Akteu­re des Medi­cal Val­ley EMN fürch­ten Innovationsbremse

Ein zahn­lo­ser Papiertiger?

Die Nach­richt der geplan­ten Neue­rung der Medi­zin­pro­duk­te­ver­ord­nung des EU-Par­la­ments, die euro­pa­weit eine Ver­schär­fung der Zulas­sungs- und Beschei­ni­gungs­ver­fah­ren von Medi­zin­pro­duk­ten vor­sieht, stößt im Medi­cal Val­ley Euro­päi­sche Metro­pol­re­gi­on Nürn­berg (EMN) auf Kri­tik. Akteu­re aus dem Spit­zen­clu­ster für Medi­zin­tech­nik fürch­ten einen mas­si­ven Kosten- und Büro­kra­tie­an­stieg. Er könn­te es vor allem klei­nen und mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men sowie Start-ups der Bran­che erschwe­ren, neue Pro­duk­te und Ver­fah­ren auf den Markt zu brin­gen – zu Lasten der Patienten.

„Medi­zin­pro­duk­te mit CE-Kenn­zeich­nung garan­tie­ren in Deutsch­land bereits zum jet­zi­gen Zeit­punkt höch­ste Wirk­sam­keit und Qua­li­tät. Sie durch­lau­fen sicherheits‑, aber auch für den Her­stel­ler zeit- und kosten­in­ten­si­ve Zulas­sungs- und Prüf­ver­fah­ren, die denen eines Flug­zeu­ges ent­spre­chen. Alle zer­ti­fi­zier­ten Her­stel­ler im Medi­cal Val­ley EMN set­zen die exi­stie­ren­den Vor­ga­ben im Sin­ne der Pati­en­ten­si­cher­heit um und geben Anwen­dern medi­zin­tech­ni­sche Pro­duk­te und Dienst­lei­stun­gen mit einem Höchst­maß an Sicher­heit und kli­ni­scher Wirk­sam­keit an die Hand. Die Neue­rung der Medi­zin­pro­duk­te­ver­ord­nung könn­te dazu füh­ren, dass bahn­bre­chen­de Behand­lungs­ver­fah­ren künf­tig wesent­lich spä­ter dem Pati­en­ten zur Ver­fü­gung ste­hen und deut­lich teu­rer wer­den“, so Prof. Dr. Erich R. Rein­hardt, Vor­stands­vor­sit­zen­der des Medi­cal Val­ley EMM e. V.

Inno­va­ti­ons­kul­tur in Gefahr

Leid­tra­gen­de der geplan­ten Ver­än­de­run­gen sei­en vor allem die klei­ne­ren und mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men, ins­be­son­de­re aber die Start-ups, pro­gno­sti­ziert Dr. Robert Pfef­fer, Chief Finan­cial Offi­cer des 20 Mit­ar­bei­ter star­ken Med-Tech-Unter­neh­mens und Uni­ver­si­täts-Spin-offs cer­bo­med. „Der Mit­tel­stand ist hier­zu­lan­de die Keim­zel­le für Inno­va­ti­on. Ich kann nicht nach­voll­zie­hen, war­um man ohne Not ris­kiert, einen deut­schen Wett­be­werbs­vor­teil kaputt zu machen.“ Auch Dr. Hol­ger Brün­ner, Geschäfts­füh­rer der Visio­Craft GmbH, eines zer­ti­fi­zier­ten Her­stel­lers für oph­thal­mo­lo­gi­sche Mess- und The­ra­pie­sy­ste­me mit Sitz in Erlan­gen, fürch­tet, dass eine wei­te­re Ver­schär­fung der Zulas­sungs­bü­ro­kra­tie klei­ne­re inno­va­ti­ve Fir­men aus dem Markt her­aus­drän­gen, wie auch zukünf­ti­ge Neu- und Aus­grün­dun­gen ver­hin­dern wür­de. Aktu­ell sind etwa 90 Pro­zent der Fir­men in der Medi­zin­tech­nik-Bran­che KMUs. Gera­de in der Euro­päi­schen Metro­pol­re­gi­on Nürn­berg sichern die­se Unter­neh­men ein hohes Maß an Wirt­schafts­kraft, Inno­va­ti­ons­lei­stung und Arbeitsplätzen.

