MdB Eli­sa­beth Schar­fen­berg: „Dro­gen­be­auf­trag­te hat kei­nen Plan“

Behand­lungs­kon­zep­te für Cry­stal Meth-Abhängige?

Anläss­lich der Jah­res­ta­gung der Dro­gen­be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung, Mar­le­ne Mor­tler in Ber­lin erklärt die ober­frän­ki­sche Abge­ord­ne­te Eli­sa­beth Schar­fen­berg, Mit­glied im Gesundheitsausschuss:

Ein Novum hat die dies­jäh­ri­ge Jah­res­ta­gung der Dro­gen­be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung, Mar­le­ne Mor­tler, vor­zu­wei­sen: Obwohl sich die Liste der anwe­sen­den Exper­tin­nen und Exper­ten liest wie das Who is Who zum The­ma Cry­stal Meth in Deutsch­land, gab es kei­ne Abschluss­pres­se­kon­fe­renz auf der die Tagungs­er­geb­nis­se vor­ge­stellt wur­den. Und das ist kein Zufall. „Ant­wor­ten für die Pra­xis“ bei Metham­phet­amin­kon­sum hat­te die Dro­gen­be­auf­trag­te ver­spro­chen. Tat­säch­lich hat sie noch immer kei­nen Plan.

Ihre zen­tra­le Bot­schaft lau­tet: eine Metham­phet­amin-Abhän­gig­keit ist behan­del­bar. Das ist sach­lich rich­tig. Aller­dings besteht die Schwie­rig­keit ja gera­de dar­in, die sehr hete­ro­ge­nen Kon­su­men­ten­grup­pen mit The­ra­pie­an­ge­bo­ten zu errei­chen, und das mög­lichst früh­zei­tig. Denn, dar­in sind sich alle Fach­leu­te einig, Cry­stal Meth gehört zu den gefähr­lich­sten Dro­gen, die auf dem Markt sind. Je län­ger und höher­do­siert sie genom­men wird, desto schwer­wie­gen­der sind die Fol­gen für Kör­per und Psy­che, vom Organ­ver­sa­gen bis zur Psy­cho­se. Daher gilt, je frü­her Hilfs­an­ge­bo­te die Kon­su­men­ten errei­chen desto bes­ser die Pro­gno­se. Und genau hier liegt das Problem.

Sowohl der Psy­cho­lo­ge und Psy­cho­the­ra­peut Dr. Här­tel-Petri, bis vor kur­zem Lei­ter des Sucht­be­reichs am Bezirks­kran­ken­haus Bay­reuth, wie auch Pro­fes­sor Robert Wodarz vom Zen­trum für Sucht­me­di­zin der Uni­ver­si­tät Regens­burg beton­ten auf der Tagung, wie wich­tig das Wis­sen über Kon­su­men­ten­grup­pen und Kon­sum­ver­hal­ten für eine Reha­bi­li­ta­ti­on oder eine medi­ka­men­tö­se Behand­lung ist. Pro­fes­sor Wodarz wies dar­auf hin, dass sich eine Grup­pe von Kon­su­men­ten ver­gleichs­wei­se früh in The­ra­pie begibt, einen ande­re sehr spät und eine drit­te gar nicht. Für jede die­ser Grup­pe wären spe­zi­el­le Ange­bo­te nötig, damit ein Kon­su­ment in The­ra­pie geht oder dort bleibt.

Die Kon­su­men­ten­grup­pen von Cry­stal rei­chen vom täg­lich hart Kon­su­mie­ren­den, der mit hoher Wahr­schein­lich­keit frü­her oder spä­ter in der Not­auf­nah­me lan­det, bis zu gele­gent­li­chen Usern. Cry­stal ist zudem nicht nur ein Pro­blem städ­ti­scher Bal­lungs­zen­tren, son­dern ver­mehrt auch des länd­li­chen Raums zum Bei­spiel in Ober­fran­ken. Für eine erfolg­rei­che Behand­lung ist ent­schei­dend zu wis­sen wer, wie oft, in wel­cher Form und Dosis kon­su­miert. Fakt ist, wir wis­sen noch viel zu wenig über die Kon­su­mie­ren­den, ihr Kon­sum­ver­hal­ten und dar­über, was sie ver­an­lasst die Dro­ge zu neh­men. Die ZIS-Stu­die 2014 zum The­ma „Amphet­amin und Metham­phet­amin – Per­so­nen­grup­pen mit miss­bräuch­li­chem Kon­sum“ bie­tet erste Ein­blicke in Kon­su­men­ten­pro­fi­le und Ein­stiegs­mo­ti­ve. Dabei fällt auf, dass vie­le Erst­kon­su­men­ten sehr jung sind.

