Arti­kel­se­rie: Ener­gie­wen­de ja – aber wie? 42. Baye­ri­sches Ener­gie­pro­gramm 2015 Teil 1

Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Goli­ath Pol­der­mo­len. Foto: Uberp­rut­ser, CC-BY-SA‑3.0‑nl

In den bei­den letz­ten Arti­keln hat­ten wir den gegen­wär­ti­gen Stand und die wei­te­re Pla­nung der baye­ri­schen Ener­gie­wen­de bis 2034 ana­ly­siert, sowie eini­ge Details die­ses Zah­len­wer­kes kri­tisch an der Rea­li­tät gespie­gelt. Nun liegt das Baye­ri­sche Ener­gie­pro­gramm 2015 vor. Es emp­fiehlt sich den vor­ste­hen­den Link zu öff­nen und die nach­fol­gen­de Ana­ly­se direkt mit dem Ori­gi­nal­text zu vergleichen.

Die­ses Ener­gie­pro­gramm ent­hält kei­ne kon­kre­ten Zie­le, nur vie­le unver­bind­li­che Absichts­er­klä­run­gen. Im 1. Abschnitt, der Dar­stel­lung der baye­ri­schen Erfol­ge der Ener­gie­wen­de von 2010 bis 2014, wer­den mit sehr krea­ti­ven Gra­phi­ken Pro­zent­zah­len genannt. Man wird an den bekann­ten Satz erin­nert: „Glau­be kei­ner Sta­ti­stik, die Du nicht selbst gefälscht hast“; beson­ders mit Pro­zent­zah­len las­sen sich Ver­hält­nis­se gut ver­schlei­ern, wenn die Basis für die Pro­zent­rech­nun­gen nicht ein­deu­tig ist, oder, wie in die­sem Fall, stän­dig geän­dert wird.

Es ist in allen Sta­ti­sti­ken im Zusam­men­hang mit der Ener­gie­wen­de üblich, den Anteil der Strom­erzeu­gung aus erneu­er­ba­ren Quel­len am Strom­be­darf zu spie­geln – „all­ge­mein übli­che Berech­nungs­me­tho­de“. Die­se zeigt, wie weit man noch vom Fern­ziel, den gesam­ten Strom­be­darf aus erneu­er­ba­ren Quel­len zu decken, ent­fernt ist. In die­ser Pro­zent­rech­nung ist 100% also der Strom­be­darf. Das baye­ri­sche Ener­gie­pro­gramm 2015 stellt die­se Rech­nung jedoch trick­reich von der Basis „baye­ri­scher Strom­be­darf“ auf die Basis der „baye­ri­schen Brut­to­strom­erzeu­gung“ um – „baye­ri­sche Berech­nungs­me­tho­de“. In die­ser Pro­zent­rech­nung ist 100% also die baye­ri­sche Strom­erzeu­gung, nicht mehr der Strom­be­darf. Hier­durch wird jeder Ver­gleich mit bun­des­deut­schen Sta­ti­sti­ken oder der ande­rer Bun­des­län­der unmög­lich, und die baye­ri­sche Ener­gie­wen­de steht schlag­ar­tig über­ra­schend gut da. Dies wird gleich an der ersten Gra­phik 1.1 des Ener­gie­pro­gramms erkenn­bar. Sol­che Säu­len­gra­phi­ken ver­mit­teln einen guten opti­schen Ein­druck über die Stei­ge­rungs­ra­ten in dem betrach­te­ten Zeit­raum. Die­se betra­gen für 2010 bis 2014 mit abneh­men­der Ten­denz etwa 2,6% bis 1,3% pro Jahr. Ledig­lich der Wech­sel von 2011 auf 2012 fällt mit 3,9% posi­tiv aus der Rei­he. Was ver­schwie­gen wird: Im August 2011 wur­de das Kern­kraft­werk Isar/​Ohu 1 abge­schal­tet. Damit ver­rin­ger­te sich die „baye­ri­sche Brut­to­strom­erzeu­gung“ um ca. 8% (etwa 6,6 TWh/​Jahr), die neue Basis für die baye­ri­sche Pro­zent­rech­nung. Im Rechen­er­geb­nis führ­te dies dazu, dass der Anteil der erneu­er­ba­ren Ener­gien ein Plus von 3% erziel­te, ohne wirk­lich mehr gewor­den zu sein. Rech­net man die­sen Effekt wie­der her­aus, betrug die tat­säch­li­che Stei­ge­rung für 2012 nur 0,9%. Die­ser Rechen­trick wirkt sich auch auf die Fol­ge­jah­re aus. Damit wird ver­ständ­lich, war­um für 2014 bereits einen Anteil von 36,1% erneu­er­ba­re Ener­gien ange­ge­ben wird, wäh­rend Bay­ern nach der all­ge­mein übli­chen Berech­nungs­me­tho­de und bun­des­weit prak­ti­zier­ten Rech­nung (Basis Strom­be­darf) nur auf 26% kommt. In der Wer­bung nennt man so etwas Etikettenschwindel.

