Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Agro­forst­wirt­schaft – eine zukunfts­wei­sen­de Stra­te­gie für das Landmanagement

Symbolbild Bildung

Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler unter­su­chen Inno­va­ti­ons­po­ten­zia­le im Rah­men eines BMBF-geför­der­ten Verbundprojekts

Welt­weit sieht sich die Land­wirt­schaft mit stei­gen­den Ansprü­chen kon­fron­tiert: Nicht nur die Pro­duk­ti­on hoch­wer­ti­ger Nah­rungs- und Fut­ter­mit­tel, son­dern auch die Her­stel­lung nach­wach­sen­der Roh­stof­fe zur Ener­gie­er­zeu­gung wird von ihr erwar­tet. Zudem sol­len öko­lo­gi­sche For­men der Land­nut­zung dabei hel­fen, dass die Arten­viel­falt nicht wei­ter zurück­geht, mög­lichst wenig Schad­stof­fe in die Umwelt gelan­gen, die Qua­li­tät der Böden erhal­ten bleibt und extre­me Kli­ma- und Wet­ter­ereig­nis­se die Pflan­zen nicht nach­hal­tig schä­di­gen. Vor die­sem Hin­ter­grund gewinnt eine Form der Land­wirt­schaft an Bedeu­tung, die in Deutsch­land schon weit­ge­hend in Ver­ges­sen­heit gera­ten war: die Agro­forst­wirt­schaft. Hier­bei wird der Acker­bau, der auf die Her­stel­lung von Nah­rungs- und Fut­ter­mit­teln abzielt, mit dem Anbau von Bäu­men zur Holz­ge­win­nung kom­bi­niert. Dadurch wer­den die Böden nicht so leicht von Wind und Regen abge­tra­gen, und es gelan­gen weni­ger Dün­ge­mit­tel in flie­ßen­de Gewäs­ser. Zudem ent­ste­hen klein­räu­mi­ge geschütz­te Lebens­räu­me für viel­fäl­ti­ge Tier- und Pflan­zen­ar­ten. Außer­dem kann eine geziel­te Anord­nung von Gehöl­zen das Mikro­kli­ma vor­teil­haft beein­flus­sen und so die Ertrags­sta­bi­li­tät der Acker­kul­tu­ren erhö­hen. Und nicht zuletzt kann aus der Holz­pro­duk­ti­on ein neu­er Erwerbs­zweig in länd­li­chen Gebie­ten entstehen.

Neue Lösun­gen für den Umgang mit der „Res­sour­ce Land“

Vor die­sem Hin­ter­grund för­dert das Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) das Pro­jekt „Agro­forst­li­che Umwelt­lei­stun­gen für Wert­schöp­fung und Ener­gie“, kurz „AUF­WER­TEN“. Die betei­lig­ten Fach­leu­te aus Wis­sen­schaft und Pra­xis bil­den eine von neun Inno­va­ti­ons­grup­pen, die vom BMBF im Rah­men des Pro­gramms „For­schung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lun­gen“ (FONA) damit beauf­tragt wur­den, bis 2019 zukunfts­wei­sen­de und prak­ti­ka­ble Lösun­gen für den Umgang mit der „Res­sour­ce Land“ zu erar­bei­ten. Das Pro­jekt „AUF­WER­TEN“ soll in die­sem Zusam­men­hang – am Bei­spiel der Modell­re­gi­on Süd-Bran­den­burg – die Mög­lich­kei­ten zur Eta­blie­rung einer Agro­forst­wirt­schaft aus­lo­ten. Zudem geht es um die Fra­ge, wie ein regio­na­les Ver­sor­gungs­netz mit Bio­en­er­gie­trä­gern auf­ge­baut wer­den kann. An die­sen For­schungs­ar­bei­ten ist der Lehr­stuhl für Inno­va­tions- und Dia­log­mar­ke­ting der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mit dem Teil­pro­jekt „Inno­va­ti­on und Qua­li­fi­ka­ti­on“ betei­ligt. Unter der Lei­tung von Prof. Dr. Dani­el Bai­er und Alex­an­der Sänn M.Sc. wer­den Inno­va­tio­nen dar­auf­hin unter­sucht und bewer­tet, inwie­fern sie das Poten­zi­al haben, die Wert­schöp­fung im Bereich der Agro­forst­wirt­schaft zu steigern.

