Blick über den Zaun: Vor­bild in Sachen Inklusion

Deutschlandweit einzigartige Multimediaguides ermöglichen auch Seh- und Hörgeschädigten an den Führungen im Tropenhaus am Rennsteig teilzunehmen. Ralf Schmitt (Mitte) stellt die mobiltelefonartigen Geräte dem Bezirkstagspräsidenten Dr. Günther Denzler und der Leiterin der Sozialverwaltung des Bezirks Oberfranken Angela Trautmann-Janovsky vor.

Deutsch­land­weit ein­zig­ar­ti­ge Mul­ti­me­dia­gui­des ermög­li­chen auch Seh- und Hör­ge­schä­dig­ten an den Füh­run­gen im Tro­pen­haus am Renn­steig teil­zu­neh­men. Ralf Schmitt (Mit­te) stellt die mobil­te­le­fon­ar­ti­gen Gerä­te dem Bezirks­tags­prä­si­den­ten Dr. Gün­ther Denz­ler und der Lei­te­rin der Sozi­al­ver­wal­tung des Bezirks Ober­fran­ken Ange­la Traut­mann-Janov­sky vor.

Im Tro­pen­haus in Klein­tet­tau (Lkr. Kro­nach) gibt es ein deutsch­land­weit ein­zig­ar­ti­ges Besucherführungskonzept

Weit und breit ein­zig­ar­tig ist das Tro­pen­haus am Renn­steig in Klein­tet­tau nicht nur wegen der Aus­wahl an exo­ti­schen Früch­ten und Pflan­zen oder der tro­pi­schen Spei­se­fi­sche. Ein­zig­ar­tig in Deutsch­land ist auch das kom­plett bar­rie­re­freie Besu­cher­füh­rungs­kon­zept. Neben Roll­stuhl­fah­rern kön­nen somit auch Seh- und Hör­ge­schä­dig­te an den Füh­run­gen teil­neh­men. Bezirks­tags­prä­si­dent Dr. Gün­ther Denz­ler infor­mier­te sich im Rah­men sei­nes Sozi­al­be­su­ches vor Ort über das inklu­si­ve Angebot.

„Was hier ent­stan­den ist, ist abso­lut beein­druckend. Wür­de die­ses Gebäu­de in Mün­chen oder Ber­lin ste­hen, wäre es wohl jeden Tag völ­lig über­lau­fen“, staun­te Bezirks­tags­prä­si­dent Dr. Gün­ther Denz­ler bei sei­nem Sozi­al­be­such im Tro­pen­haus am Renn­steig in Klein­tet­tau. In Beglei­tung von Ange­la Traut­mann-Janov­sky, Lei­te­rin der Sozi­al­ver­wal­tung des Bezirks Ober­fran­ken, dem Behin­der­ten­be­auf­trag­ten des Bezirks Ober­fran­ken, Egon Feil­ner und Bür­ger­mei­ster Peter Ebertsch ließ sich Denz­ler sowohl über die For­schungs­ein­rich­tung als auch über das der­zeit deutsch­land­weit ein­zig­ar­ti­ge Besu­cher­leit­sy­stem infor­mie­ren. Zwar habe er bereits viel dar­über gele­sen. Doch wie umfang­reich hier geforscht, wie nach­hal­tig gear­bei­tet und vor allem wie umfas­send das wich­ti­ge The­ma Inklu­si­on ange­gan­gen wer­de, davon war Denz­ler am Ende sicht­lich beeindruckt.

Ralf Schmitt, ideen­rei­cher Geschäfts­füh­rer des Tro­pen­hau­ses, erläu­ter­te zu Beginn des Sozi­al­be­su­ches die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der 3500 Qua­drat­me­ter umfas­sen­den Gewächs­häu­ser. „Bar­rie­re­frei­heit war für uns schon immer ein wich­ti­ges Anlie­gen. Wir haben vor dem Hin­ter­grund der Inklu­si­on von Men­schen mit Behin­de­rung von Beginn an nicht nur an die Roll­stuhl­fah­rer oder Senio­ren mit Rol­la­to­ren gedacht“, erläu­ter­te Schmitt die Idee hin­ter den klei­nen schwar­zen Gerä­ten am Ein­gang. Die 20 mobil­te­le­fon­ar­ti­gen Mul­ti­me­dia­gui­des sind ein­fach zu bedie­nen und ermög­li­chen es auch seh- oder hör­ge­schä­dig­ten Men­schen, die tro­pi­sche Viel­falt in den Gewächs­häu­sern zu erkunden.

