Hand­werks­kam­mer im Pro­zess der Wiedervereinigung

Hand­werk und 25 Jah­re deut­sche Ein­heit – HWK für Ober­fran­ken als Vorreiter

Der Fall des Eiser­nen Vor­hangs und die Wie­der­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands zäh­len ohne jeden Zwei­fel zu den tur­bu­len­te­sten Jah­ren in der Geschich­te der Hand­werks­kam­mer für Oberfranken.

Erste Kon­tak­te direkt nach dem Fall der Mauer

Über Nacht ist Ober­fran­ken aus dem „toten Win­kel“ wie­der in die Mit­te Deutsch­lands gerückt Einen Tag nach dem Fall der Mau­er am 09.11.1989 schrieb die Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken an ihre Nach­bar­kam­mern in Sach­sen und Thü­rin­gen und bot den dor­ti­gen Hand­wer­kern ihre Hil­fe an. Nur weni­ge Wochen spä­ter, am 04.12.1989, nah­men erst­mals Ver­tre­ter der Hand­werks­kam­mer Gera an einer Voll­ver­samm­lungs­sit­zung der HWK in Bay­reuth teil. Ein paar Tage spä­ter mel­de­ten sich offi­zi­el­le Ver­tre­ter der dama­li­gen Hand­werks­kam­mer Karl-Marx-Stadt (heu­te Chem­nitz) und der Hand­werks­kam­mer Halle/​Saale in Bayreuth.

Bei die­sen ersten Begeg­nun­gen ging es dar­um, wie den Hand­wer­kern in der dama­li­gen DDR mög­lichst rasch, mög­lichst unbü­ro­kra­tisch und mög­lichst effek­tiv gehol­fen wer­den kann. Die HWK für Ober­fran­ken ver­such­te in der Fol­ge­zeit, die­sen drin­gend­sten Bedürf­nis­sen der Hand­wer­ker gerecht zu werden.

Sofort­hil­fe

Die HWK für Ober­fran­ken war nach dem 09.11.1989 in einer Wei­se gefor­dert, wie das heu­te kaum mehr vor­stell­bar ist. Täg­lich stan­den Hun­der­te von Hand­wer­kern aus der dama­li­gen DDR in und vor der HWK und woll­ten Rat und Hil­fe. Sie such­ten Kon­tak­te zu Berufs­kol­le­gen, woll­ten betriebs­wirt­schaft­li­che und tech­ni­sche Bera­tung, brauch­ten Maschi­nen und Gerä­te und waren an der Anbah­nung von Geschäfts­be­zie­hun­gen inter­es­siert. Eine Kon­takt­ver­mitt­lungs­stel­le wur­de ein­ge­rich­tet. Mehr als 20 Mit­ar­bei­ter der HWK waren bis Ende 1990 für das DDR-Hand­werk tätig.

Tag­täg­lich infor­mier­te die HWK die Betrie­be und Hand­werks­or­ga­ni­sa­tio­nen in Ver­an­stal­tun­gen über sozia­le Markt­wirt­schaft, über Demo­kra­tie, über die deut­sche Hand­werks­ord­nung, über die Berufs­aus­bil­dung, über das Sozi­al- und Arbeits­recht, über Steu­ern, tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen usw. Die HWK initi­ier­te einen Arbeits­kreis „DDR-Hand­werk“ und brach­te noch vor Weih­nach­ten eine Bro­schü­re über das Hand­werk in der DDR heraus.

Hand­wer­ker­fo­ren in Hal­le, Gera und Chemnitz

Bereits im Janu­ar 1990 hiel­ten der dama­li­ge Haupt­ge­schäfts­füh­rer der HWK für Ober­fran­ken, Dr. Veit Holz­schu­her, und sein dama­li­ger Stell­ver­tre­ter Horst Eggers in Hal­le, Gera und Chem­nitz Hand­werk­fo­ren ab, die auf­grund des rie­si­gen Andrangs am näch­sten Tag jeweils wie­der­holt wer­den muss­ten, obwohl die größ­ten Säle für die­se Ver­an­stal­tun­gen gewählt wur­den. Ins­ge­samt wur­den dabei 2.200 Teil­neh­mer registriert.