Moder­ne Ver­fah­ren des Inno­va­ti­ons­mar­ke­ting, ange­wen­det auf die Agroforstwirtschaft

Die Bay­reu­ther For­schungs­grup­pe greift dabei auf die soge­nann­te „Lead User-Metho­de“ zurück. Es han­delt sich dabei um ein in den 1980er Jah­ren am Mas­sa­chu­setts Insti­tu­te of Tech­no­lo­gy (MIT) ent­wickel­tes Ver­fah­ren, das dar­auf abzielt, Fehl­steue­run­gen und Fehl­in­ve­sti­tio­nen bei Inno­va­tio­nen von vorn­her­ein zu ver­mei­den. Aus­ge­wähl­te Markt­teil­neh­mer („Lead User“) wer­den dabei in die Inno­va­ti­ons­pro­zes­se von Unter­neh­men ein­be­zo­gen. Sie nut­zen bis­he­ri­ge Pro­duk­te und Dienst­lei­stun­gen auf eine neue, bis­her unbe­kann­te oder sogar extre­me Wei­se; dabei ent­wickeln sie eige­ne Ideen und Kon­zep­te, so dass sie den ‚Nor­mal­ver­brau­chern‘ deut­lich vor­aus sind. Häu­fig haben sie beson­ders hohe Ansprü­che und brin­gen ein per­sön­li­ches Inter­es­se mit, als Part­ner an inno­va­ti­ven Ent­wick­lun­gen mitzuwirken.

Mit die­ser Ein­be­zie­hung von „Lead Usern“ kom­bi­nie­ren die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler ein wei­te­res Ver­fah­ren, das in der For­schung als Con­joint­ana­ly­se (CA) bezeich­net wird. Hier­bei wer­den die Vor­lie­ben von poten­zi­el­len Kun­den ermit­telt und in unter­schied­li­chen Pro­dukt-pro­fi­len zusam­men­ge­führt. Auf die­ser Basis las­sen sich künf­ti­ge Markt­si­tua­tio­nen simu­lie­ren, in denen die Kun­den zwi­schen ver­schie­de­nen Pro­duk­ten wäh­len kön­nen und müs­sen. „Indem wir die­se eta­blier­ten Metho­den des Inno­va­ti­ons­mar­ke­ting auf das noch weit­ge­hend unbe­kann­te Gebiet der Agro­forst­wirt­schaft über­tra­gen, wol­len wir errei­chen, dass die von der Inno­va­ti­ons­grup­pe „AUF­WER­TEN“ erar­bei­te­ten Kon­zep­te und Maß­nah­men sich im Rah­men einer pri­vat­wirt­schaft­lich orga­ni­sier­ten Land- und Forst­wirt­schaft bewäh­ren“, erklärt der Bay­reu­ther Öko­nom Alex­an­der Sänn. „Es fällt auf, dass agro­forst­li­che Wege der Land­nut­zung trotz ihrer wis­sen­schaft­lich erwie­se­nen Vor­tei­le in der Pra­xis kaum beschrit­ten wer­den. Die Grün­de hier­für sind viel­fäl­tig und rei­chen von wirt­schaft­lich-tech­ni­schen Risi­ken bis zu feh­len­den Ver­wer­tungs­mög­lich­kei­ten im regio­na­len Umfeld. Auch recht­li­che Unsi­cher­hei­ten spie­len offen­bar eine Rol­le. In unse­rem Teil­pro­jekt ‚Inno­va­ti­on und Qua­li­fi­ka­ti­on‘ wol­len wir die­se Grün­de syste­ma­tisch auf­klä­ren und kon­kre­te Vor­schlä­ge zu ihrer Über­win­dung ausarbeiten.“

Auf dem Weg zu einer markt­fä­hi­gen Agroforstwirtschaft

Am Ende des Pro­jekts „AUF­WER­TEN“ soll ein stra­te­gi­sches Kon­zept ste­hen, das als Grund­la­ge einer markt­fä­hi­gen und zugleich öko­lo­gisch aus­ge­rich­te­ten Agro­forst­wirt­schaft genutzt wer­den kann – in der Modell­re­gi­on Süd-Bran­den­burg, die vor­aus­sicht­lich beson­ders stark vom Kli­ma­wan­del betrof­fen sein wird, und dar­über hin­aus. Zugleich soll ein Geo­in­for­ma­ti­ons­sy­stem (GIS) ein­ge­rich­tet wer­den, mit dem Flä­chen iden­ti­fi­ziert wer­den kön­nen, die sich für eine agro­forst­li­che Nut­zung eig­nen. Hin­zu kom­men Bewirtschaftungs‑, Logi­stik- und Ver­wer­tungs­kon­zep­te, erfolg­ver­spre­chen­de Geschäfts­mo­del­le sowie der lang­fri­sti­ge Auf­bau eines Kom­pe­tenz­zen­trums Agro­forst­wirt­schaft. „An der Inno­va­ti­ons­grup­pe ‚AUF­WER­TEN‘ sind eine gro­ße Zahl renom­mier­ter Part­ner aus unter­schied­li­chen For­schungs­zwei­gen, aus der Land- und Forst­wirt­schaft, der Agrar­tech­nik sowie dem Umwelt- und Natur­schutz betei­ligt, die mit­ein­an­der in engem Kon­takt ste­hen und gut zusam­men­ar­bei­ten. Des­halb bin ich sehr zuver­sicht­lich, dass wir unse­re hoch­ge­steck­ten Zie­le errei­chen kön­nen“, meint Prof. Dr. Dani­el Baier.