Ober­frän­ki­sche Poli­zi­sten immer wie­der Ziel von Übergriffen

Symbolbild Polizei

OBER­FRAN­KEN. 1.126 ober­frän­ki­sche Poli­zei­be­am­tin­nen und ‑beam­te wur­den im Jahr 2015 in 529 Fäl­len Opfer von Über­grif­fen. Dies stellt zwar zum Vor­jahr einen Rück­gang von 9,9 Pro­zent dar, den­noch bleibt die Anzahl und ins­be­son­de­re auch das Gewalt­po­ten­zi­al besorg­nis­er­re­gend. Nahe­zu täg­lich wer­den ober­frän­ki­sche Ord­nungs­hü­ter von Straf­tä­tern belei­digt und kör­per­lich oder gar mit Waf­fen ange­grif­fen. 13 Pro­zent der betrof­fe­nen Beam­ten erlit­ten dabei Verletzungen.

Die Aggres­si­on und Gewalt­be­reit­schaft gegen die Poli­zi­sten ver­deut­licht auch die besorg­nis­er­re­gen­de Bilanz des ver­gan­ge­nen Wochen­en­des, bei der vier Beam­ten teils erheb­lich ver­letzt sowie zwei Poli­zi­sten mit einem Mes­ser attackiert wurden.

Am 4. Juni 2016, um etwa 22 Uhr, wur­den zwei Jugend­li­che auf einem Spiel­platz in Kro­nach von Älte­ren mit Schlä­gen bedroht, wor­auf sie um Hil­fe rufend davon­lie­fen. Ein Poli­zei­be­am­ter in der Frei­zeit hör­te die Rufe und woll­te die ange­spann­te Situa­ti­on schlich­ten. Er gab sich zudem als Poli­zist zu erken­nen. Nach ersten Beschimp­fun­gen griff zunächst ein jun­ger Mann den Beam­ten an, der den ersten Schlag noch abweh­ren konn­te. Dies gelang nicht mehr, als ein zwei­ter Täter eben­falls mehr­mals auf den 46-Jäh­ri­gen ein­schlug. Mit einer Platz­wun­de und Häma­to­men muss­te der Beam­te schließ­lich im Kran­ken­haus behan­delt werden.

Wie schnell das eige­ne Leben in Gefahr ist, muss­ten zwei Poli­zi­sten am 5. Juni 2016 im Land­kreis Bam­berg erle­ben. Bei einer mas­si­ven Ruhe­stö­rung ins­be­son­de­re durch Musik, öff­ne­te der alko­ho­li­sier­te 56-jäh­ri­ge Bewoh­ner nicht mehr die Tür. Schließ­lich wur­de die Feu­er­wehr zur Woh­nungs­öff­nung her­an­ge­zo­gen. Als die bei­den Poli­zi­sten die Räu­me betre­ten woll­ten, stach der Mann mit einem grö­ße­ren Mes­ser aus kur­zer Ent­fer­nung auf einen der Beam­ten ein. Ins­be­son­de­re sei­ner schnel­len Reak­ti­on und viel Glück ist es zu ver­dan­ken, dass der Poli­zist und auch sein Kol­le­ge nur knapp schwe­ren Ver­let­zun­gen ent­ka­men. Als ein Spe­zi­al­ein­satz­kom­man­do spä­ter in das Anwe­sen ein­drang, griff der Bewoh­ner erneut einen Beam­ten mit einem Mes­ser an. Die­ser konn­te jedoch die Attacke abweh­ren und blieb unverletzt.

Unter dem Ein­fluss von Alko­hol stan­den auch zwei ran­da­lie­ren­de jun­ge Män­ner am frü­hen Sonn­tag­mor­gen des 5. Juni 2016 in Bam­berg. Sie beschä­dig­ten gepark­te Autos und scho­ben einen Anhän­ger sowie Fahr­rä­der auf die Stra­ße. Wäh­rend einer der Tat­ver­däch­ti­gen bereits beim Ein­tref­fen der Poli­zi­sten die Flucht ergriff, bedroh­te der ande­re einen Beam­ten mit einem zer­bro­che­nen Glas. Bei der anschlie­ßen­den vor­läu­fi­gen Fest­nah­me kam es zu einer kör­per­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung, da sich der der Tat­ver­däch­ti­ge mas­siv gegen die Maß­nah­me zur Wehr setz­te. Dabei erlitt der Poli­zist erheb­li­che Ver­let­zun­gen. Sein Kol­le­ge wur­de leicht ver­letzt. Der Tat­ver­däch­ti­ge hat­te rund 1,9 Pro­mil­le Alko­hol intus. Der zwei­te Täter, der wenig spä­ter fest­ge­nom­men wer­den konn­te, war eben­so stark alkoholisiert.

