Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Neue Erkennt­nis­se zum Alter des Mondes

Symbolbild Bildung

Wie alt ist der Mond? Berech­nun­gen, die auf radio­me­tri­schen Metho­den beru­hen, haben bis­her zu unter­schied­li­chen Ergeb­nis­sen geführt, die von 30 bis 100 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Ursprung unse­res Son­nen­sy­stems rei­chen. Ein inter­na­tio­na­les For­schungs­team um Prof. Dr. David Rubie am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI), einem For­schungs­zen­trum der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, hat jetzt ein völ­lig neu­es Ver­fah­ren ent­wickelt und ange­wen­det, um die Ent­ste­hungs­zeit des Mon­des zu bestim­men – unab­hän­gig vom radio­ak­ti­ven Zer­fall von Atom­ker­nen im Mond­ge­stein. Dar­über berich­ten die Wis­sen­schaft­ler in der aktu­el­len Aus­ga­be des Wis­sen­schafts­ma­ga­zins „Natu­re“.

Das Ergeb­nis die­ser For­schungs­ar­bei­ten lau­tet: Der Mond ist frü­he­stens 63 Mil­lio­nen Jah­re und spä­te­stens 127 Mil­lio­nen Jah­re nach unse­rem Son­nen­sy­stem ent­stan­den; genau­er: nach­dem sich aus der gas­för­mi­gen „Urwol­ke“ die ersten Pla­ne­ten her­aus­ge­bil­det haben. Die­ser Pro­zess ereig­ne­te sich, dar­in ist sich die Pla­ne­ten­for­schung heu­te einig, vor rund 4,6 Mil­li­ar­den Jah­ren. Die jetzt in „Natu­re“ vor­ge­stell­te Alters­be­stim­mung des Mon­des bestä­tigt somit eini­ge, aber nicht alle bis­he­ri­gen Datie­run­gen. Sie wider­legt ins­be­son­de­re die­je­ni­gen Berech­nun­gen, wel­che die Ent­ste­hung des Mon­des deut­lich frü­her – näm­lich rund 30 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Ursprung des Son­nen­sy­stems – anset­zen wollten.

Geför­dert durch einen ERC Advan­ced Grant: Simu­la­ti­ons­expe­ri­men­te zur Ent­ste­hung der ter­re­stri­schen Planeten

Die For­schungs­ar­bei­ten, die schließ­lich zur neu­en Alters­be­stim­mung des Mon­des geführt haben, ziel­ten zunächst dar­auf ab, genaue­re Erkennt­nis­se über die Ent­ste­hung von Mer­kur, Venus, Erde und Mars zu gewin­nen. Die­se Pla­ne­ten wer­den als „ter­re­stri­sche Pla­ne­ten“ oder auch als „inne­re Pla­ne­ten“ des Son­nen­sy­stems bezeich­net. Sie haben sich dadurch her­aus­ge­bil­det, dass vie­le Tau­sen­de von pla­ne­ta­ri­schen Klein­kör­pern um die Son­ne rotier­ten und dabei all­mäh­lich zu grö­ße­ren Mas­sen zusam­men­ge­wach­sen sind. Die­se Akku­mu­la­ti­on, die für die Ent­wick­lungs­ge­schich­te der ter­re­stri­schen Pla­ne­ten bestim­mend gewe­sen ist, haben die Wis­sen­schaft­ler in über 250 Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen nach­ge­ahmt. Zusam­men mit Prof. Dr. David Rubie am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) waren auch Astro­phy­si­ker und Pla­ne­to­lo­gen aus Frank­reich und den USA an die­sen Unter­su­chun­gen betei­ligt; ins­be­son­de­re Dr. Seth A. Jacob­son, der sowohl am BGI als auch am Obser­va­toire de la Côte d’Azur in Niz­za tätig ist, sowie Prof. Dr. Ales­san­dro Mor­bi­del­li in Niz­za. Die For­schungs­ar­bei­ten wur­den aus dem Pro­gramm „ACCRE­TE“ geför­dert. Der Euro­päi­sche For­schungs­rat (ERC) hat­te Prof. Rubie im Jahr 2011 für die­ses Pro­jekt mit einem ERC Advan­ced Grant ausgezeichnet.

Der „Giant impact“ und sei­ne Fol­gen: Die Ent­ste­hung des Mon­des und Ver­än­de­run­gen im Erdmantel

Wie war es auf der Grund­la­ge der Simu­la­tio­nen mög­lich, das Alter des Mon­des neu zu bestim­men? Die Wis­sen­schaft­ler konn­ten dabei an eine Hypo­the­se anknüp­fen, die in der Fach­welt als gut begrün­det gilt und sich weit­ge­hend durch­ge­setzt hat: Im Ver­lauf der Ent­ste­hungs­ge­schich­te der ter­re­stri­schen Pla­ne­ten ist ein pla­ne­ta­ri­scher Kör­per – unge­fähr von der Grö­ße des Mars – auf den Vor­läu­fer der Erde geprallt, die sich zu die­sem Zeit­punkt bereits als Pla­net mit festem Gesteins­man­tel her­aus­ge­bil­det hat­te. Infol­ge die­ses Auf­pralls wur­den rie­si­ge Wol­ken von Staub und Gesteins­brocken in die Erd­um­lauf­bahn geschleu­dert. Hier akku­mu­lier­ten sie zu einer immer grö­ße­ren Mas­se: den Mond.
Gleich­zei­tig aber löste der auf­ge­prall­te pla­ne­ta­re Kör­per auf der Erde erheb­li­che Schmelz­pro­zes­se aus. Dabei wur­de Eisen, das im Man­tel der Erde ein­ge­la­gert war, geschmol­zen und sank auf­grund sei­ner hohen Dich­te zur Mit­te der Erde, wo es den Erd­kern bil­de­te. Nicht nur Eisen, son­dern auch die­je­ni­gen che­mi­schen Ele­men­te, die als „side­ro­phil“ („eisen­lie­bend“) bezeich­net wer­den, weil sie vor­zugs­wei­se zusam­men mit Eisen auf­tre­ten, wur­den aus dem Man­tel gelöst. Sie wan­der­ten eben­falls in den Erd­kern. Es han­delt sich dabei unter ande­rem um Gold, Iri­di­um, Ruthe­ni­um, Rhe­ni­um, Osmi­um und Pla­tin. Dies bedeu­tet: Wäh­rend sich in der Erd­um­lauf­bahn der Mond bil­de­te, waren im Erd­man­tel kei­ne oder fast kei­ne side­ro­phi­len Ele­men­te mehr vorhanden.

