Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Kli­ma­wan­del und Vege­ta­ti­on in der Sahelzone

Symbolbild Bildung

Kli­ma, Umwelt und Vege­ta­ti­on im west­afri­ka­ni­schen Sahel

Neue For­schungs­ar­bei­ten bele­gen: Nicht allein der glo­ba­le Kli­ma­wan­del, son­dern vor allem das loka­le Han­deln der Men­schen prägt das Gesicht ihrer Umwelt.

Brei­ten sich die Wüsten der Erde unauf­halt­sam aus? Oder dringt grü­ne Vege­ta­ti­on in die bis­he­ri­gen Wüsten­ge­bie­te ein? Der west­afri­ka­ni­sche Abschnitt der Sahel­zo­ne, die sich am süd­li­chen Rand der Saha­ra vom Atlan­tik bis zum Roten Meer erstreckt, hat in den letz­ten Jah­ren Anlass für die unter­schied­lich­sten Pro­gno­sen gege­ben. Extre­me Dür­re­pe­ri­oden in den 1970er und 1980er Jah­ren gal­ten als Indiz dafür, dass sich die Wüsten­ge­bie­te der Erde ver­grö­ßern. „Deser­ti­fi­ka­ti­on“ lau­te­te das Schlag­wort. Seit unge­fähr zwei Jahr­zehn­ten ist jedoch ein Anstieg der Nie­der­schlä­ge im west­afri­ka­ni­schen Sahel zu beob­ach­ten. Daher wird oft pau­schal die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass „die Wüste ergrünt“.

Land­nut­zung als ent­schei­den­der Faktor

Vor dem Hin­ter­grund die­ser Kon­tro­ver­se hat ein inter­na­tio­na­les For­schungs­team um Dipl.-Geogr. Mar­tin Brandt an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth die Ent­wick­lung im west­afri­ka­ni­schen Sahel genau­er unter­sucht. Hoch- und grob­auf­lö­sen­de Satel­li­ten­auf­nah­men sowie eine Viel­zahl von Mess­ergeb­nis­sen aus den letz­ten Jahr­zehn­ten ermög­lich­ten Rück­schlüs­se auf Kli­ma- und Vege­ta­ti­ons­trends; Feld­for­schun­gen för­der­ten regio­na­le und loka­le Beson­der­hei­ten zuta­ge. Dabei stell­te sich her­aus: Eine ein­heit­li­che Ent­wick­lung gibt es im west­afri­ka­ni­schen Sahel nicht. Denn nicht allein das Kli­ma, son­dern ins­be­son­de­re die unter­schied­li­chen For­men der Land­nut­zung – Land­bau, Forst­wirt­schaft oder Dorf­bau – sind wesent­lich dafür ver­ant­wort­lich, wie die Land­schaft dort heu­te aus­sieht und wel­che Res­sour­cen sie den Men­schen bietet.

Im Fach­jour­nal „remo­te sens­ing“ berich­ten die For­scher aus Bay­reuth, Frank­reich, Spa­ni­en und dem Sene­gal über ihre Ergeb­nis­se. „Das Han­deln der Men­schen vor Ort, bei­spiels­wei­se der nach­hal­ti­ge Anbau aus­ge­wähl­ter Grün­pflan­zen oder die Auf­for­stung von Wäl­dern, kann das Gesicht einer Land­schaft erheb­lich beein­flus­sen“, erklärt Mar­tin Brandt. „Sol­che Initia­ti­ven und Maß­nah­men aus der loka­len Bevöl­ke­rung sind von groß­räu­mi­gen kli­ma­ti­schen Trends viel weni­ger abhän­gig, als man bis­wei­len ange­nom­men hat. Des­halb soll­te sich die Umwelt- und Kli­ma­for­schung nicht ein­sei­tig von pau­scha­len Schlag­wor­ten wie ‚Deser­ti­fi­ka­ti­on‘ oder ‚Gree­ning Sahel‘ lei­ten lassen.“

Regio­na­le Unter­schie­de durch Land- und Forst­wirt­schaft – Fall­stu­di­en in Mali und im Senegal