Zunächst nur die Per­so­na­li­en woll­te eine Zivil­strei­fe am 4. Juni 2016, gegen 21 Uhr, bei einem 27 Jah­re alten Mann am Bahn­hof in Bam­berg erhe­ben. Der Mann hat­te kurz vor der Kon­trol­le noch einen klei­nen Gegen­stand in ein Beet gewor­fen. Bei der anschlie­ßen­den Iden­ti­täts­fest­stel­lung ver­such­te der 27-Jäh­ri­ge zu flüch­ten, konn­te aber von den Beam­ten, die sich zuvor als Poli­zi­sten aus­ge­wie­sen hat­ten, fest­ge­hal­ten wer­den. Dage­gen sowie bei der anschlie­ßen­den Fes­se­lung wehr­te sich der Tat­ver­däch­ti­ge erheb­lich, wobei ein Beam­ter eine leich­te Ver­let­zung an der Hand davon­trug. In dem Blu­men­beet fan­den die Ord­nungs­hü­ter einen Brocken Haschisch und spä­ter in der Woh­nung des Man­nes zudem noch eine grö­ße­re Men­ge der Droge.

Belei­di­gun­gen und Kör­per­ver­let­zun­gen fast schon trau­ri­ger Alltag

Mit 220 Fäl­len ste­hen die Belei­di­gun­gen an der unrühm­li­chen Spit­ze der Respekt­lo­sig­keit. Gleich dar­auf fol­gen bereits Tät­lich­kei­ten, mit einer zum Jahr 2014 fast unver­än­der­ten Anzahl von 178 Kör­per­ver­let­zungs­de­lik­ten. Im Delikts­be­reich „Wider­stand“ sank die Zahl von 109 im Jahr 2014 auf 85 Fäl­le im ver­gan­ge­nen Jahr. Die Anzahl der gefähr­li­chen Kör­per­ver­let­zun­gen blieb mit 23 Straf­ta­ten unver­än­dert. 2015 ereig­ne­ten sich zudem zwei ver­such­te Tötungs­de­lik­te gegen Polizeibeamte.

Häu­fig­ster Tat­ort: Straße 

Die mei­sten Straf­ta­ten gegen Poli­zei­be­am­te ereig­nen sich im öffent­li­chen Raum, auf Stra­ßen, Wegen und Plät­zen. Hier ist ein Rück­gang auf 250 Fäl­le, im Ver­gleich zum Vor­jahr 2014 mit 283 Fäl­len, fest­zu­stel­len. An pri­va­ten Ört­lich­kei­ten, wie Wohn‑, Haus- und Gar­ten­be­reich, wur­den 115 Straf­ta­ten ver­zeich­net, ein Anstieg um 22 Pro­zent. Bei Vor­fäl­len in Poli­zei­dienst­stel­len sank die Zahl von 80 auf 66 Straf­ta­ten, der Anteil der Straf­ta­ten in Gaststätten/​Diskotheken ging um einen Fall auf 13 zurück.

Nach wie vor kommt es zur Nacht­zeit sowie am Wochen­en­de zu den mei­sten Über­grif­fen auf Beamte.

Gering­fü­gi­ge Maß­nah­men – erheb­li­che Übergriffe

Gewalt gegen Poli­zei­be­am­te steht in der Regel in unmit­tel­ba­rem Zusam­men­hang mit poli­zei­li­chen Maß­nah­men. Oft­mals sind die­se nur gering­fü­gig, wie bei­spiels­wei­se Iden­ti­täts­fest­stel­lun­gen oder Sach­ver­halts­klä­run­gen. Den­noch wer­den den Beam­ten bereits dabei immer wie­der Respekt­lo­sig­keit und Aggres­si­on ent­ge­gen­ge­bracht. Bis 2014 fan­den jähr­lich anstei­gend Über­grif­fe gegen Poli­zei­be­am­te statt, ohne dass über­haupt eine Maß­nah­me getrof­fen wur­de. Waren es im Jahr 2014 noch 68 sol­cher „anlass­lo­sen“ Vor­fäl­le, sank die Zahl 2015 auf 41.

Wie mas­siv die Gewalt­be­reit­schaft bei einer gering­fü­gi­gen Maß­nah­me wie einer Iden­ti­täts­fest­stel­lung sein kann, muss­ten Beam­te in Bam­berg in der Sil­ve­ster­nacht 2015/2016 erle­ben. Bei der Per­so­na­li­en­fest­stel­lung griff ein 35-Jäh­ri­ger einen Poli­zei­be­am­ten unver­mit­telt an und schlug dann am Boden auf ihn ein. Auch sein 16-jäh­ri­ger Sohn woll­te ihn dabei „unter­stüt­zen“. Ein Alko­hol­test beim Täter zeig­te einen Wert von 2,28 Pro­mil­le. Durch die Schlä­ge erlitt der ange­grif­fe­ne 25-jäh­ri­ge Poli­zei­be­am­te inne­re Blutungen.

Groß­teil der Tat­ver­däch­ti­gen alkoholisiert

Bei den 529 regi­strier­ten Fäl­len im Zusam­men­hang mit Gewalt gegen Poli­zei­be­am­te im Jahr 2015 wur­den 456 Tat­ver­däch­ti­ge ermit­telt. Von den 456 Per­so­nen waren 384 männ­lich (84 Pro­zent), 72 waren weib­lich (16 Prozent).

Bei fast drei­vier­tel der Täter (325) stell­te sich der Ein­fluss von berau­schen­den Mit­teln her­aus. 269 Mal (59 Pro­zent) war dies Alko­hol, der immer noch als Aggres­si­ons­ver­stär­ker Num­mer 1 gilt. Dro­gen und Medi­ka­men­te wur­den bei 23 Tat­ver­däch­ti­gen (5 Pro­zent) fest­ge­stellt und bei 7 Pro­zent (33 Per­so­nen) konn­te bei der Tat­aus­füh­rung sowohl Alko­hol als auch Dro­gen und Medi­ka­men­ten nach­ge­wie­sen werden.

Gefähr­li­che Tatmittel 

Mit wel­cher Aggres­si­on und Gewalt­be­reit­schaft ober­frän­ki­sche Beam­ten kon­fron­tiert wer­den, zeig­te die sta­ti­sti­sche Aus­wer­tung auch für das Jahr 2015 wie­der deut­lich. In einem Fall wur­den die Poli­zi­sten mit einer schar­fen Schuss­waf­fe bedroht, in zwei Fäl­len mit einer son­sti­gen Schuss­waf­fe. Hieb- und Stich­waf­fen waren in drei Fäl­len gegen die Poli­zi­sten im Ein­satz, drei Mal wur­den sie damit bedroht. Bei drei Fäl­len benutz­ten die Tat­ver­däch­ti­gen Wurf­ge­gen­stän­de und zwei Mal ein Kraft­fahr­zeug gegen die Ord­nungs­hü­ter. In 92 Fäl­len erfolg­ten die Über­grif­fe durch Schlä­ge und 111 Mal durch Tre­ten. 17 Mal wur­de ein Kopf­stoß aus­ge­führt und in 22 Fäl­len wur­den gegen die Beam­ten mit Bei­ßen vorgegangen.

Im Jahr 2015 kam es zu zwei ver­such­ten Tötungs­de­lik­ten zum Nach­teil von Polizeibeamten.

Am Abend des 6. April 2015 wur­den Poli­zi­sten in Bay­reuth zu einer ran­da­lie­ren­den Per­son in der August-Rie­del-Stra­ße geru­fen. Sach­be­schä­di­gun­gen sowie Bedro­hun­gen gegen Anwoh­ner waren vor­an­ge­gan­gen. Als die Poli­zi­sten an der Türe klin­gel­ten und sich zu erken­nen gaben, öff­ne­te der Tat­ver­däch­ti­ge die Tür und griff einen der bei­den Poli­zi­sten mit einem selbst­ge­bau­ten Schlag­werk­zeug, an des­sen obe­ren Teil er einen Holz­klotz mit meh­re­ren lan­gen, her­aus­ste­hen­den Schrau­ben ange­bracht hat­te. Den ersten Schlag konn­te der Beam­te abweh­ren, trug jedoch bei dem zwei­ten Schlag am Arm, trotz dicker Beklei­dung, eine Platz­wun­de davon, die genäht wer­den musste.

