Leser­brief: Fal­sches Signal – zu „Rot­stift bei zwei Stadt­rand­li­ni­en“ (Frän­ki­scher Tag vom 6. August)

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Sehr geehr­te Damen und Herren!

In den ver­gan­ge­nen zwei Jahr­zehn­ten haben die Bam­ber­ger Stadt­wer­ke rund ein Vier­tel ihres Anteils am Bam­ber­ger Ver­kehrs­ge­sche­hen ein­ge­büßt. Den Daten der städ­ti­schen Ver­kehrs­er­he­bung zu Fol­ge sank er zwi­schen 1997 und 2015 von ohne­hin schon nied­ri­gen 13 auf nur noch 10 % der zurück­ge­leg­ten Wege. Im übri­gen Deutsch­land wird hin­ge­gen von ste­tig stei­gen­den Fahr­gast­zah­len berichtet.

Den Ursa­chen der fata­len Abwärts­spi­ra­le auf den Grund zu gehen, hält augen­schein­lich nie­mand für nötig. Die Unter­neh­mens­füh­rung begnügt sich mit dem Ver­weis auf gerin­ge Aus­la­stung der Lini­en­bus­se – und hängt gan­ze Stadt­tei­le von einer attrak­ti­ven Anbin­dung ab. Einen ver­kehrs­po­li­ti­schen Anspruch läßt das offen­bar allein auf Zah­len fixier­te Manage­ment nicht erkennen.

Die ver­kehrs­be­ding­te Luft- und Lärm­be­la­stung ist in vie­len Berei­chen der Stadt (nahe­zu) uner­träg­lich. So man­cher Stra­ßen­zug ist für Fuß­gän­ger über vie­le lan­ge Minu­ten hin­weg nicht zu über­que­ren. Unge­ach­tet des­sen, träu­men etli­che der Stadt­obe­ren in Rat und Ver­wal­tung nach wie vor von gigan­ti­schen Stra­ßen­pro­jek­ten (innen­stadt­na­he Bahn­tan­gen­te, Berg­ver­bin­dung, unnö­tig groß dimen­sio­nier­te Brücken­neu­bau­ten wie, bereits fer­tig­ge­stellt, Ket­ten­brücke oder, in Pla­nung, in Bug). Fuß­gän­gern wie Rad­fah­rern wer­den weit unter­di­men­sio­nier­te Ver­kehrs­räu­me zuge­mu­tet, damit der Kraft­ver­kehr freie Fahrt erhält. Eine Preis­an­pas­sung bei den Ein­stell­ge­büh­ren der – von den Stadt­wer­ken ver­wal­te­ten – defi­zi­tä­ren Park­häu­ser wird strikt ver­wei­gert, wäh­rend sich die Bus­fahr­schei­ne all­jähr­lich deut­lich ober­halb der Infla­ti­ons­ra­te ver­teu­ern, und das nicht erst nach dem Bei­tritt zum Ver­kehrs­ver­bund. Des­sen Chan­cen und Vor­zü­ge indes fin­den in der Öffent­lich­keits­ar­beit kaum statt.

Die Erschlie­ßung Bam­bergs durch den Lini­en­bus weist spür­ba­re zeit­li­che und räum­li­che Lücken und eine Rei­he wei­te­rer (bekann­ter) Ein­stiegs­hemm­nis­se auf. Wohl nicht das bedeu­tend­ste, in jedem Fall aber ein höchst pein­li­ches Bei­spiel lie­fert die aktu­ell vor wei­te­rer Takt­aus­dün­nung ste­hen­de Linie 910: Der erste Sonn­tags­got­tes­dienst im Dom der Erz­bis­tums­stadt kann nicht mit dem öffent­li­chen Nah­ver­kehr erreicht wer­den. Selbst zur zwei­ten Mes­se wird es mit dem ersten Bus des Tages knapp.

Von einem Lini­en­netz kann nicht die Rede sein. Die Kon­zen­tra­ti­on auf radia­le Innen­stadt­er­schlie­ßung erfor­dert erheb­li­che Umwe­ge selbst zwi­schen benach­bar­ten Stadt­tei­len. Da zie­hen vie­le es vor, ein ande­res Ver­kehrs­mit­tel zu wäh­len – zu oft ist es sogar auf Kurz­strecken das Auto. Viel­leicht ist wenig­stens hier ein Umden­ken ein­ge­lei­tet, wenn künf­tig eine Linie den Osten der Stadt mit Kli­ni­kum und Wil­densorg verbindet.

Poten­ti­el­le Stamm­fahr­gä­ste erwar­ten ein in sich stim­mi­ges Gesamt­an­ge­bot. Die­ses umfaßt neben dem gut aus­ge­la­ste­ten Kern­netz natur­ge­mäß auch eine anspre­chen­de Bedie­nung in zeit­li­chen und ört­li­chen Rand­la­gen. Unter­bleibt die­se, feh­len die Men­schen nicht nur hier, son­dern stei­gen gleich ganz (aufs Auto) um. Daß öffent­li­cher Nah­ver­kehr neben all­seits hofier­tem und (oft ver­steckt) hoch­sub­ven­tio­nier­tem Auto­ver­kehr nicht kosten­deckend betrie­ben wer­den kann, ist eine bereits lan­ge bekann­te Binsenweisheit.

Es ist höch­ste Zeit, daß die Ver­ant­wort­li­chen in Stadt­ver­wal­tung, Kom­mu­nal­po­li­tik und Ver­kehrs­be­trieb die Zei­chen der­sel­ben erken­nen und auf­grei­fen. So kann und darf nicht sein, daß der Nah­ver­kehrs­plan ohne Ein­be­zie­hung der Betrof­fe­nen erar­bei­tet wird. Das Per­so­nen­be­för­de­rungs­ge­setz schreibt aus­drück­lich Betei­li­gung der Fahr­gast­ver­bän­de (in der Regi­on sind PRO BAHN und Ver­kehrs­club Deutsch­land tätig, in der Stadt agiert der VCD) vor – sie wird in Stadt und Land­kreis strikt ver­wei­gert. Über­dies erfor­dert die Zukunfts­fä­hig­keit (nicht nur) der städ­ti­schen Mobi­li­tät die Ver­net­zung im Umwelt­ver­bund, so daß um der Sache wil­len bei­spiels­wei­se der All­ge­mei­ne Deut­sche Fahr­rad-Club (ADFC) sowie der Fach­ver­band Fuß­ver­kehr (FUSS), bei­de mit Kreis­ver­band bzw. Mit­glie­dern in Bam­berg ver­tre­ten, hin­zu­zu­zie­hen wären.

Nicht nur Ver­kehrs­un­fäl­le, auch Lärm und Luft­schad­stof­fe kosten kon­ti­nu­ier­lich Men­schen­le­ben und Gesund­heit. Wann wer­den Ober­bür­ger­mei­ster, Rats­mit­glie­der, Stadt- und Stadt­wer­ke­ma­na­ger das begrei­fen – und Kon­se­quen­zen ziehen?

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig