Leser­brief: „Frag­wür­di­ge Unfallberichte“

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Sehr geehr­te Damen und Herren!

Zwei poli­zei­li­che Unfall­be­rich­te im Frän­ki­schen Tag, je einer die Stadt und den Land­kreis Bam­berg betref­fend, wer­fen Fra­gen auf:

So heißt es am 2. Mai zu einem Unfall, der sich am 30. April in Amlings­tadt ereig­net hatte:

„Die Sechs­jäh­ri­ge sprang unver­mit­telt auf die Stra­ße, so dass der Auto­fah­rer (46) kei­ne Chan­ce mehr hat­te, zu reagieren.“

Eine abschlie­ßen­de Beur­tei­lung ist auf Grund der knap­pen Anga­ben nicht mög­lich. Kin­der indes kön­nen sich alters­be­dingt nicht zuver­läs­sig ver­kehrs­ge­recht ver­hal­ten. Daher soll­te erwar­tet wer­den kön­nen, daß die Poli­zei auf eine wich­ti­ge Bestim­mung der Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung (§3–2a) hinweist:

„Wer ein Fahr­zeug führt, muss sich gegen­über Kin­dern, hilfs­be­dürf­ti­gen und älte­ren Men­schen, ins­be­son­de­re durch Ver­min­de­rung der Fahr­ge­schwin­dig­keit und durch Brems­be­reit­schaft, so ver­hal­ten, dass eine Gefähr­dung die­ser Ver­kehrs­teil­neh­mer aus­ge­schlos­sen ist.“

Dar­über hin­aus gilt, wenn­gleich vie­le das nicht ken­nen oder akzep­tie­ren wol­len, auch für Auto­fah­rer im Ver­hält­nis zu nicht moto­ri­sier­ten Mitmenschen:

„Die Geschwin­dig­keit ist ins­be­son­de­re den Straßen‑, Verkehrs‑, Sicht- und Wet­ter­ver­hält­nis­sen sowie den per­sön­li­chen Fähig­kei­ten und den Eigen­schaf­ten von Fahr­zeug und Ladung anzu­pas­sen“ (§3–1 StVO).

„Die Teil­nah­me am Stra­ßen­ver­kehr erfor­dert stän­di­ge Vor­sicht und gegen­sei­ti­ge Rück­sicht“ (§1–1 StVO).

„Wer am Ver­kehr teil­nimmt hat sich so zu ver­hal­ten, dass kein Ande­rer geschä­digt, gefähr­det oder mehr, als nach den Umstän­den unver­meid­bar, behin­dert oder belä­stigt wird“ (§1–2 StVO).

Bereits am 30. April berich­te­te das Blatt über einen Unfall, der zwei Tage zuvor in Bam­berg gesche­hen war:

„Bei einem Ver­kehrs­un­fall … an der Ein­mün­dung Regens­bur­ger Ring / Wei­den­damm wur­de eine elf­jäh­ri­ge Fahr­rad­fah­re­rin … ver­letzt. Das Mäd­chen quer­te dort den Rad­weg und über­sah einen Auto­fah­rer. Das Rad wur­de gegen einen wei­te­ren Pkw geschleudert.“

Für Orts­un­kun­di­ge: Ent­lang des Regens­bur­ger Rings ver­läuft ein benut­zungs­pflich­ti­ger Zwei­rich­tungs­rad­weg. Die­ser ver­stößt gegen eine Viel­zahl an Bestim­mun­gen, die bei Anord­nung der Benut­zungs­pflicht zwin­gend zu beach­ten wären. Hier­durch ver­schärft, ver­ur­sacht er, durch die zustän­di­gen Behör­den hin­ge­nom­men, immer wie­der Unfäl­le. Die Füh­rung über die Ein­mün­dung des Wei­den­damms ist durch gefähr­lich ver­wir­ren­de Lini­en­füh­rung mit meh­re­ren Ver­schwen­kun­gen und deut­li­chem Ver­satz in die Ein­mün­dung hin­ein charakterisiert.

Den Rad­weg que­ren hät­te das Mäd­chen nur gekonnt, wäre sie nach Über­que­rung des Regens­bur­ger Rings in den Wei­den­damm hin­ein- oder in Gegen­rich­tung aus ihm her­aus­ge­fah­ren. Somit hät­te sie allen­falls auf ein vor­aus­fah­ren­des bzw. vor ihr war­ten­des Kraft­fahr­zeug auf­fah­ren, nie­mals aber gegen einen wei­te­ren Pkw geschleu­dert wer­den können.

Erheb­lich wahr­schein­li­cher ist, daß das Mäd­chen auf dem unfall­träch­ti­gen Rad­weg die Ein­mün­dung que­ren woll­te. In die­sem Fall aber hät­te sie das Vor­fahrts­recht gehabt, hät­te der Unfall­geg­ner sie über­se­hen oder mit ihrem durch ihn erzwun­ge­nen Brems­ma­nö­ver gerech­net. Dann wäre auch mög­lich, daß sein Fahr­zeug sie gegen ein ande­res geschleu­dert hätte.

Somit bleibt der begrün­de­te Ver­dacht, die Poli­zei ver­su­che erneut, durch ver­zer­ren­de Dar­stel­lung die Ver­ant­wor­tung für den Unfall abzu­schie­ben – vom Auto­fah­rer, nicht zuletzt aber auch von den für die Ver­kehrs­füh­rung Ver­ant­wort­li­chen (u. a. die Poli­zei selbst) weg zu Lasten des ver­un­glück­ten Kin­des. Die zustän­di­gen Behör­den haben sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren stets für die Bei­be­hal­tung der gefähr­den­den und unrecht­mä­ßi­gen Benut­zungs­pflicht des Rad­wegs eingesetzt.

Ach ja: Die zum Amlings­tadter Unfall zitier­ten Aus­zü­ge aus der StVO, ins­be­son­de­re die zur beson­de­ren Sorg­falts­pflicht gegen­über Kin­dern, sind auch hier relevant.

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig