Uni­ver­si­tät Bay­reuth: „Grenz­über­schrei­ten­de For­schungs­rei­se ent­lang der Via Regia“

Symbolbild Bildung

Stu­die­ren­de aus Deutsch­land, Polen und der Ukrai­ne erkun­den in einem Dia­logsemi­nar grenz­über­schrei­ten­de Wege der Zusam­men­ar­beit – Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bay­reuth koor­di­nie­ren das Projekt.

Die „Via Regia“ – eine alte euro­päi­sche Ost-West-Verbindung

Stra­ßen über­win­den natio­na­le und regio­na­le Gren­zen und sind Orte für kul­tu­rel­le, wirt­schaft­li­che und sozia­le Begeg­nun­gen: Das galt im Mit­tel­al­ter ins­be­son­de­re für das Netz der euro­päi­schen Han­dels­we­ge, die unter dem direk­ten Schutz der jeweils zustän­di­gen Mon­ar­chen stan­den und wich­ti­ge Zen­tren von Wirt­schaft und Kul­tur mit­ein­an­der ver­ban­den. Unter dem Namen „Via Regia“ ist bis heu­te vor allem die alte Han­dels­rou­te bekannt, die von Sant­ia­go de Com­po­ste­la im Nord­we­sten Spa­ni­ens bis nach Kiew führ­te und 2005 vom Euro­pa­rat als „Kul­tur­weg“ aus­ge­zeich­net wurde.

Vom Aus­wär­ti­gen Amt gefördert

An die­se euro­päi­sche Tra­di­ti­on knüpft eine 14tägige For­schungs­rei­se an, die am 14. Sep­tem­ber 2015 mit einem Auf­takt­se­mi­nar in Bay­reuth beginnt und von hier aus über Gör­litz-Zgor­zel­ec, Bres­lau und Kra­kau bis nach Lem­berg führt. 20 fort­ge­schrit­te­ne Stu­die­ren­de aus der Ukrai­ne, Polen und Deutsch­land neh­men dar­an teil. Gemein­sam wer­den sie an den Sta­tio­nen der Rei­se Gesprä­che mit zivil­ge­sell­schaft­li­chen Akteu­ren füh­ren, um Ein­sich­ten in grenz­über­schrei­ten­de For­men der Zusam­men­ar­beit zu gewin­nen. Das euro­päi­sche Kul­tur­er­be, das die Städ­te ent­lang der „Via Regia“ bis heu­te prägt, bil­det den gemein­sa­men Bezugs­punkt die­ses Dialogseminars.

Sei­tens der Uni­ver­si­tät Bay­reuth koor­di­nie­ren Nico­lai Teu­fel, Prof. Dr. Mar­tin Doe­ven­speck und Prof. Dr. Matthew Han­nah vom Geo­gra­phi­schen Insti­tut das Pro­jekt. Die Part­ner in der Ukrai­ne sind das Insti­tut für Manage­ment in Lem­berg und die Geo­gra­phi­sche Fakul­tät der dor­ti­gen Iwan-Fran­ko-Uni­ver­si­tät. Ins­ge­samt sind zehn Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler der drei Län­der an dem Pro­jekt betei­ligt. Das Aus­wär­ti­ge Amt för­dert die For­schungs­rei­se aus dem Pro­gramm „Aus­bau der Zusam­men­ar­beit mit der Zivil­ge­sell­schaft in den Län­dern der Öst­li­chen Partnerschaft“.

Ver­trau­ens­bil­dung und Koope­ra­tio­nen: Bei­trä­ge zur euro­päi­schen Iden­ti­tät in Mit­tel- und Osteuropa

Lang­fri­stig soll das Pro­jekt soll dazu bei­tra­gen, dass zwi­schen den kul­tu­rel­len Zen­tren in Deutsch­land, Polen und der Ukrai­ne ein Netz­werk von Akteu­ren aus Wis­sen­schaft, Poli­tik und Zivil­ge­sell­schaft ent­steht, das den wech­sel­sei­ti­gen Erfah­rungs­aus­tausch und die Zusam­men­ar­beit för­dert. „Die Dia­log­ver­an­stal­tun­gen wäh­rend der Rei­se wol­len dazu anre­gen, neue und über den uni­ver­si­tä­ren Bereich hin­aus­rei­chen­de Dia­lo­ge und Part­ner­schaf­ten auf den Weg zu brin­gen, die in heu­ti­ge Pro­zes­se der euro­päi­schen Iden­ti­täts­bil­dung ein­ge­bet­tet sind“, erklärt Nico­lai Teu­fel. Prof. Doe­ven­speck ergänzt: „Vom west­ukrai­ni­schen Lem­berg aus, des­sen Bür­ger sich heu­te sehr nach­drück­lich in Rich­tung Euro­päi­sche Uni­on ori­en­tie­ren, kann mög­li­cher­wei­se auch der Auf­bau demo­kra­ti­scher und plu­ra­li­sti­scher Struk­tu­ren in der Ukrai­ne gestärkt werden.“

Kurz­fri­stig geht es bei der For­schungs­rei­se dar­um, dass die Stu­die­ren­den und Leh­ren­den in tri­na­tio­na­len Arbeits­grup­pen ukrai­ni­sche, pol­ni­sche und deut­sche Sicht­wei­sen mit­ein­an­der ver­glei­chen und ver­knüp­fen. Gemein­sam wol­len sie über Mög­lich­kei­ten nach­den­ken, histo­ri­sche Grenz­zie­hun­gen durch kul­tu­rel­le und wirt­schaft­li­che Brücken zu überwinden.

