GAL-Info-Abend „End­sta­ti­on Bam­berg?“ gab Ein­blicke in das Leben in der ARE zwi­schen Abschie­bung und Trostlosigkeit

 GAL-Stadträtin Ursula Sowa, MdL Christine Kamm, GAL-Vorstandsmitglied Johanna Schramm, Moderator und GAL-Vorstandsmitglied Harald Rink (stehend), Dr. Georg Knoblach (Kreisvorsitzender ärztlicher Kreisverband), Carola Wieland (AWO Bamberg, Koordination Asylsozialberatung), Johannes Hübler und Katrin Rackerseder (Netzwerk ARE)

GAL-Stadt­rä­tin Ursu­la Sowa, MdL Chri­sti­ne Kamm, GAL-Vor­stands­mit­glied Johan­na Schramm, Mode­ra­tor und GAL-Vor­stands­mit­glied Harald Rink (ste­hend), Dr. Georg Knob­lach (Kreis­vor­sit­zen­der ärzt­li­cher Kreis­ver­band), Caro­la Wie­land (AWO Bam­berg, Koor­di­na­ti­on Asyl­so­zi­al­be­ra­tung), Johan­nes Hüb­ler und Kat­rin Racker­se­der (Netz­werk ARE)

Rie­si­ge Müll­ber­ge, aber null Asylsozialberatung

Wie vie­le Lkw-Ladun­gen von Müll jeden Monat aus der „Ankunfts- und Rück­füh­rungs­ein­rich­tung für Bal­kan­flücht­lin­ge“ (ARE) abtrans­por­tiert wer­den, konn­te beim Info-Abend der Grün-Alter­na­ti­ven Liste GAL im voll besetz­ten Tagungs­raum des AWO-Senio­ren­zen­trums nicht beant­wor­tet wer­den. Dass es etli­che sein müs­sen, rief bei den inter­es­sier­ten Bürger*innen ziem­li­ches Kopf­schüt­teln her­vor. Denn in der ARE auf dem US-Kaser­nen­ge­län­de, wo der­zeit ca. 1100 Men­schen leben, gibt es Früh­stück, Mit­tag- und Abend­essen auf Pla­stik­tel­lern und mit Pla­stik­be­steck, Was­ser im Tetra­pak und Kaf­fee im Papp­be­cher – und alles lan­det danach auf dem Müll.

Dass man es auch sechs Mona­te nach Eröff­nung der Ein­rich­tung nicht geschafft hat, eine aus­rei­chen­de Spül­ma­schi­ne für Geschirr ein­zu­rich­ten, sorg­te für Unver­ständ­nis. „Es gibt doch auch Spül­mo­bi­le, die in Groß­zel­ten bei Bür­ger­fe­sten auf­ge­stellt wer­den“, wand­te ein Bür­ger ein. Und ein ande­rer Bür­ger arg­wöhn­te: „An die­sem System ver­dient bestimmt jemand!“

Für die Bewohner*innen der ARE dürf­te das Müll­pro­blem eines der gering­sten sein. Aber es ist ein sicht­ba­res Sym­ptom für ihren All­tag, den Johan­na Schramm, GAL-Vor­stands­mit­glied und aktiv beim Ver­ein „Freund statt fremd“, und GAL-Stadt­rä­tin Ursu­la Sowa, Mit­glied im städ­ti­schen ARE-Ombuds­team, anhand von Licht­bil­dern schil­der­ten. Denn selbst kochen könn­ten bzw. dürf­ten die Leu­te dort nicht, in den vor­han­de­nen Ein­bau­kü­chen sei­en weder Her­de noch Kühl­schrän­ke, Herd­plat­ten dürf­ten nicht betrie­ben wer­den, bis vor kur­zem nicht ein­mal Was­ser­ko­cher. „Für Leu­te mit Klein­kin­dern, die nicht nur drei Mal am Tag zu vor­ge­ge­be­nen Zei­ten Hun­ger haben, ist das schwie­rig“, so Johan­na Schramm.

Die ehe­ma­li­gen Woh­nun­gen der US-Fami­li­en sei­en zwar in bestem Zustand, erläu­ter­te Ursu­la Sowa, aber völ­lig über­be­legt, wenn sich übli­cher­wei­se 17 Per­so­nen eine Drei-Zim­mer-Woh­nung tei­len. Die Woh­nungs- und Zim­mer­tü­ren sei­en nicht abschließ­bar, es gebe nur einen nor­mal gro­ßen Tisch pro Woh­nung, nicht ein­mal für jede Per­son einen Stuhl, Auf­ent­halts- und Gemein­schafts­räu­me fehlen.

