Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Eine neue Tech­nik zur CO2-Rück­ge­win­nung in Brauereien

Symbolbild Bildung

Den Kli­ma­schutz för­dern, Pro­duk­ti­ons­ko­sten senken

In Braue­rei­en wer­den bei der Bier­pro­duk­ti­on gro­ße Men­gen des Treib­haus­ga­ses Koh­len­di­oxid frei­ge­setzt. Den CO2-Aus­stoß deut­lich zu ver­rin­gern, ist das Ziel eines For­schungs­pro­jekts an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, das die Deut­sche Bun­des­stif­tung Umwelt (DBU) mit über 390.000 Euro för­dert. Ein Team am Lehr­stuhl für Umwelt­ge­rech­te Pro­duk­ti­ons­tech­nik ent­wickelt zusam­men mit Part­nern in Ober­fran­ken und der Ober­pfalz eine Modell­an­la­ge, die der Rück­ge­win­nung von CO2 für den Braue­rei­be­trieb dient. Wäh­rend der „Woche der Umwelt“ am 7. und 8. Juni 2016 in Ber­lin wer­den die Part­ner ihr Vor­ha­ben auf Ein­la­dung des Bun­des­prä­si­den­ten und der DBU im Schloss­park Bel­le­vue präsentieren.

Koh­len­di­oxid in Braue­rei­en: Poten­zia­le für den Umwelt- und Klimaschutz

Braue­rei­be­trie­be nut­zen Koh­len­di­oxid, um Lei­tun­gen sowie Druck- und Lager­tanks zu spü­len und dadurch zu rei­ni­gen. Ein wei­te­res wich­ti­ges Anwen­dungs­feld ist das Vor­span­nen. Bevor näm­lich frisch pro­du­zier­tes Bier in Tanks oder Fäs­ser gelei­tet wird, muss in die­sen Behäl­tern ein Gegen­druck auf­ge­baut wer­den, der mit Hil­fe von CO2 erzeugt wird. Die­ser Gegen­druck ver­hin­dert, dass das unter Druck ste­hen­de, koh­len­säu­re­hal­ti­ge Bier auf­schäumt und schal wird. Das dafür ver­wen­de­te CO2 wird frei­ge­setzt, wenn der Behäl­ter mit dem Brau­gut befüllt wird. Gelän­ge es einem Braue­rei­be­trieb, einen Groß­teil die­ses Koh­len­di­oxids vor dem Ent­wei­chen in die Erd­at­mo­sphä­re rück­zu­ge­win­nen und erneut zu nut­zen, wür­de sein gesam­ter CO2-Aus­stoß deut­lich ver­rin­gert. Bei klei­nen und mitt­le­ren Braue­rei­be­trie­ben wür­de die Rück­ge­win­nung von knapp 90 Pro­zent des CO2, das beim Spü­len und Vor­span­nen frei­ge­setzt wird, zu einer Emis­si­ons­ver­rin­ge­rung von rund 18 Pro­zent führen.

„Dar­in liegt ein erheb­li­ches Poten­zi­al für den Umwelt- und Kli­ma­schutz“, erklärt Dr.-Ing. Bernd Rose­mann, Pro­jekt­lei­ter am Lehr­stuhl für Umwelt­ge­rech­te Pro­duk­ti­ons­tech­nik. Er erläu­tert dies an einer Bei­spiel­rech­nung: „Ange­nom­men, alle klei­nen und mitt­le­ren Braue­rei­en in Deutsch­land, die pro Jahr zwi­schen 18.000 und 200.000 Hek­to­li­ter Bier pro­du­zie­ren, wür­den das beim Spü­len und Vor­span­nen ent­ste­hen­de Koh­len­di­oxid zu 90 Pro­zent rück­ge­win­nen. Dann wür­den jähr­lich etwa 70.000 Ton­nen Koh­len­di­oxid weni­ger in die Erd­at­mo­sphä­re abgegeben.“