An den Sta­tio­nen der Rei­se wer­den sie dar­über mit unter­schied­li­chen Dia­log­part­nern spre­chen – bei­spiels­wei­se im Zen­trum für Kul­tur­dia­log der Edith-Stein-Gesell­schaft in Bres­lau, im Eastern Initia­ti­ve Insti­tu­te in Kra­kau oder in der Inter­na­tio­na­len Abtei­lung der staat­li­chen Behör­den in Lem­berg. Hier ist auch ein Gespräch mit Ver­tre­tern von Ver­ei­nen geplant, die sich mit Fra­gen eines grenz­über­schrei­ten­den Arbeits­mark­tes auseinandersetzen.

Ver­trau­ens­bil­dung, Aus­tausch und Koope­ra­tio­nen sind also für die Stu­die­ren­den einer­seits Gegen­stand der wis­sen­schaft­li­chen Betrach­tung, ande­rer­seits aber auch Zie­le, die sie in ihren Arbeits­grup­pen unter­ein­an­der rea­li­sie­ren wollen.

Wis­sen­schaft­li­cher Auf­takt in Bayreuth

Vor dem Start der For­schungs­rei­se besu­chen alle Teil­neh­mer ein zwei­tä­gi­ges Semi­nar in Bay­reuth. Hier wer­den grund­le­gen­de Begrif­fe wie „Ter­ri­to­ri­a­li­tät“, Gren­ze“, „Staat­lich­keit“ oder „Zivil­ge­sell­schaft“ im Kon­text aktu­el­ler wis­sen­schaft­li­cher Debat­ten erör­tert. Auch Dozen­ten der ukrai­ni­schen Part­ner­ein­rich­tun­gen neh­men dar­an teil. Zugleich fin­den sich in Bay­reuth die stu­den­ti­schen Arbeits­grup­pen zusam­men, die sich in den kom­men­den Wochen mit The­men wie „Kul­tur­kon­tak­te“, „Geschichts­po­li­tik und euro­päi­sches Gedächt­nis“, „Euro­päi­sche Zivil­ge­sell­schaft“ und „Wirt­schaft­li­che Bezie­hun­gen“ befas­sen werden.

Expe­di­ti­on durch vier histo­ri­sche Zentren

Nach dem Auf­takt in Bay­reuth folgt die Abrei­se an die deutsch-pol­ni­sche Gren­ze, wo sich die durch die Lau­sit­zer Nei­ße getrenn­ten Grenz­or­te die Bezeich­nung „Euro­pa­stadt Gör­litz-Zgor­zel­ec“ gege­ben haben und zahl­rei­che Initia­ti­ven auf ein grenz­über­schrei­ten­des Gemein­we­sen hin­ar­bei­ten. Die näch­ste Sta­ti­on Bres­lau ist Euro­päi­sche Kul­tur­haupt­stadt 2016 – ein aktu­el­ler Anlass, um sich der­zeit ver­stärkt den deut­schen, pol­ni­schen, gali­zi­schen und euro­päi­schen Ele­men­ten der Stadt­ge­schich­te zu wid­men. Kra­kau, die Stadt der pol­ni­schen Köni­ge, ist heu­te eine auf­stre­ben­de Wirt­schafts­me­tro­po­le und eben­so wie Lem­berg eines der bei­den kul­tu­rel­len Zen­tren des histo­ri­schen Gali­zi­en. Lem­berg war im 20. Jahr­hun­dert wie kaum eine ande­re euro­päi­sche Stadt histo­ri­schen und poli­ti­schen Brü­chen aus­ge­setzt; unter der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Besat­zung wur­den hier und in der Umge­bung weit mehr als 500.000 Men­schen ermor­det. Heu­te prä­sen­tiert sich Lem­berg, das 2012 Aus­tra­gungs­ort der UEFA Euro­pa­mei­ster­schaft war, als eine ent­schie­den euro­pä­isch aus­ge­rich­te­te „Brücken-stadt“ zwi­schen Ost und West.

Rei­se­ta­ge­buch auf Facebook

Über Face­book wol­len die Stu­die­ren­den in den kom­men­den Wochen lau­fend über den Fort­gang ihrer „Via Regia“-Reise infor­mie­ren. Eini­ge grund­le­gen­de Infor­ma­tio­nen sind hier bereits jetzt zugäng­lich: www​.face​book​.com/​m​o​v​i​n​g​s​e​m​i​nar

Ver­öf­fent­li­chungs­hin­weis

Die näch­ste Aus­ga­be 11/2015 der „Geo­gra­phi­schen Rund­schau“, die am 1. Novem­ber 2015 erscheint, ist dem The­ma „Grenz­räu­me im Osten der Euro­päi­schen Uni­on“ gewid­met. Sie wird von Prof. Dr. Mar­tin Doe­ven­speck koor­di­niert und ent­hält u.a. Bei­trä­ge von ihm und von Nico­lai Teufel.