Nicht nur, dass die Tasta­tu­ren mit Braille­schrift spe­zi­ell auf die Bedürf­nis­se von Seh­be­hin­der­ten ange­passt sind. Die Erläu­te­run­gen in deut­scher und bald auch in eng­li­scher Spra­che sind mit aku­sti­schen Ein­spie­lun­gen hin­ter­legt: Geräu­sche und Musik sol­len zusätz­li­che atmo­sphä­ri­sche Ein­drücke ver­mit­teln. So hört man bei­spiels­wei­se Blät­ter­ra­scheln, wenn man an einer der gro­ßen Pal­men ent­lang läuft. Für Hör­ge­schä­dig­te steht auf dem Gerät ein gro­ßes Dis­play bereit, auf dem die Tour in Gebär­den­spra­che erklärt wird. „Wir haben dafür eng mit den gro­ßen Behin­der­ten­ver­bän­den zusam­men­ge­ar­bei­tet und pro­fes­sio­nel­le Gebär­den­sprach­dol­met­scher ins Boot geholt“, beschreibt Schmitt die gro­ßen Anstren­gun­gen. In Sum­me habe man über 30.000 Euro inve­stiert, finan­zi­ell unter­stützt von der Spar­kas­sen­stif­tung. Neben Klein­tet­tau hät­ten nur das Natio­nal­mu­se­um in Anka­ra und ein wei­te­res Muse­um in Wien eine ver­gleich­ba­re Ausstattung.

Schmitt will sich dar­auf jedoch nicht aus­ru­hen. Ihm schwe­ben hap­ti­sche Sta­tio­nen vor, an denen seh­be­hin­der­te Men­schen vor allem über den Tast- und den Geruchs­sinn noch näher an die tro­pi­sche Pflan­zen­welt her­an­ge­führt wer­den sol­len. Ein Antrag auf Bezu­schus­sung lau­fe der­zeit. In das Tro­pen­haus am Renn­steig kön­ne aber schon jetzt jeder kom­men und über den Anbau exo­ti­scher Früch­te im Gewächs­haus stau­nen, egal ob mit oder ohne Behin­de­rung, stell­te Ange­la Traut­mann-Janov­sky am Ende des zwei­stün­di­gen Rund­gangs fest. „Das ist geleb­te Inklu­si­on: Das kom­plet­te Ange­bot steht allen, ob alt oder jung, behin­dert oder nicht behin­dert, in glei­cher Wei­se zur Ver­fü­gung“, lobt die Lei­te­rin der Sozialverwaltung.

INFO:
Beein­druckend war für die Besu­cher an die­sem Tag aber auch die Viel­falt der exo­ti­schen Früch­te, wie Papa­yas, Gua­ven oder Noni, die inmit­ten des eher rau­hen Kli­mas zwi­schen Fran­ken­wald und Renn­steig wach­sen. Die Frucht Lulo wer­de außer in Süd­ame­ri­ka nur noch in Klein­tet­tau pro­du­ziert und koste am Vik­tua­li­en­markt in Mün­chen ein klei­nes Ver­mö­gen, erläu­ter­te Schmitt stolz. Stolz sei das Tro­pen­haus aber auch über die Abwär­me­nut­zung aus der benach­bar­ten Glas­fa­brik. Knapp die Hälf­te der benö­tig­ten Ener­gie kom­me als Abfall­pro­dukt des Glas­her­stel­lungs­pro­zes­ses per Fern­wär­me­lei­tung in das Tro­pen­haus, den rest­li­chen Ener­gie­be­darf deckt größ­ten­teils die Son­ne ab. Einen eige­nen Kreis­lauf bil­det auch das ein­ge­setz­te Poly­kul­tur­sy­stem, in dem die tro­pi­schen Spei­se­fi­sche wie Tila­pia ein­ge­bun­den sind. „Das Was­ser der Fisch­zucht­an­la­ge dient zusätz­lich als Dün­ger der Pflan­zen. Die­se fil­tern das Was­ser, bevor es wie­der in die Fisch­tanks zurück­fließt“, erläu­ter­te Geschäfts­füh­rer Ralf Schmitt.