Ein Licht­blick im Dschun­gel der Sozialgesetzgebung

Inter­view mit Karl-Heinz Raben­stein (Sozi­al­ver­wal­tung beim Bezirk Oberfranken)

Karl-Heinz Rabenstein

Karl-Heinz Raben­stein

Vie­le Men­schen füh­len sich heu­te über­for­dert im Dschun­gel der Sozi­al­ge­setz­ge­bung. Spä­te­stens dann, wenn ein Eltern­teil ins Pfle­ge­heim umzie­hen muss oder ein Ange­hö­ri­ger auf­grund einer Behin­de­rung Ein­glie­de­rungs­hil­fe benö­tigt, ist fach­li­cher Rat teu­er. Hier ist die Sozi­al­ver­wal­tung des Bezirks Ober­fran­ken der Ansprech­part­ner als über­ört­li­cher Trä­ger der Sozi­al­hil­fe in Bay­reuth. Weil der Weg jedoch für vie­le nach Bay­reuth sehr weit ist, bie­tet der Bezirk seit 2011 Außen­sprech­ta­ge mit einem ihrer sach­kun­di­gen Mit­ar­bei­ter in den Land­rats­äm­tern vor Ort an. Karl- Heinz Raben­stein ist Sach­ge­biets­lei­ter der Ein­glie­de­rungs­hil­fe in der Sozi­al­ver­wal­tung und Ansprech­part­ner für die die Sprechtage.

Fra­ge: Herr Raben­stein, Sie haben die­se Bera­tungs­auf­ga­be vor zwei Jah­ren über­nom­men. Mit wel­chen Fra­gen kom­men die Men­schen in die Sprechstunde?

Raben­stein: Die häu­fig­sten Unklar­hei­ten und Unsi­cher­hei­ten bestehen im Bereich Unter­halt und im Bereich Hil­fe zur Pfle­ge. Was kommt auf mich zu, wenn ein Eltern­teil oder der Ehe­part­ner ins Pfle­ge­heim muss? Was bleibt mir noch von mei­nem Ein­kom­men? Wer ist über­haupt zustän­dig? Die Men­schen erhof­fen sich voll­stän­di­ge Antworten.

Fra­ge: Gibt es die?

Raben­stein: Ich bin seit 1984 in der Sozi­al­ver­wal­tung aktiv, da hat man natür­lich vie­le Erfah­run­gen gesam­melt und auch die Ent­wick­lung der Sozi­al­ge­setz­ge­bung ver­folgt. In etwa 30 Minu­ten Bera­tungs­zeit kann ich daher vie­les beant­wor­ten, häu­fig geht es um die Zustän­dig­kei­ten ‑zum Bei­spiel wird der Bezirk oft mit dem ehe­ma­li­gen Ver­sor­gungs­amt , heu­te Zen­trum Bay­ern Fami­lie und Sozia­les, ver­wech­selt. Für vie­le ist es hilf­reich auch die näch­sten Schrit­te zu bespre­chen. Den­noch ist meist viel mehr Geprächs­be­darf. Man muss gut zuhö­ren, kein Fall ist wie der ande­re. Es sind oft schwe­re Schick­sa­le, die die Men­schen mit­brin­gen und die Unge­wiss­heit dar­über, wie es in der neu ent­stan­de­nen Situa­ti­on wei­ter­ge­hen soll, bela­stet meist sehr. Da emp­fin­den es vie­le als Erleich­te­rung wirk­lich mal mit einem Men­schen spre­chen zu können.

Fra­ge: Herr Raben­stein, macht Ihnen Ihre Auf­ga­be Freude?

Raben­stein: Ja, sehr. Wenn Sie jeman­den, der kei­nen Aus­weg weiß, eine Türe zei­gen kön­nen, dann ist das sehr erbau­end, oft auch berührend.

Fra­ge: Haben Sie viel­leicht ein Beispiel?

Raben­stein: Ja. Ich erin­ne­re mich an einen Herrn, der über Jah­re die Pfle­ge­ko­sten für sei­ne Frau selbst getra­gen hat. Er woll­te zur Fort­füh­rung eine Immo­bi­lie, die er im Aus­land hat­te, ver­kau­fen. Sei­ne Ver­su­che waren aber erfolg­los und er war völ­lig ent­mu­tigt und wuss­te nicht, wie es mit dem Unter­halt für sei­ne Frau wei­ter­ge­hen kann. Da konn­te ich ihm die Mög­lich­keit einer dar­le­hens­wei­sen Hil­fe auf­zei­gen, das bedeu­tet, der Bezirk kann in Vor­lei­stung gehen und ein Dar­le­hen gewäh­ren, bis die Immo­bi­lie ver­kauft ist. Da ist dem Her­ren ein so gro­ßer Stein vom Her­zen gefallen!

Fra­ge: Wie ist all­ge­mein die Ein­stel­lung ihrer Besu­cher zum soge­nann­ten Nach­rang­prin­zip, also dass der Bedarf eines pfle­ge­be­dürf­ti­gen Men­schen vor­ran­gig aus eige­nem Ein­kom­men gedeckt wer­den muss?

