Sub­stan­zen akti­vie­ren Sirt6, indem sie die Ace­tyl­ab­spal­tung för­dern; die Wir­kung ande­rer Sub­stan­zen beschränkt sich dar­auf, eine ande­re Akti­vi­tät die­ses Enzyms zu unter­drücken. Daher scheint es mit­hil­fe die­ser Sub­stan­zen künf­tig mög­lich zu sein, Sirt6 nicht nur ziel­ge­rich­tet zu akti­vie­ren, son­dern auch ein genaue­res ‚Fein­tu­ning‘ der dadurch ver­ur­sach­ten Stoff­wech­sel-Pro­zes­se zu errei­chen. „Die von uns her­ge­stell­ten Sub­stan­zen und die neu­en Erkennt­nis­sen zu ihrer Inter­ak­ti­on mit Sirt6 bie­ten ein­zig­ar­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen für ein ziel­ge­rich­te­tes Design von Wirk­stof­fen. Nach­dem wir die Struk­tu­ren die­ser Inter­ak­ti­on auf­klä­ren konn­ten, sind wir jetzt erst­mals in der Lage, das Enzym Sir­tuin 6 sehr spe­zi­fisch mit Wirk­stof­fen zu beein­flus­sen“, sagt Prof. Steegborn.

For­schungs­för­de­rung

Die Ober­fran­ken­stif­tung und die Deut­sche For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) haben die Bay­reu­ther For­schungs­ar­bei­ten an Sir­tui­nen mit 92.000 Euro bzw. mit 336.000 Euro geför­dert. Mit­ar­bei­ter am Elek­tro­nen­spei­cher­ring BES­SY II des Helm­holtz-Zen­trums Ber­lin haben die Bay­reu­ther For­schungs­grup­pe dabei unter­stützt, Inter­ak­tio­nen zwi­schen Sir­tui­nen und akti­vie­ren­den Sub­stan­zen sowie die dar­an betei­lig­ten mole­ku­la­ren Struk­tu­ren aufzuklären.

Ver­öf­fent­li­chung:

Wei­jie You, Dan­te Roti­li, Tie-Mei Li, Chri­sti­an Kam­bach, Marat Mele­shin, Mike Schut­kow­ski, Kat­rin F. Chua, Anto­nel­lo Mai, and Cle­mens Steeg­born, Struc­tu­ral Basis of Sir­tuin 6 Acti­va­ti­on by Syn­the­tic Small Molecules,
in: Ange­wand­te Che­mie Inter­na­tio­nal Edi­ti­on 2017 Jan 19;56(4):1007–1011.
DOI: 10.1002/anie.201610082.