Her­aus­for­de­rung, Ver­pflich­tung und Chance

Für die HWK für Ober­fran­ken war die Öff­nung der Gren­zen Her­aus­for­de­rung, Ver­pflich­tung und Chan­ce zu gleich. Her­aus­for­de­rung, mit den anste­hen­den Pro­ble­men fer­tig zu wer­den, Ver­pflich­tung, dem Hand­werk im Osten Deutsch­lands zu hel­fen und Chan­ce für die eige­nen ober­frän­ki­schen Betrie­be, den Eiser­nen Vor­hang mög­lichst rasch zu über­win­den und zu nor­ma­len Wirt­schafts­be­zie­hun­gen nach allen Sei­ten zu kommen.

Mani­fest zur Ein­heit des Deut­schen Handwerks

Die Wie­der­ver­ei­ni­gung des deut­schen Hand­werks erfolg­te noch vor der Wie­der­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands am 21. Juni 1990, ein histo­ri­sches Datum für das deut­sche Hand­werk. An die­sem Tag fand die erste gemein­sa­me Groß­kund­ge­bung des deut­schen Hand­werks in Ost und West in Zwickau statt, orga­ni­siert von den Hand­werks­kam­mern Chem­nitz und Bay­reuth. Nicht alle der mehr als 4.000 Hand­wer­ker aus allen Tei­len Deutsch­lands und der DDR fan­den im Ball-Saal Neue Welt Platz und ver­folg­ten die Wie­der­ver­ei­ni­gung des Hand­werks drau­ßen über Lautsprecher.

Staat­li­che Unter­stüt­zung / HWK als Treuhandkammer

Der HWK für Ober­fran­ken war von Anfang an klar, dass der beste Wil­le und das ent­spre­chen­de Know-how für die gewünsch­te Hil­fe nicht aus­reicht, wenn kei­ne staat­li­chen Finanz­mit­tel zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Es waren nicht zuletzt die ener­gi­schen Inter­ven­tio­nen der HWK für Ober­fran­ken in Bonn, die dafür sorg­ten, dass ab März 1990 vom Bun­des­mi­ni­ster für Wirt­schaft und vom Bun­des­mi­ni­ster für Bil­dung und Wis­sen­schaft im Rah­men eines Nach­trags­haus­hal­tes Mit­tel zur Sofort­hil­fe in der dama­li­gen DDR bereit gestellt wurden.

Die haus­halts­recht­li­chen Beden­ken bei der Ver­wen­dung von Bun­des­mit­teln außer­halb des Bun­des­ge­bie­tes konn­ten durch die Idee aus Bay­reuth von der soge­nann­ten „Treu­hand­kam­mer“ schließ­lich aus dem Weg geräumt wer­den. Die Bun­des­mit­tel erhielt treu­hän­de­risch die HWK für Ober­fran­ken, um kon­kre­te Hilfs­maß­nah­men im Bereich der Infor­ma­ti­on und Bera­tung durch­zu­füh­ren, ins­be­son­de­re aber für Inve­sti­tio­nen im beruf­li­chen Bil­dungs­be­reich. Davon pro­fi­tier­ten ins­be­son­de­re die Hand­werks­kam­mern Gera, Chem­nitz und Halle/​Saale, in denen umge­hend mit der Moder­ni­sie­rung bestehen­der Gebäu­de oder mit dem Neu­bau von Berufs­bil­dungs- und Tech­no­lo­gie­zen­tren begon­nen wur­de. Für die dor­ti­gen BTZ wur­den über die HWK in den fol­gen­den 10 Jah­ren fast 240 Mil­lio­nen DM investiert.

Erfolg­rei­che Hil­fe zur Selbsthilfe

All dies waren Wei­chen­stel­lun­gen für eine erfolg­rei­che Ent­wick­lung des Hand­werks in Thü­rin­gen, Sach­sen und Sach­sen-Anhalt, die vor 25 Jah­ren nie­mand vor­aus­zu­sa­gen gewagt hät­te. Heu­te kann die HWK für Ober­fran­ken mit gro­ßer Freu­de und einem gewis­sen Stolz fest­stel­len, dass die von ihr gelei­ste­te Hil­fe zur Selbst­hil­fe gera­de bei den Kam­mern Gera, Chem­nitz und Hal­le auf sehr frucht­ba­ren Boden gefal­len ist.