Im Juni 2015 wur­de Gra­fen­rhein­feld abge­schal­tet (ca. 7 TWh/​Jahr). Die Fol­ge: 2016 wird es wie­der einen sol­chen „Eti­ket­ten­schwin­del-Sprung“ geben, denn um die­sen Betrag ver­min­dert sich wie­der die Strom­erzeu­gung und damit die Basis für die baye­ri­sche Pro­zent­rech­nung; eben­so in den Jah­ren 2018 bis 2023, wenn die rest­li­chen Kern­kraft­wer­ke abge­schal­tet wer­den. Vor die­sem Hin­ter­grund muss man auch fol­gen­de Absichts­er­klä­rung aus dem Ener­gie­pro­gramm 2015 ver­ste­hen, Zitat: Ziel der baye­ri­schen Ener­gie­po­li­tik ist es daher, dass die erneu­er­ba­ren Ener­gien einen mög­lichst hohen Anteil an der Strom­erzeu­gung aus­ma­chen. Bis 2025 wol­len wir die­sen Anteil auf rund 70 Pro­zent stei­gern. Zitat Ende.

Nach der all­ge­mein übli­chen Berech­nungs­me­tho­de mit den alten Pro­gno­sen kommt Bay­ern nur auf 53%.

Gedan­ken­spiel: Wie kommt Bay­ern also am schnell­sten auf 100%? Ein­fach alle kon­ven­tio­nel­len Kraft­wer­ke abschal­ten! Das reicht nach der baye­ri­schen Berech­nungs­me­tho­de! Nach der baye­ri­schen Berech­nungs­me­tho­de sind vie­le Land­krei­se, die kein kon­ven­tio­nel­les Kraft­werk haben, z.B. auch Forch­heim, bereits bei 100%.

Bei die­ser Metho­de fal­len aber nicht nur alle Strom­im­por­te, die Bay­ern zukünf­tig täti­gen muss um den Strom­be­darf zu decken, völ­lig „unter den Tisch“, auch Erfol­ge bei der Strom­ein­spa­rung und Strom­ef­fi­zi­enz, also ver­rin­ger­ter Strom­be­darf, wir­ken sich in der Sta­ti­stik nicht mehr aus. Wie begrün­det man eine sol­che Maßnahme?

Zitat aus dem Ener­gie­pro­gramm: Bezugs­grö­ße ist nicht mehr der Strom­ver­brauch, son­dern die Strom­erzeu­gung. Dar­aus resul­tiert eine höhe­re Aus­sa­ge­kraft, da die Strom­erzeu­gung mess­bar ist, wäh­rend die geo­gra­phi­sche Her­kunft des Stroms, den Bür­ger und Wirt­schaft ver­brau­chen, eben­so wenig mess­bar und nach­voll­zieh­bar ist wie die Her­kunft des Stroms aus erneu­er­ba­rer oder kon­ven­tio­nel­ler Erzeu­gung. Zitat Ende.

Die­se Aus­sa­ge ist zunächst nicht falsch: dem Strom, der aus der Steck­do­se kommt, kann man weder anse­hen, woher er kommt, aus Bay­ern oder impor­tiert, noch aus wel­cher Quel­le, Koh­le oder Wind­rad. Falsch ist aber die Schluss­fol­ge­rung aus dem Teil­satz: „… da die Strom­erzeu­gung mess­bar ist …“. Hier­mit wird begrün­det, war­um die Erzeu­gung der rich­ti­ge Maß­stab sei. Der Ver­brauch ist jedoch genau so mess­bar – wie jeder an sei­ner Strom­rech­nung sehen kann.
Im Grun­de bedeu­tet die­se Aus­sa­ge aber: Bay­ern kann nicht mehr, jetzt sol­len sich die Ande­ren bemü­hen, damit Bay­ern auf 100% öko­lo­gisch erzeug­ten Strom kommt.

Eine Bank­rott­erklä­rung für die Baye­ri­sche Ener­gie­wen­de? Fort­set­zung in der näch­sten Ausgabe.

Die­ter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www​.bfb​-ener​gie​.de

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