Sonn­tags­ge­dan­ken: Vom Segen des Gesprächs

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

In sei­nem Dra­ma „Mut­ter Cou­ra­ge“ lässt Bert Brecht einen Mili­tär­geist­li­chen voll­mun­dig erklä­ren, er kön­ne so pre­di­gen, dass den Leu­ten Hören und Sehen ver­ge­he. Dazu meint die Titel­hel­din lako­nisch: „Ich will doch gar nicht, dass mir Hören und Sehen ver­ge­hen.“ Wir Pfar­rer pre­di­gen oft über die Köp­fe der Gemein­de­glie­der hin­weg, an ihnen vor­bei, viel­leicht sehr geist­reich, viel­leicht sozi­al­kri­tisch, all das in bester Absicht und gut vor­be­rei­tet, oft aber vergebens.

Schau­en wir anstatt zu kla­gen lie­ber hin, wie es Jesus macht:
Er traf die Sama­ri­ta­ne­rin bei einer x‑beliebigen Gele­gen­heit am Dorf­brun­nen, dem Kom­mu­ni­ka­ti­ons­zen­trum des Alter­tums. Wo gibt es sol­che Treff­punk­te bei uns? Die Mög­lich­kei­ten zur zwang­lo­sen Begeg­nung wer­den ja immer sel­te­ner. Stamm­ti­sche oder Tan­te-Emma-Läden ver­schwin­den zuneh­mend. Aber wir kön­nen auch beim Spa­zie­ren­ge­hen, in der Kan­ti­ne, wäh­rend der Zug­fahrt mit­ein­an­der ins Gespräch kom­men. Neu­er­dings hat sich das Inter­net zum glo­ba­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platz entwickelt.

Jesus bit­tet die frem­de Frau um ihre Hil­fe, um etwas Was­ser in die­ser Mit­tags­hit­ze. Er ist nicht zu stolz, sei­ne Schwä­che ein­zu­ge­ste­hen. Wir dage­gen tun uns oft schwer damit, wol­len als selbst­si­cher und unab­hän­gig erschei­nen. Wer eine Schwä­che zugibt, gilt ja nichts in unse­rer schein­bar so frei­zü­gi­gen, in Wahr­heit aber gna­den­lo­sen Lei­stungs- und Spaß­ge­sell­schaft. Jesus wen­det sich an eine Frau, höchst unge­wöhn­lich für einen jüdi­schen Rab­bi jener Tage, er wen­det sich an eine Sama­ri­ta­ne­rin, obwohl doch Juden und Sama­ri­ta­ner bit­ter ver­fein­det waren, ja er wen­det sich an eine Frau, die in ihrer eige­nen Gesell­schaft ganz unten steht. Er über­schrei­tet die sozia­len und natio­na­len Schran­ken, durch­bricht Tabus und Vor­ur­tei­le. Wür­den wir heu­te etwa einen kur­di­schen Asyl­be­wer­ber, einen Obdach­lo­sen um Hil­fe bitten?

Fünf­mal war die Sama­ri­ta­ne­rin ver­hei­ra­tet, nicht aus sexu­el­ler Uner­sätt­lich­keit, son­dern aus Not, denn eine allein­ste­hen­de Frau konn­te sich damals nicht durchs Leben schla­gen. Das mosai­sche Gesetz ver­lang­te die soge­nann­te Schwa­ger­ehe, dass also ein Ver­wand­ter die Wit­we ehe­lich­te. Wie sah es in so einer erzwun­ge­nen Ehe wohl aus? Doch die­se unbe­kann­te Sama­ri­ta­ne­rin stand trotz allem fest in ihrem Glau­ben. Das Schlimm­ste am Unglück ist ja nicht das Elend selbst, son­dern der Umstand, dass vie­le so Getrof­fe­ne bit­ter und selbst­mit­lei­dig wer­den, abstump­fen. Jesus aber geht auf die­se Frau ein, nimmt sich Zeit für sie, nimmt sie gewis­ser­ma­ßen bei der Hand, um sie den rech­ten Weg zu füh­ren. Könn­ten doch auch wir so ein­fühl­sam, so vor­sich­tig, so gedul­dig und zugleich so glau­bens­stark mit unse­ren Mit­men­schen reden wie Jesus!

Wei­te­re Sonn­tags­ge­dan­ken

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de

Infos zu Chri­sti­an Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/​Aisch
  • Stu­di­um der evang. Theo­lo­gie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vika­ri­at in Schorn­weiss­ach-Vesten­bergs­greuth 1993 – 1996
  • Pro­mo­ti­on zum Dr. theol. 1995
  • Ordi­na­ti­on zum ev. Pfar­rer 1996
  • Dienst in Nürnberg/​St. Johan­nis 1996 – 1999
  • seit­her in Neustadt/​Aisch
  • blind