Hoher Auf­wand, hohe Kosten

Der inter­ne Auf­wand des Zulas­sungs- und Qua­li­täts­ma­nage­ment­ver­fah­rens und die zusätz­li­che finan­zi­el­le Bela­stung for­der­ten vor allem klei­ne Unter­neh­men: Im Schnitt machen die Kosten eines jeden Zulas­sungs- und Prüf­ver­fah­rens zehn Pro­zent des gesam­ten Ent­wick­lungs­bud­gets eines Medi­zin­pro­duk­tes aus. Kli­ni­sche Stu­di­en sind hier noch nicht mit ein­ge­rech­net. „Das aktu­el­le Zulas­sungs­ver­fah­ren ist im Sin­ne der Anwen­der und Pati­en­ten bereits hoch­gra­dig regu­liert und sicher­heits­in­ten­siv. Eine wei­te­re büro­kra­ti­sche Ver­schär­fung des Zulas­sungs­ver­fah­rens tut nichts für den Pati­en­ten, son­dern geht allein zu Lasten der Ent­wick­ler“, so Dr. Pfef­fer. Auch Dr. Brün­ner erläu­tert: „Die geplan­te Neue­rung der Medi­zin­pro­duk­te­ver­ord­nung ist ein zahn­lo­ser Papier­ti­ger, der kei­ne sub­stan­ti­el­len Fort­schrit­te bringt. Anstel­le pla­ka­ti­ver Akti­vi­täts­schü­be der Poli­tik brau­chen die Inno­va­ti­ons­trä­ger kla­re, ver­läss­li­che und nach­voll­zieh­ba­re Weg­wei­sun­gen – und die Aner­ken­nung, dass inno­va­ti­ve Medi­zin­tech­nik mit maxi­ma­lem Nut­zen und Sicher­heit für den Pati­en­ten auch einen Auf­wand für die Her­stel­lung bedeu­tet, der sich dann auch in den Kosten­struk­tu­ren der Gesund­heits­für­sor­ge wie­der­fin­den muss.“

Strikt und sicher

Die Medi­zin­pro­duk­te­ver­ord­nung unter­teilt Medi­zin­pro­duk­te aktu­ell in vier Risi­koklas­sen, Klas­se, I, IIa, IIb und III, mit unter­schied­lich strik­ten Zulas­sungs- und Prüf­vor­ga­ben. Implan­ta­te wie Hüft­pro­the­sen und Herz­schritt­ma­cher zäh­len zur höch­sten Risi­koklas­se III. Sie müs­sen damit sowohl tech­ni­sche Sicher­heits­tests nach spe­zi­el­len Prüf­nor­men absol­vie­ren als auch ihre Lei­stungs­fä­hig­keit mit­tels kli­ni­scher Stu­di­en nach­wei­sen. Ein Herz­schritt­ma­cher hat einen inter­nen Test­auf­wand von fast 40.000 Stun­den. Soge­nann­te Benann­te Stel­len, die vom Staat beauf­tragt und über­wacht wer­den, prü­fen schließ­lich die Sicher­heit und Lei­stungs­fä­hig­keit der Pro­duk­te. Erst wenn die­se Pro­zes­se erfolg­reich abge­schlos­sen sind, erhält ein Her­stel­ler die CE-Kenn­zeich­nung für sein Pro­dukt. Mit jähr­li­chen Wie­der­ho­lungs­au­dits und mit Rezer­ti­fi­zie­rungs­au­dits, die spä­te­stens alle fünf Jah­re statt­fin­den, wer­den Her­stel­ler auch nach der Zulas­sung in die Pflicht genom­men und die Wirk­sam­keit der Pro­duk­te kon­ti­nu­ier­lich sicher­ge­stellt. „Pati­en­ten kön­nen sich sicher sein: Eine CE-Kenn­zeich­nung nach dem jet­zi­gen Muster bürgt bereits nach­weis­lich für die Qua­li­tät, Sicher­heit und Lei­stungs­fä­hig­keit von Medi­zin­pro­duk­ten“, so Dr. Robert Pfeffer.