Auch die Milin-Stu­die 2014 gibt erste Hin­wei­se dar­auf, wer die Kon­su­men­ten sind. Fünf Kon­su­men­ten­grup­pen wur­den dabei aus­ge­macht, dar­un­ter Berufs­tä­ti­ge, die Cry­stal Meth zur Lei­stungs­stei­ge­rung im beruf­li­chen Zusam­men­hang kon­su­mie­ren, sowie Schü­le­rin­nen und Schü­ler oder Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten. Eine Grup­pe kon­su­miert die Dro­ge zur „Selbst­be­hand­lung“ einer psy­chi­schen Begleit­erkran­kung. Ins­ge­samt fällt auf, dass der Frau­en­an­teil höher ist als bei ande­ren ille­ga­len Dro­gen. Ver­mehrt sind jun­ge Müt­ter unter den Kon­su­men­ten, die ver­su­chen so die Mehr­fach­be­la­stung im All­tag zu bewäl­ti­gen, und Eltern, die bereits Metham­phet­amin-abhän­gig sind. Beson­de­re gefähr­det sind die Kin­der die­ser Eltern, die drin­gend auf pro­fes­sio­nel­le Hil­fe ange­wie­sen sind.

Um die Fra­ge beant­wor­ten zu kön­nen, wel­che Behand­lung die Rich­ti­ge ist, muss man also mehr über die Kon­su­men­ten wis­sen. Dass es dar­an hapert ist seit lan­gem bekannt. Den­noch bleibt es bei Ankün­di­gun­gen sei­tens der Dro­gen­be­auf­trag­ten. So kün­digt Mor­tler an, dass im näch­sten Sucht-Sur­vey eine getrenn­te Erfas­sung von Kon­su­men­ten von Amphet­ami­nen und Metham­phet­ami­nen erfol­gen wird. Sie weist dar­auf hin, dass jetzt auch die tablet­ge­stütz­ten SCHUL­BUS-Befra­gun­gen Fra­gen zu Cry­stal Meth auf­wei­sen. Zudem soll die Stich­pro­ben­grö­ße der Dro­gen­af­fi­ni­täts­stu­die der Bun­des­zen­tra­le für gesund­heit­li­che Auf­klä­rung, BZgA, ver­grö­ßert werden.

Das ist erstens zu wenig und hät­te außer­dem längst auf den Weg gebracht wer­den müs­sen. Denn, auch das ist allen Betei­lig­ten klar: Cry­stal Meth ist wei­ter auf dem Vor­marsch. Die Zah­len des Bun­des­kri­mi­nal­am­tes wei­sen auf einen stei­len Anstieg der Amphet­amin­de­lik­te hin, die damit nach Can­na­bis die zweit­häu­fig­sten Dro­gen­de­lik­te in Deutsch­land sind (BKA 2014). Gera­de in Ober­fran­ken im Grenz­ge­biet zu Tsche­chi­en ist der Anstieg über­pro­por­tio­nal groß.

Auch die Nach­fra­ge nach Behand­lung in Ein­rich­tun­gen der Not­fall­me­di­zin, der Psych­ia­trie oder der Sucht­be­ra­tung steigt rasant, wie die Dro­gen­be­auf­trag­te Mor­tler beton­te. Cry­stal Meth ist auf dem Weg ein natio­na­les Pro­blem zu wer­den. Es ist höch­ste Zeit, die Vogel-Strauß-Poli­tik zu been­den und das Pro­blem Cry­stal Meth nicht län­ger zu ver­drän­gen. Es erle­digt sich nicht von selbst. Wir müs­sen end­lich mehr in die Bewäl­ti­gung inve­stie­ren, brau­chen mehr Fak­ten und müs­sen Kon­zep­te für die Behand­lung auf den Weg brin­gen, um der ver­hee­ren­de Dro­ge Ein­halt zu gebieten.