Raben­stein: Sehr unter­schied­lich. Für die Sprech­stun­de soll­te man sich ja anmel­den, daher fin­det im Vor­feld meist ein kur­zes Tele­fo­nat statt. Wenn es um Hil­fe zur Pfle­ge geht, ver­wei­se ich zur Vor­be­rei­tung auch immer auf unse­re Bro­schü­re „Sozi­al­hil­fe für Senio­ren“, die es auch auf unse­rer Web­sei­te gibt. Dort ist neben ande­ren The­men gut erklärt, war­um es das Nach­rang­prin­zip gibt und was Aus­nah­men sein kön­nen. Vie­le ver­ste­hen, dass jeder sei­nen Bei­trag lei­sten muss, auch wenn es viel­leicht bit­ter ist, dass Eigen­tum und Ver­mö­gen zum eige­nen oder zum Unter­halt der Eltern ein­ge­for­dert wird. Das sind ja poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen. Die Sozi­al­ver­wal­tung führt sie aus.

Fra­ge: War­um gibt es weni­ger Auf­klä­rungs­be­darf bei der Ein­glie­de­rungs­hil­fe, die auch zu den Auf­ga­ben des Bezirks gehört?

Raben­stein: Vie­le Trä­ger, wie zum Bei­spiel die Dia­ko­nie oder die Lebens­hil­fe ver­fü­gen über einen gro­ßen Wis­sens­schatz und sind kom­pe­ten­te Ansprech­part­ner. Sie geben Infor­ma­tio­nen auch in viel­fäl­ti­ger Wei­se bekannt und bie­ten Vor­trä­ge und Bera­tun­gen an. Die Ange­hö­ri­gen von Men­schen mit Behin­de­run­gen sind daher meist sehr gut infor­miert. Nur cir­ca zwan­zig Pro­zent des Bera­tungs­be­darfs in den Außen­sprech­ta­gen sind Fra­gen zur Ein­glie­de­rungs­hil­fe, obwohl die Ein­glie­de­rungs­hil­fe zu den Kern­auf­ga­ben des Bezirks als über­ört­li­cher Trä­ger der Sozi­al­hil­fe gehört. Wenn das geplan­te Bun­des­teil­ha­be­ge­setz in Kraft tritt, indem die Teil­ha­be der behin­der­ten Men­schen in allen Lebens­be­rei­chen gere­gelt und ermög­licht wer­den soll, dann wird es auch in die­sem Bereich wie­der mehr Infor­ma­ti­ons­be­darf geben.

Fra­ge: Herr Raben­stein, Sie sind seit über 30 Jah­ren für den Bezirk Ober­fran­ken in der Sozi­al­ver­wal­tung tätig. Wenn Sie zurück­schau­en, wür­den Sie Ihren Beruf wie­der ergreifen?

Raben­stein: In jedem Fall! Die sozia­len Auf­ga­ben des Bezirks sind ein sehr inter­es­san­tes Auf­ga­ben­ge­biet. Hier geht es um Men­schen, kein „Fall“ ist wie der ande­re. Ich suche immer nach der best­mög­li­chen indi­vi­du­el­len Lösung für den oder die betrof­fe­nen Men­schen. Die Außen­sprech­ta­ge haben sich auch dafür bestens bewährt. Oft wer­de ich gefragt: “Wann kom­men sie denn wieder?“
Es ist außer­dem für einen Ver­wal­tungs­men­schen etwas sehr Schö­nes, wenn man mal ein Dan­ke­schön erhält.

Vie­len Dank für das Gespräch, Herr Rabenstein.

Ange­la Traut­mann-Janov­sky, Lei­te­rin der Sozi­al­ver­wal­tung des Bezirks Ober­fran­ken, freut sich, dass mit Karl- Heinz Raben­stein ein ech­ter Fach­mann für die Durch­füh­rung der Außen­sprech­ta­ge gefun­den wer­den konn­te. „Durch sei­ne lang­jäh­ri­gen Erfah­run­gen in der Sozi­al­ver­wal­tung kennt Herr Raben­stein die Sor­gen und Nöte, die mit Ent­ste­hen der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit oder Behin­de­rung die Men­schen bela­sten, aber auch die Lösungs­we­ge“, so die Juristin.

Der Etat der Sozi­al­ver­wal­tung bil­det mit 324,5 Mil­lio­nen Euro den größ­ten Block im Haus­halt des Bezirks. Als über­ört­li­cher Sozi­al­hil­fe­trä­ger erbringt der Bezirk im Rah­men sei­ner Kern­auf­ga­be neben der Ein­glie­de­rungs­hil­fe für Men­schen mit Behin­de­run­gen auch Lei­stun­gen im Bereich Hil­fe zur Pfle­ge sowie im Bereich der Jugend­hil­fe ins­be­son­de­re für die Unter­brin­gung unbe­glei­te­ter min­der­jäh­ri­ger Flücht­lin­ge. Ab 2016 wir die­ser Bereich der Jugend­hil­fe jedoch im Zustän­dig­keits­be­reich des Frei­staa­tes sein.

Zusam­men­ge­nom­men umfas­sen die Aus­ga­ben im Bereich der Sozi­al­ver­wal­tung rund 93 Pro­zent des Gesamt­haus­hal­tes. „Damit ist der Bezirk das sozia­le Gewis­sen Ober­fran­kens!“, betont Bezirks­tags­prä­si­dent Dr. Gün­ther Denzler.