Sonn­tags­ge­dan­ken: Aus­ge­wo­ge­nes Urteil

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

„Ich lebe mein Leben in wach­sen­den Ringen,
die sich über die Din­ge ziehen.
Ich wer­de den letz­ten viel­leicht nicht vollbringen,
aber ver­su­chen will ich ihn.
Ich krei­se um Gott, um den uralten Turm,
und ich krei­se jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich Fal­ke, ein Sturm
oder ein gro­ßer Gesang.“

Rai­ner Maria Ril­ke blickt hier zuver­sicht­lich auf sein Leben, will es tat­kräf­tig gestal­ten, deu­tet das Leben als ein Rei­fen und Wach­sen. Die Ver­se 1 und 2 ver­ste­he ich dahin­ge­hend, dass der Mensch mit zuneh­men­dem Alter „die Din­ge“, also die täg­li­chen Ereig­nis­se nicht mehr spon­tan, unvor­ein­ge­nom­men wahr­nimmt, son­dern durch die „Rin­ge“ sei­ner posi­ti­ven wie nega­ti­ven Erfah­rung. Ril­ke „kreist“ um Gott und trifft damit das, was die Bibel mit Glau­ben bezeich­net. Das „Krei­sen“ um Gott beinhal­tet aber auch, dass wir Gott, unse­re Lebens­mit­te nicht mit unse­rem Ver­stand erfas­sen kön­nen. Den „Turm“ deu­te ich als Bild für die Stär­ke, Grö­ße und Weis­heit Got­tes. Vom „Turm“ aus kann man die „Din­ge“ über­blicken, steht über ihnen. Bedau­er­lich fin­de ich nur, dass Ril­ke die asia­ti­sche Wie­der­ge­burts­leh­re auf­nimmt, denn wir „krei­sen“ nicht „jahr­tau­sen­de­lang“ um Gott, son­dern nur ein Leben lang, und jetzt gilt es, sich ver­bind­lich zu ent­schei­den, zu bewäh­ren. Scha­de, dass Ril­ke auch nicht weiß, wer er ist, hier­in frei­lich typisch für vie­le Men­schen unse­rer Zeit, die heu­te die­sem, mor­gen jenem Trend nach­lau­fen. Wir Chri­sten wis­sen, dass wir durch unse­re Tau­fe nicht nur Geschöp­fe Got­tes sind, son­dern Anteil bekom­men an dem, was Chri­stus für uns getan hat: Wie schwer unse­re Schuld sein mag, wie elend unser Schick­sal, Chri­stus hat all dem die Macht, den Schrecken genom­men. Er beglei­tet und trägt uns jetzt und in der letz­ten Not. Er führt uns zu Gott, der eben nicht rät­sel­haft und abwei­send wie ein stei­ner­ner „Turm“ ist, hin­ter des­sen Mau­ern nie­mand schau­en kann, son­dern für jeden ein Zim­mer in sei­ner neu­en Welt bereithält.

Wei­te­re Sonn­tags­ge­dan­ken

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de

Infos zu Chri­sti­an Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/​Aisch
  • Stu­di­um der evang. Theo­lo­gie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vika­ri­at in Schorn­weiss­ach-Vesten­bergs­greuth 1993 – 1996
  • Pro­mo­ti­on zum Dr. theol. 1995
  • Ordi­na­ti­on zum ev. Pfar­rer 1996
  • Dienst in Nürnberg/​St. Johan­nis 1996 – 1999
  • seit­her in Neustadt/​Aisch
  • blind