Auf­grund einer Serie von Satel­li­ten­auf­nah­men, die in einer dich­ten zeit­li­chen Abfol­ge ent­stan­den sind, konn­te die For­scher­grup­pe fest­stel­len, dass die Vege­ta­ti­ons­dich­te im west­afri­ka­ni­schen Sahel von 1982 bis 2010 zuge­nom­men hat. Im Sene­gal und im west­li­chen Mali ist die­se Ent­wick­lung beson­ders aus­ge­prägt. Dabei gibt es unver­kenn­ba­re regio­na­le Unter­schie­de hin­sicht­lich der Pflan­zen, die sich im Lau­fe der Zeit ver­mehrt haben: Es han­delt sich dabei nicht nur um wild­wach­sen­de Bäu­me, Sträu­cher oder Grä­ser, son­dern vor allem auch um Kul­tur­pflan­zen, die infol­ge land- oder forst­wirt­schaft­li­cher Maß­nah­men gedei­hen konn­ten. Ins­ge­samt fällt auf, dass in den Län­dern West­afri­kas – mit Aus­nah­me Gam­bi­as und der Elfen­bein­kü­ste – die Wald­be­stän­de deut­lich zurück­ge­gan­gen sind, obwohl die Vege­ta­ti­ons­dich­te ins­ge­samt ange­stie­gen ist.

Die Feld­for­schun­gen von Mar­tin Brandt kon­zen­trier­ten sich auf zwei Regio­nen im Sene­gal und in Mali: Das Gebiet um die Stadt Ban­dia­ga­ra im Süden Malis hat in den letz­ten 50 Jah­ren eine völ­li­ge Umwand­lung sei­ner Vege­ta­ti­on erlebt: Zahl­rei­che Baum- und Busch­ar­ten, wel­che das Land­schafts­bild in den 1960er Jah­ren noch bestimm­ten, sind heu­te aus­ge­stor­ben. Dür­re­pe­ri­oden schä­dig­ten die Pflan­zen nicht allein durch den unmit­tel­ba­ren Was­ser­man­gel. Weil die Ein­kom­men aus der Land­wirt­schaft infol­ge schlech­ter Ern­ten san­ken, ver­such­ten die Men­schen die­se Ver­lu­ste durch das Fäl­len von Bäu­men und den Ver­kauf des Hol­zes aus­zu­glei­chen. Mitt­ler­wei­le ist jedoch eine vege­ta­ti­ons­rei­che Kul­tur­land­schaft ent­stan­den – und zwar nicht allein des­halb, weil die Nie­der­schlags­men­gen seit zwei Jahr­zehn­ten gestie­gen und lan­ge Dür­re­pe­ri­oden aus­ge­blie­ben sind. „Eine geziel­te Auf­for­stung und die Anpflan­zung von Bäu­men auf land­wirt­schaft­lich genutz­ten Flä­chen haben das Land­schafts­bild wesent­lich ver­än­dert“, berich­tet Mar­tin Brandt und fügt hin­zu: „Ohne ein aus­ge­präg­tes bota­ni­sches und öko­lo­gi­sches Wis­sen der loka­len Bevöl­ke­rung wäre die­se Ent­wick­lung nicht mög­lich gewesen.“

Den Wan­del hin zu einer Kul­tur­land­schaft konn­ten die Bay­reu­ther For­scher auch in einer wei­te­ren Regi­on fest­stel­len, die sich im Sene­gal nörd­lich der Stadt Lin­guè­re befin­det. Die­se Gegend wird haupt­säch­lich von Noma­den besie­delt, die der Eth­nie der Ful­be ange­hö­ren und eine inten­si­ve Wei­de­wirt­schaft betrei­ben. Um ihre Tie­re in Trocken­zei­ten mit Blättern
zu ernäh­ren, beschnei­den oder fäl­len sie in trocke­nen Zei­ten Bäu­me und Sträu­cher. Gleich­wohl haben staat­lich geför­der­te Auf­for­stungs- und Schutz­maß­nah­men dazu geführt, dass die Vege­ta­ti­on seit zwei Jahr­zehn­ten deut­lich zuge­nom­men hat und gegen­über Kli­ma­schwan­kun­gen anpas­sungs­fä­hi­ger gewor­den ist. Drei beson­ders wider­stands­fä­hi­ge Baum­ar­ten machen in der Regi­on um Lin­guè­re heu­te mehr als 90 Pro­zent der Baum­ve­ge­ta­ti­on aus.