Par­al­le­le Ent­wick­lun­gen: Die Zunah­me der Erd­mas­se und der side­ro­phi­len Ele­men­te im Erdmantel

Nun ent­hält aber der heu­ti­ge Erd­man­tel erheb­li­che Antei­le von side­ro­phi­len Ele­men­ten. Über deren Her­kunft ist man sich in der Pla­ne­ten­for­schung und in der Astro­phy­sik einig. Nach dem „Giant impact“, dem Auf­prall des pla­ne­ta­ren Kör­pers, sind fort­lau­fend grö­ße­re und klei­ne­re Gesteins­men­gen aus dem Son­nen­sy­stem auf der Erde nie­der­ge­gan­gen. Im Lau­fe von Jahr­mil­lio­nen haben sie die Mas­se der Erde ste­tig ver­grö­ßert, und sie haben dabei auch den Erd­man­tel wie­der mit side­ro­phi­len Ele­men­ten „auf­ge­füllt“.
Die geo­che­mi­sche For­schung kann die­se Antei­le side­ro­phi­ler Ele­men­te im Erd­man­tel mit hoher Genau­ig­keit bestim­men. Auf­grund von empi­ri­schen Daten und theo­re­ti­schen Berech­nun­gen hat sich her­aus­ge­stellt: Die Zunah­me der Erd­mas­se nach dem „Giant impact“ ist pro­por­tio­nal zum Anstieg der side­ro­phi­len Ele­men­te im Erd­man­tel ver­lau­fen. Des­halb lässt sich aus den heu­ti­gen Kon­zen­tra­tio­nen die­ser Ele­men­te im Erd­man­tel zuver­läs­sig ablei­ten, wie viel die Erde in den Mil­lio­nen von Jah­ren nach dem gro­ßen Auf­prall zuge­nom­men hat; oder anders gesagt: wie groß die Gesamt­mas­se der Gesteins­men­gen ist, die danach auf die Erde ein­ge­stürzt sind. Neue­sten geo­che­mi­schen Berech­nun­gen zufol­ge sind weni­ger als 1 Pro­zent der heu­ti­gen Erd­mas­se auf die­sen Zuwachs zurückzuführen.

Eine geo­lo­gi­sche Uhr: unab­hän­gig von radio­me­tri­schen Messungen

Genau an die­sem Punkt setzt das Team um Prof. Rubie an. Die Pla­ne­to­lo­gen und Astro­phy­si­ker haben die For­schungs­ar­bei­ten, in denen sie die Her­aus­bil­dung der ter­re­stri­schen Pla­ne­ten im Son­nen­sy­stems simu­liert haben, im Hin­blick auf die Fra­ge aus­ge­wer­tet: Wann hat es ein Zeit­fen­ster gege­ben, in dem sich die Erd­mas­se in die­ser Wei­se ver­grö­ßern konn­te? Einen sol­chen Zeit­raum haben die Wis­sen­schaft­ler tat­säch­lich ent­deckt. Und weil der „Giant impact“ sich unmit­tel­bar vor die­sem Zeit­raum ereig­net haben muss, lässt sich auch die Ent­ste­hung des Mon­des ent­spre­chend datie­ren: nicht eher als 63 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Ursprung des Son­nen­sy­stems, aber auch nicht mehr als 127 Mil­lio­nen Jah­re später.

„Unse­re Simu­la­tio­nen haben uns in Ver­bin­dung mit der geo­che­mi­schen For­schung eine geo­lo­gi­sche Uhr in die Hand gege­ben, mit denen wir pla­ne­ten­ge­schicht­li­che Pro­zes­se wie die Ent­ste­hung des Mon­des völ­lig unab­hän­gig von radio­me­tri­schen Ver­fah­ren datie­ren kön­nen“, erklärt Prof. Rubie. „Wir sind also nicht mehr län­ger abhän­gig von der Mes­sung und Inter­pre­ta­ti­on des radio­ak­ti­ven Zer­falls in Ato­men – und kom­men zugleich zu genaue­ren Ergebnissen.“

Ver­öf­fent­li­chung:

Seth A. Jacob­son, Ales­san­dro Mor­bi­del­li, Sean N. Ray­mond, David P. O’Brien,
Kevin J. Walsh and David C. Rubie,
High­ly side­ro­phi­le ele­ments in Earth’s man­t­le as a clock for the Moon-forming impact
Natu­re 508, 84–87 (03 April 2014) – doi:10.1038/nature13172
Published online 02 April 2014

sie­he auch:

John Cham­bers,
Pla­ne­ta­ry sci­ence: A chro­no­me­ter for Earth’s age
Natu­re 508, 51–52 (03 April 2014) – doi:10.1038/508051a
Published online 02 April 2014