Zu mas­si­ven Tät­lich­kei­ten gegen zwei Poli­zei­be­am­te kam es auch am 24. April 2015, gegen 1.15 Uhr, in Kro­nach. Nach einer Trun­ken­heits­fahrt griff der 43-jäh­ri­ge Beschul­dig­te einen Beam­ten vor der Blut­ent­nah­me im Kran­ken­haus an. Dabei ver­such­te er mit aller Gewalt, dem Poli­zi­sten die Dienst­pi­sto­le aus dem Hol­ster zu ent­rei­ßen, was in einer hef­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zung ende­te. Auch die Blut­ent­nah­me muss­te bei mas­si­ver Gegen­wehr durch­ge­führt wer­den. Der Mann droh­te wie­der­holt, die Beam­ten „abzu­knal­len“, äußer­te mehr­fach gegen­über den Poli­zi­sten übel­ste Belei­di­gun­gen und ran­da­lier­te die gesam­te Nacht in der Haftzelle.

Wegen eines wei­te­ren ver­such­ten Tötungs­de­likts Mit­te 2015, das aus sta­ti­sti­schen Grün­den noch nicht in der Aus­wer­tung des Lage­bil­des auf­ge­führt ist, muss­te sich ein 22 Jah­re alter Mann straf­recht­lich verantworten.

Schlei­er­fahn­der kon­trol­lier­ten am 30. Juni 2015, gegen 18 Uhr, einen Tat­ver­däch­ti­gen bei der Ein­rei­se mit dem Zug aus der Tsche­chi­schen Repu­blik in Markt­red­witz. Im Zug wur­de zunächst im Müll­ei­mer eine in Tem­po gewickel­te Tüte mit 6,5 Gramm Cry­stal auf­ge­fun­den. Im Ver­lauf der Kon­trol­le, beim Ver­las­sen des Zuges am Bahn­hof, stach der Tat­ver­däch­ti­ge dann unver­mit­telt auf einen der Poli­zi­sten ein und ergriff danach die Flucht. Das Mes­ser ver­ur­sach­te einen zehn Zen­ti­me­ter lan­gen Stich­ka­nal mit Durch­tren­nung einer Vene und rela­tiv hohem Blut­ver­lust. Der Schwer­ver­letz­te muss­te zur sta­tio­nä­ren Behand­lung ins Kran­ken­haus Markt­red­witz ein­ge­lie­fert wer­den. Der zwei­te an der Kon­trol­le betei­lig­te Beam­te wur­de leicht ver­letzt. Das Amts­ge­richt Hof bestä­tig­te den bean­trag­ten Haft­be­fehl der Staatsanwaltschaft.

(Überlebens-)wichtiges Ein­satz­trai­ning

Dass die ober­frän­ki­schen Poli­zei­be­am­ten tät­li­che Über­grif­fe trotz ihrer hohen Anzahl über­wie­gend abweh­ren konn­ten bezie­hungs­wei­se die Angrif­fe oft­mals glimpf­lich aus­gin­gen, ist nicht zuletzt auch den auf­wän­di­gen Schu­lungs­maß­nah­men im Bereich des poli­zei­li­chen Ein­satz­trai­nings zu ver­dan­ken. Im Jahr 2015 tru­gen bei den gewalt­tä­ti­gen Angrif­fen 13 Pro­zent der ange­grif­fe­nen Poli­zi­sten Ver­let­zun­gen davon. Seit der Fer­tig­stel­lung des neu­en „Zen­trums für Poli­zei­li­ches Ein­satz­trai­ning“ im Herbst ver­gan­ge­nen Jah­res in Bay­reuth, kön­nen die ober­frän­ki­schen Beam­tin­nen und Beam­ten unter noch pro­fes­sio­nel­le­ren Bedin­gun­gen trai­nie­ren. Bei den stets wei­ter ent­wickel­ten Ein­satz- und Schieß­mo­du­len wer­den sie regel­mä­ßig für Ernst­fäl­le sen­si­bi­li­siert und fort­ge­bil­det. Als Maß­stab gilt, in unter­schied­li­chen Ein­satz­si­tua­tio­nen das mög­li­che Kon­flikt- und Gewalt­po­ten­ti­al erken­nen um im Ernst­fall ange­mes­sen dar­auf reagie­ren zu können.

Grund­sätz­lich ist es das vor­ran­gi­ge Ziel eines jeden Poli­zei­be­am­ten, Kon­flik­te nach Mög­lich­keit mit Mit­teln der Kom­mu­ni­ka­ti­on zu lösen.