Wis­sen­schaft und Wirt­schaft im Ver­bund: Vier Part­ner aus Nordbayern

Auf genau die­ses ehr­gei­zi­ge Ziel arbei­ten die Part­ner hin, die sich im Pro­jekt „Cap­tu­re and Sto­rage of Car­bon Dioxi­de“ – kurz: „CaS­Ca­De“ – zusam­men­ge­schlos­sen haben. Die Ober­pfäl­zer Tra­di­ti­ons­braue­rei Neu­mark­ter Lamms­bräu ist einer der Pio­nie­re im Bio­ge­trän­ke-Bereich und wur­de für ihr Enga­ge­ment in Sachen Nach­hal­tig­keit bereits viel­fach aus­ge­zeich­net. Die Kas­par Schulz Braue­rei­ma­schi­nen­fa­brik & Appa­ra­te­bau­an­stalt e.K. in Bam­berg hat sich auf klei­ne und mitt­le­re Anla­gen für die Bier­pro­duk­ti­on spe­zia­li­siert. 1677 gegrün­det, ist das Unter­neh­men der älte­ste Braue­rei­ma­schi­nen­her­stel­ler der Welt. Die Ent­wick­lung neu­er Funk­ti­ons­ma­te­ria­li­en mit maß­ge­schnei­der­ten Eigen­schaf­ten ist wie­der­um eine Domä­ne der Neu­en Mate­ria­li­en GmbH in Bay­reuth, und der von Prof. Dr.-Ing. Rolf Stein­hil­per gelei­te­te Lehr­stuhl für Umwelt­ge­rech­te Pro­duk­ti­ons­tech­nik ver­fügt über jahr­zehn­te­lan­ge Erfah­run­gen auf dem Gebiet der Pro­zess­in­no­va­ti­on in Unternehmen.

Mit ihren bewähr­ten Kom­pe­ten­zen wol­len die vier Part­ner eine Anla­ge errich­ten, mit wel­cher der weit­aus größ­te Teil des beim Spü­len und Vor­span­nen frei­ge­setz­ten CO2 rück­ge­won­nen wird. Die Anla­ge soll Modell­cha­rak­ter ins­be­son­de­re für klei­ne und mitt­le­re Braue­rei­en in Deutsch­land und ande­ren euro­päi­schen Län­dern haben. Sie kann aber auch über die Braue­rei­bran­che hin­aus ein­ge­setzt werden.

Ein neu­ar­ti­ges Rück­ge­win­nungs­ver­fah­ren: auch für klei­ne­re Braue­rei­en geeignet

Die Tech­nik der CO2-Rück­ge­win­nung, die in der Anla­ge zum Ein­satz kom­men soll, ist neu­ar­tig und wird der­zeit in Bay­reuth inten­siv erforscht. Es han­delt sich um ein adsorp­ti­ves Ver­fah­ren, bei dem CO2-Mole­kü­le aus ihrer gas­för­mi­gen Umge­bung gezielt her­aus­ge­löst wer­den. Dies geschieht mit spe­zi­ell beschich­te­ten Ober­flä­chen, an denen sich die Mole­kü­le so anla­gern, dass sie hier ohne gro­ßen tech­ni­schen Auf­wand ent­fernt und ein­ge­sam­melt wer­den kön­nen. Das Ver­fah­ren ist in die Abläu­fe der Bier­her­stel­lung gut inte­grier­bar und beruht auf dem intel­li­gen­ten Zusam­men­spiel von Puf­fer­spei­chern, Ver­dich­tern, Adsorp­ti­ons­kam­mern und Wär­me­über­tra­gern. Das rück­ge­won­ne­ne Koh­len­di­oxid steht anschlie­ßend sofort für neue Pro­zes­se des Spü­lens oder Vor­span­nens bereit.

Der Bay­reu­ther Inge­nieur Ste­fan Thä­ter M.Eng., der feder­füh­rend an der Pla­nung und dem Auf­bau der neu­en Modell­an­la­ge betei­ligt ist, betont die wirt­schaft­li­chen Vor­tei­le der neu­en Tech­nik: „Um das bei der Bier­pro­duk­ti­on anfal­len­de CO2 rück­zu­ge­win­nen, haben Braue­rei­en bis­her auf kon­ven­tio­nel­le Wäscher­sy­ste­me zurück­ge­grif­fen. Die aber sind sehr kost­spie­lig und für klei­ne­re und mitt­le­re Brau­be­trie­be uner­schwing­lich. Das Adsorp­ti­ons­ver­fah­ren, das wir ent­wickeln, ist hin­ge­gen viel kosten­gün­sti­ger. Selbst klei­ne Fami­li­en­be­trie­be wer­den sich die Anschaf­fung sol­cher Anla­gen lei­sten kön­nen.“ Die Anla­gen tra­gen nicht allein zum Umwelt- und Kli­ma­schutz bei. Sie hel­fen den Braue­rei­en über­dies, ihre Pro­duk­ti­ons­ko­sten zu sen­ken. „Rück­ge­won­ne­nes Koh­len­di­oxid ist höch­stens halb so teu­er wie ‚neu­es‘ CO2, das die Betrie­be zukau­fen müs­sen, wenn sie das ‚alte‘ CO2 stän­dig in die Umwelt ent­wei­chen lassen.“