„Allein in der unmit­tel­ba­ren Nähe der Stadt befin­den sich ein­ge­zäun­te Flä­chen von min­de­stens 5.000 Hekt­ar, auf denen eine spe­zi­el­le Aka­zi­en­art ange­sie­delt wur­de“, so Mar­tin Brandt. Er ver­weist aber auch auf die unver­kenn­ba­ren Schä­den, die in eini­gen Gebie­ten durch eine Über­nut­zung des Baum­be­stan­des ent­stan­den sei­en. Die­se völ­lig ent­wal­de­ten Böden lie­ßen sich nur schwer rege­ne­rie­ren – ein Bei­spiel dafür, dass sich Ein­grif­fe des Men­schen in die Vege­ta­ti­on zer­stö­re­risch aus­wir­ken kön­nen, wenn sie nicht mit öko­lo­gi­scher Weit­sicht einhergehen.

Ein­grif­fe des Men­schen för­dern eine dif­fe­ren­zier­te Kul­tur­land­schaft – Plä­doy­er für eine For­schung ohne pau­scha­le Schlagworte

Die jetzt ver­öf­fent­lich­ten For­schungs­er­geb­nis­se wider­spre­chen der The­se, der west­afri­ka­ni­sche Sahel sei infol­ge eines welt­wei­ten Kli­ma­wan­dels not­wen­di­ger­wei­se von einer fort­schrei­ten­den Wüsten­bil­dung betrof­fen. Eben­so aber wider­le­gen sie die Vor­stel­lung, das „Ergrü­nen der Wüste“ sei bei stei­gen­den jähr­li­chen Nie­der­schlä­gen gleich­sam ein Selbst­läu­fer. Die­se mode­ra­te Trend­um­kehr nach schwe­ren Dür­re­pe­ri­oden för­dert zwar den Anstieg der Vege­ta­ti­ons­dich­te. Aber sie bedeu­tet weder eine Rück­kehr zu den­je­ni­gen Ver­hält­nis­sen, die vor die­sen kli­ma­ti­schen Extrem­ereig­nis­sen exi­stiert haben, noch bewirkt
sie auto­ma­tisch eine flä­chen­decken­de Aus­brei­tung grü­ner Vege­ta­ti­on. Viel­mehr haben

anthro­po­ge­ne Fak­to­ren – und umge­kehrt auch ihre Abwe­sen­heit – einen ent­schei­den­den Ein­fluss auf Land­schaft und Vege­ta­ti­on. Ziel­ge­naue Maß­nah­men in der Land- und Forst­wirt­schaft, die sich am wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­stand ori­en­tie­ren, kön­nen die Ent­ste­hung einer dif­fe­ren­zier­ten Kul­tur­land­schaft wesent­lich voranbringen.

Dar­in sieht Mar­tin Brandt, der in Kür­ze sei­ne Pro­mo­ti­on an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth abschlie­ßen wird, auch einen Anlass zur Hoff­nung: „Falls die Pro­gno­sen des Kli­ma­rats der Ver­ein­ten Natio­nen zutref­fen, wer­den sich die Lebens­be­din­gun­gen in eini­gen trockenen
und halb­trocke­nen Regio­nen West­afri­kas – vor allem im Bereich der Sahel­zo­ne – wie­der ver­schär­fen. Geeig­ne­te Kon­zep­te für die Land- und Forst­wirt­schaft und für den Umwelt­schutz bie­ten aber eine Chan­ce, sich recht­zei­tig sol­chen Kli­ma­ent­wick­lun­gen anzu­pas­sen und ihre Fol­gen für den Men­schen abzumildern.“

Ver­öf­fent­li­chun­gen:

Mar­tin Brandt, Aleix­and­re Ver­ger, Abdoul Aziz Diouf, Fre­de­ric Baret and Cyrus Samimi,

Local Vege­ta­ti­on Trends in the Sahel of Mali and Sene­gal Using Long Time Series FAPAR Satel­li­te Pro­ducts and Field Mea­su­re­ment (1982–2010),

in: Remo­te Sens­ing 2014, 6, pp. 2408–2434
DOI:10.3390/rs6032408

sie­he auch

Mar­tin Brandt, Cle­mens Roman­kie­wicz, Rapha­el Spie­ker­mann, Cyrus Samimi,Environmental chan­ge in time series – An inter­di­sci­pli­na­ry stu­dy in the Sahel of Mali and Senegal,
in: Jour­nal of Arid Envi­ron­ments 105 (2014), S. 52 – 63,
DOI: 10.1016/j.jaridenv.2014.02.019

und

Mar­tin Brandt, Hei­ko Paeth, Cyrus Samimi,

Vege­ta­ti­ons­ver­än­de­run­gen in West­afri­ka – Spie­gel von Kli­ma­wan­del und Landnutzung,

in: Geo­gra­phi­sche Rund­schau 9 (2013), S. 36 – 42