Bam­ber­ger Sozio­lo­ge forscht zur gerin­gen Stu­di­en­be­reit­schaft von Arbeiterkindern

Symbolbild Bildung

Immer mehr Per­so­nen eines Jahr­gangs machen Abitur, die Stu­di­en­zah­len stei­gen jähr­lich. Doch längst nicht „jeder“ stu­diert. Vor allem Arbei­ter­kin­der fin­den ver­gleichs­wei­se sel­ten den Weg an die Hoch­schu­le. War­um das so ist, weiß Stef­fen Schind­ler. Der Bam­ber­ger Sozio­lo­ge forscht zu sozia­ler Ungleich­heit beim Bildungserwerb.

Trotz der Rekord­zahl von der­zeit über 2,5 Mil­lio­nen Stu­die­ren­den in Deutsch­land gelingt Arbei­ter­kin­dern ver­gleichs­wei­se sel­ten der Weg an die Hoch­schu­le. „Der Zugang zur Hoch­schu­le ist sozi­al selek­tiv“, betont Prof. Dr. Stef­fen Schind­ler, Inha­ber der Juni­or­pro­fes­sur für Sozio­lo­gie mit dem Schwer­punkt Bil­dung und Arbeit im Lebens­ver­lauf. Dies bele­gen auch Umfra­ge­er­geb­nis­se, bei­spiels­wei­se die jüng­ste Sozi­al­erhe­bung des Deut­schen Stu­den­ten­wer­kes: Von 100 Kin­dern aus Aka­de­mi­ker­fa­mi­li­en stu­die­ren über drei Vier­tel. Von 100 Kin­dern aus Fach­ar­bei­ter­fa­mi­li­en hin­ge­gen gelangt gera­de ein­mal ein Vier­tel an die Hochschule.

Hoch­schul­rei­fe für die Berufsausbildung

Ganz anders erscheint auf den ersten Blick der Anteil von Arbei­ter­kin­dern mit Hoch­schul­rei­fe. In die­sem Bereich haben Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus bil­dungs­fer­nen Fami­li­en auf­ge­holt. Seit den acht­zi­ger Jah­ren ist die Zahl der Arbei­ter­kin­der mit Hoch­schul­rei­fe kon­stant gestie­gen. Doch bis an die Hoch­schu­le setzt sich der Trend nicht fort. „Vie­le Arbei­ter­kin­der ent­schei­den sich trotz Hoch­schul­rei­fe gegen ein Stu­di­um“, so Schind­ler. Drei Fünf­tel und damit mehr als die Hälf­te der Arbei­ter­kin­der mit Hoch­schul­rei­fe stu­diert anschlie­ßend nicht. „Die Hoch­schul­rei­fe hat sich zur fak­ti­schen Zugangs­vor­aus­set­zung für vie­le Aus­bil­dungs­be­ru­fe ent­wickelt“, erklärt Schind­ler. Vie­le Berufs­aus­bil­dun­gen, für die vor ein paar Jahr­zehn­ten noch Haupt- oder Real­schul­ab­schluss aus­rei­chend waren, set­zen heu­te die Hoch­schul­rei­fe vor­aus. „Somit liegt für vie­le Arbei­ter­kin­der in Hin­blick auf die Berufs­aus­bil­dung der Schritt zur Hoch­schul­rei­fe nahe, der wei­te­re Schritt zum Stu­di­um aber nicht“, fasst Schind­ler sei­ne Ergeb­nis­se zusammen.

Und wes­halb stre­ben so vie­le Arbei­ter­kin­der in die Berufs­aus­bil­dung? Hier argu­men­tiert die Bil­dungs­so­zio­lo­gie mit dem Sta­tus­er­halt, einem Modell, das seit meh­re­ren Jahr­zehn­ten als eta­bliert gilt. „Es geht Schul­ab­sol­ven­ten dar­um, den Sta­tus ihrer Eltern zu repro­du­zie­ren“, fasst Schind­ler den Ansatz zusam­men. „Wenn der Sta­tus­er­halt das Ziel ist, reicht für Arbei­ter­kin­der die Berufs­aus­bil­dung“, fol­gert Schind­ler. Umge­kehrt erklärt der Ansatz die star­ke Stu­di­en­be­reit­schaft von Akademikerkindern.

Chan­cen­gleich­heit bei der Hoch­schul­rei­fe? Fehlanzeige!

Trotz der stei­gen­den Zahl von Arbei­ter­kin­dern mit Hoch­schul­rei­fe – auf den zwei­ten Blick zeigt sich: Von wah­rer Chan­cen­gleich­heit kann auch beim Erwerb der Hoch­schul­rei­fe nicht die Rede sein. Seit den 60er Jah­ren wur­den in Deutsch­land neue Mög­lich­kei­ten geschaf­fen, die Hoch­schul­rei­fe zu erwer­ben – außer­halb des klas­si­schen Gym­na­si­ums. Erlan­gen Arbei­ter­kin­der die Hoch­schul­rei­fe, dann meist über die­se alter­na­ti­ven Wege, über Fach­schu­len, Kol­legs und berufs­bil­den­de Schu­len. Zumeist ver­ge­ben die­se Ein­rich­tun­gen die Fach­hoch­schul­rei­fe. „Die Aus­sa­ge, die Arbei­ter­kin­der hät­ten bei der Hoch­schul­rei­fe auf­ge­holt, trifft somit nur mit Ein­schrän­kun­gen zu“, betont Schind­ler. Die mei­sten Arbei­ter­kin­der erwer­ben eine Fach­hoch­schul­rei­fe, ver­fü­gen damit aber über kein vol­les Abitur. Der Anteil von Arbei­ter­kin­dern an den klas­si­schen Abitu­ri­en­ten­zah­len ist hin­ge­gen anhal­tend gering.

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