Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Qua­li­täts­kon­trol­le auf dem Weg zur Proteinherstellung

Symbolbild Bildung

Neue For­schungs­ar­bei­ten zei­gen, wie feh­ler­haf­te Mole­kü­le sich selbst abbauen

Pro­te­ine, die Bau­stei­ne des Lebens, sind kom­ple­xe Mole­kü­le. Aus­gangs­punkt ihrer Ent­ste­hung in der Zel­le ist die DNA. Die­se ent­hält alle gene­ti­schen Infor­ma­tio­nen eines Orga­nis­mus und somit auch die ‚Bau­plä­ne‘ für ver­schie­den­ste lebens­wich­ti­ge Pro­te­ine. Der Weg vom ‚Bau­plan‘ bis zum fer­ti­gen Pro­te­in ist aber ein mehr­stu­fi­ger und daher feh­ler­an­fäl­li­ger Pro­zess. Eine For­schungs­grup­pe am Cold Spring Har­bor Labo­ra­to­ry (CSHL) in New York ist jetzt einem Mecha­nis­mus auf die Spur gekom­men, der wesent­lich zur Qua­li­täts­kon­trol­le auf dem Weg zur Pro­te­in­her­stel­lung bei­trägt. In der Online-Aus­ga­be der renom­mier­ten Zeit­schrift „Cell“ wer­den die neu­en For­schungs­er­geb­nis­se vor­ge­stellt. Erst­au­tor der Stu­die ist Dr. Claus D. Kuhn, der seit kur­zem ein Labor am For­schungs­zen­trum für Bio-Makro­mo­le­kü­le (BIO­mac) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth leitet.

Ein Pro­te­in, des­sen ‚Bau­plan‘ in der DNA ver­an­kert ist, besteht aus zahl­rei­chen klei­ne­ren Bau­stei­nen. Damit es dem Bau­plan ent­spre­chend her­ge­stellt wer­den kann, müs­sen die­se Bau­stei­ne – es han­delt sich um Ami­no­säu­ren – zunächst ein­mal bereit­ge­stellt wer­den. Die­se Auf­ga­be über­neh­men spe­zi­el­le Trä­ger­mo­le­kü­le, die Trans­fer-RNAs (kurz: tRNAs). Sie wer­den mit unter­schied­li­chen Bau­stei­nen bela­den, die dann ihrer­seits in der rich­ti­gen Rei­hen­fol­ge zum fer­ti­gen Pro­te­in zusam­men­ge­setzt wer­den. Damit eine Trans­fer-RNA mit einem sol­chen Bau­stein bela­den wer­den kann, muss sie zuvor mit einer Nukleo­tid-Drei­er­ket­te aus­ge­stat­tet wer­den. Die­se Ket­te wird auf­grund ihrer Struk­tur „CCA“ genannt. Sie wirkt wie ein Eti­kett, das die jewei­li­ge Trans­fer-RNA als funk­ti­ons­tüch­ti­ges Trä­ger­mo­le­kül kenn­zeich­net. Ein spe­zi­el­les Enzym über­nimmt die Auf­ga­be, ein sol­ches CCA-Eti­kett an die Trans­fer-RNA anzuhängen.

Aber was geschieht, wenn eine Trans­fer-RNA defekt ist und nicht als Trä­ger­mo­le­kül infra­ge kommt? In die­sem Fall, so haben die Wis­sen­schaft­ler her­aus­ge­fun­den, wird es dop­pelt mit dem CCA-Eti­kett aus­ge­stat­tet. Die CCAC­CA-Struk­tur signa­li­siert der Zel­le, dass es sich um ein feh­ler­haf­tes Mole­kül han­delt, das bei der Her­stel­lung von Pro­te­inen nicht ver­wen­det wer­den darf. Infol­ge­des­sen wird die Trans­fer-RNA sehr rasch in der Zel­le abge­baut, so dass die poten­zi­el­le Feh­ler­quel­le besei­tigt ist. „Auf­grund die­ser Erkennt­nis­se haben wir uns natür­lich gefragt: Wie kann das Enzym, das die CCA-Eti­ket­ten an den Trans­fer-RNAs befe­stigt, zwi­schen feh­ler­frei­en und defek­ten Trä­ger­mo­le­kü­len unter­schei­den?“, berich­tet Dr. Kuhn. „Die Ant­wort, die wir mit­hil­fe der Rönt­gen-Kri­stal­lo­gra­phie her­aus­ge­fun­den haben, hat uns über­rascht: Das Enzym ist sozu­sa­gen ein­fäl­tig und besitzt die­se Fähig­keit über­haupt nicht. Es ist viel­mehr die defek­te Trans­fer-RNA, die auf­grund ihrer feh­ler­haf­ten Struk­tur selbst dafür sorgt, dass sie das CCA-Eti­kett in dop­pel­ter Aus­füh­rung erhält. Infol­ge­des­sen wird sie blitz­schnell abge­baut, damit dem Pro­zess der Pro­te­in­her­stel­lung kei­ne feh­ler­haf­ten Trans­fer-RNAs zuge­führt werden.“