Johan­na Schramm schil­der­te ihre Ein­drücke vom Spiel­zim­mer, das sie als „Freund statt fremd“-Projekt mit auf­ge­baut hat: „Die Kin­der ste­hen unter gro­ßem Druck. Das Wort ‚nega­tiv’ ken­nen hier alle, und zwar nur mit einer Bedeu­tu­ung: Abschie­bung.“ Eigent­lich war das Spiel­zim­mer nur für Klein­kin­der gedacht, aber: „Es kom­men auch viel älte­re auf der Suche nach Beschäf­ti­gung und Anre­gung. In der ARE ist auch ein 15-Jäh­ri­ger dank­bar, wenn er mal einen Was­ser­mal­ka­sten in die Hand bekommt.“ Ein rein ehren­amt­li­ches Spiel­zim­mer, das nur 30 Kin­der auf­neh­men kön­ne und nicht ein­mal jeden Tag offen habe, sei bei 200 bis 400 Kin­dern in der ARE ein Trop­fen auf dem hei­ßen Stein. Zumal der Frei­staat Bay­ern sei­ner Schul­pflicht mit einem mehr als dürf­ti­gen Ange­bot nach­kom­me: 90 Minu­ten am Tag Unter­richt für drei Jahr­gangs­stu­fen gemeinsam.

Das kri­ti­sier­te auch die migra­ti­ons­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Land­tags­frak­ti­on Chri­sti­ne Kamm, die extra aus Mün­chen zu dem Info-Abend gekom­men war. Eine man­geln­de deut­sche Ein­wan­de­rungs­po­li­tik zwin­ge Arbeitsmigrant*innen gera­de­zu in ein Asyl­ver­fah­ren, in dem sie dann als Wirt­schafts­flücht­lin­ge dif­fa­miert und wie hier in der ARE son­der­be­han­delt wür­den. Dabei gebe es für vie­le die­ser Leu­te Ver­wen­dung auf dem deut­schen Arbeits­markt, etwa in der Alten­pfle­ge oder auf dem Bau. Kri­tik übte sie auch an der Vor­ver­ur­tei­lung von Sin­ti und Roma, die hier kaum Asyl­schutz bekä­men, in ande­ren EU-Län­dern aber deut­lich höhe­re Aner­ken­nungs­quo­ten hätten.

Wie groß das Hil­fe­be­dürf­nis sol­cher eth­ni­scher Min­der­hei­ten ist, bestä­tig­ten Johan­nes Hügel und Kat­rin Racker­se­der vom „Netz­werk ARE“, einen Zusam­men­schluss meh­re­rer Initia­ti­ven, anhand eines Bei­spiel­falls aus der ARE. Eine bos­ni­sche Roma-Fami­lie mit acht Kin­dern, die in ihrem Hei­mat­land unre­gi­striert und ohne Pass leb­te, des­halb ohne Schul­zu­gang für die Kin­der, in einer Behau­sung ohne Strom und Was­ser, mit wie­der­hol­ten Attacken von Roma-Geg­nern, durch­lau­fen hier ein Asyl­ver­fah­ren, das sie nicht ver­ste­hen. Ihre Kla­ge: Sie hät­ten ihre Asyl­grün­de nicht vor­brin­gen kön­nen und wis­sen nicht warum.

Wie drin­gend nötig eine pro­fes­sio­nel­le Asyl­so­zi­al­be­ra­tung ist, die sechs Mona­te nach Eröff­nung der ARE immer noch kom­plett fehlt, mach­te Caro­la Wie­land von der AWO deut­lich. Aktu­ell wol­le der Frei­staat Bay­ern in der ARE nur eine Voll­zeit­stel­le pro 300 Flücht­lin­ge bezu­schus­sen, wuss­te MdL Chri­sti­ne Kamm, statt der übli­chen 1:100-Quote für Erst­auf­nah­me­la­ger. Dabei brau­chen laut Wie­land gera­de die Men­schen, die zur Rück­rei­se ver­pflich­tet sind, Unter­stüt­zung und Per­spek­ti­ven. Und sie beton­te, wie wich­tig eine sozia­le Betreu­ung bei mög­li­chen Kon­flik­ten von Flücht­lin­gen unter­ein­an­der und mit der ein­hei­mi­schen Bevöl­ke­rung ist, als Prä­ven­ti­ons­maß­nah­me und Anlaufstelle.

Recht rei­bungs­los klappt laut Dr. Georg Knob­lach vom ärzt­li­chen Kreis­ver­band die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung in der ARE, wo fünf Tage in der Woche jeden Vor­mit­tag ein Arzt oder eine Ärz­tin Sprech­stun­de hiel­ten, ein­mal in der Woche kom­me auch ein Kin­der­arzt, bei Bedarf gebe es Über­wei­sun­gen zum Fach­arzt. Dass aller­dings nach der Sprech­stun­de und am Wochen­en­de für die Flücht­lin­ge kein Zugang zu einer bereit­schafts­ärzt­li­chen Ver­sor­gung bestehe, kri­ti­sier­te Dr. Ulri­ke Tontsch von „Freund statt fremd“ aus dem Publi­kum her­aus, da habe man es ein­fach ver­säumt, einen ent­spre­chen­den Ver­trag abzu­schlie­ßen. All­zu oft wer­de des­halb dann der Not­arzt geru­fen oder Men­schen ins Kran­ken­haus gebracht, ein Auf­wand, der sich ver­mei­den lie­ße. Knob­lach gab dies­be­züg­lich „Nach­bes­se­rungs­be­darf“ zu.