Die Rönt­gen­kri­stal­lo­gra­phie macht es mög­lich, vie­le pho­to­gra­phi­sche Auf­nah­men eines Mole­küls in unter­schied­li­chen Sta­di­en her­zu­stel­len. Auf die­se Wei­se hat die For­scher­grup­pe den Mecha­nis­mus auf­klä­ren kön­nen, der bewirkt, dass defek­te Trans­fer-RNAs – und nur sie – als feh­ler­haft mar­kiert wer­den. Das Enzym umklam­mert jede ein­zel­ne Trans­fer-RNA wie ein Schraub­stock und ver­setzt sie eine schrau­ben­för­mi­ge Bewe­gung. Wäh­rend­des­sen befe­stigt es die drei Bestand­tei­le des CCA-Eti­ketts auf der Trans­fer-RNA. Anschlie­ßend ver­sucht das Enzym, die­sen Pro­zess zu wie­der­ho­len. Funk­ti­ons­tüch­ti­ge Trans­fer-RNAs kön­nen sich die­sem Ver­such ent­zie­hen, indem sie vom Enzym abfal­len. Feh­ler­haf­te Trans­fer-RNAs sind hin­ge­gen insta­bi­ler und fle­xi­bler. Sie kön­nen daher nicht ver­hin­dern, dass sie ein zwei­tes CCA-Eti­kett erhalten.

„Die­se Form der Qua­li­täts­kon­trol­le bei der Pro­te­in­her­stel­lung war der For­schung bis­her unbe­kannt. Wir haben hier erst­mals einen Mecha­nis­mus ent­deckt, mit dem Trä­ger­mo­le­kü­le sich selbst kon­trol­lie­ren – und sich letzt­lich selbst abbau­en, falls sie die Pro­duk­ti­on feh­ler­frei­er Pro­te­ine gefähr­den“, erläu­tert Dr. Claus D. Kuhn. Nach sei­nem mehr­jäh­ri­gen For­schungs­auf­ent­halt in New York wird er an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth die­se grund­le­gen­den For­schungs­ar­bei­ten zur Wech­sel­wir­kung zwi­schen RNA und Pro­te­inen ver­tie­fen. Das Eli­te­netz­werk Bay­ern för­dert dafür ein am For­schungs­zen­trum BIO­mac ein­ge­rich­te­tes Labor, in dem vier hoch­qua­li­fi­zier­te Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter koope­rie­ren. „Die Infra­struk­tur für struk­tur­bio­lo­gi­sche Grund­la­gen­for­schung ist hier her­vor­ra­gend, und ich freue mich schon auf die Zusam­men­ar­beit mit den struk­tur­bio­lo­gi­schen und bio­che­mi­schen Arbeits­grup­pen in Bay­reuth auf die­sem span­nen­den For­schungs­ge­biet“, so der Bay­reu­ther Biochemiker.

Die For­schungs­ar­bei­ten am Cold Spring Har­bor Labo­ra­to­ry (CSHL) in New York wur­den von zahl­rei­chen U.S.-amerikanischen Ein­rich­tun­gen unter­stützt: dem Howard Hug­hes Medi­cal Insti­tu­te, den US Natio­nal Insti­tu­tes of Health, dem Jane Coff­in Childs Memo­ri­al Fund for Medi­cal Rese­arch, dem Robert­son Rese­arch Fund of Cold Spring Har­bor Labo­ra­to­ry und nicht zuletzt dem Cold Spring Har­bor Labo­ra­to­ry Women in Sci­ence Award.

Ver­öf­fent­li­chung:
Claus‑D. Kuhn, Jere­my E. Wilusz, Yuxu­an Zheng, Peter A. Beal, and Lee­mor Joshua-Tor,
On-Enzy­me Refol­ding Per­mits Small RNA and tRNA Sur­veil­lan­ce by the CCA-Adding Enzyme,
Cell (2015), DOI: 10.1016/j.cell.2015.01.005