Bam­ber­ger Poli­tik­wis­sen­schaft­ler erfor­schen den digi­ta­len Wahlkampf

Symbolbild Bildung

Som­mer 2013 – Wahl­kampf­zeit! Poli­ti­ker ver­su­chen nun, mit mög­lichst allen Medi­en mög­lichst vie­le Stim­men zu gewin­nen. Online-Kam­pa­gnen sind des­halb fester Bestand­teil von Wahl­kampf-Kam­pa­gnen. Den aktu­el­len wis­sen­schaft­li­chen Stand zum The­ma „Inter­net im Wahl­kampf“ haben die Bam­ber­ger Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Andre­as Jung­herr und Harald Schoen nun zusammengefasst.

Alle nut­zen das Netz: Poli­ti­ker und Par­tei­en ver­kün­den dort ihre Bot­schaf­ten, Bür­ger infor­mie­ren sich über das poli­ti­sche Gesche­hen. Eine wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chung über Ein­satz­mög­lich­kei­ten und Wir­kun­gen des Inter­nets in Wahl­kämp­fen ver­öf­fent­lich­ten Prof. Dr. Harald Schoen, Lehr­stuhl für Poli­ti­sche Sozio­lo­gie, und sein Mit­ar­bei­ter Andre­as Jung­herr. Das Buch steht als E‑Book kosten­los auf den Sei­ten der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung  www​.kas​.de/​w​f​/​d​e​/​3​3​.​3​4​8​55/

Andre­as Jung­herr pro­mo­viert der­zeit zum The­ma „Poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on in sozia­len Net­zen“ und unter­sucht, wie sich poli­ti­sches Tages­ge­sche­hen und Kam­pa­gnen online nie­der­schla­gen. Er unter­teilt die Funk­ti­on des Inter­nets für Wahl­kam­pa­gnen in drei Berei­che: Erstens als Werk­zeug, um die Sicht­bar­keit des poli­ti­schen Akteurs und sei­ner The­men zu erhö­hen. „Wie sicht­bar ist bei­spiels­wei­se eine Par­tei oder ein Kan­di­dat, wenn jemand nach Begrif­fen sucht, die mit einer Kam­pa­gne besetzt wer­den sol­len?“, fragt er sich. Zwei­tens ist das Inter­net ein Werk­zeug, um die Infra­struk­tur einer poli­ti­schen Kam­pa­gne zu unter­stüt­zen und drit­tens ein Sym­bol für die poli­ti­sche Unter­stüt­zung der Anhän­ger – über die idea­ler­wei­se dann in tra­di­tio­nel­len Medi­en berich­tet wird.

Twit­ter-Reso­nanz der Spitzenkandidaten

Ins­be­son­de­re die erste Funk­ti­on, also die Sicht­bar­keit eines poli­ti­schen Akteurs, steht aktu­ell im Fokus der Unter­su­chung. Zwar hat Andre­as Jung­herr fest­ge­stellt, dass „weder die Zahl der Nen­nun­gen einer Par­tei noch die Zahl der Nut­zer, die Par­tei­na­men in ihren Tweets ver­wen­de­ten, eine sta­bi­le Vor­aus­sa­ge des Wahl­er­geb­nis erlaub­ten“. Einen Ein­blick in die „Fie­ber­kur­ve der Kam­pa­gne“ geben sol­che Tweets aber durch­aus. Des­halb unter­such­te Jung­herr zusam­men mit Harald Schoen den „Twit­ter-Schat­ten“ der Spit­zen­kan­di­da­ten in den letz­ten Mona­ten, also wie häu­fig und mit wel­chen The­men sie auf Twit­ter erwähnt wur­den. Dabei kam her­aus, dass Ange­la Mer­kel sowohl im Mit­tel­wert als auch beim Maxi­mal­wert mehr Tweets erhält als Peer Steinbrück.

Dar­über hin­aus sind die mei­sten von Mer­kels Nen­nun­gen Nach­rich­ten­er­eig­nis­se, wenn also die Medi­en über poli­ti­sches Tages­ge­sche­hen berich­ten und die Twit­ter-Akti­vi­tät dar­auf­hin steigt, bei­spiels­wei­se bei Mer­kels „Neuland“-Äußerung. Bei Stein­brück han­delt es sich dage­gen über­wie­gend um Kam­pa­gnen­er­eig­nis­se, also um Auf­ru­fe, Aus­sa­gen oder Inter­views poli­ti­scher Akteu­re im Rah­men poli­ti­scher Kam­pa­gnen, die auf Twit­ter auf­tau­chen. „Die­ser Unter­schied dürf­te in den Rol­len bei­der Poli­ti­ker lie­gen. Als Kanz­le­rin wird Ange­la Mer­kel sehr viel stär­ker mit dem tages­ak­tu­el­len Gesche­hen in Ver­bin­dung gesetzt. Peer Stein­brück als Oppo­si­ti­ons­ak­teur und Her­aus­for­de­rer muss dage­gen stär­ker selbst die Initia­ti­ve ergrei­fen und für Bericht­erstat­tung oder Online-Reak­tio­nen sor­gen“, so die Wissenschaftler.

Sicht­bar­keits­re­port von Partei-Webseiten

Doch auch die Sicht­bar­keit poli­ti­scher Akteu­re außer­halb der Neu­en Medi­en haben die Bam­ber­ger Poli­tik­wis­sen­schaft­ler unter­sucht. Ihr  Sicht­bar­keits­re­port hat gezeigt: „Die Web­sei­ten deut­scher Par­tei­en sind in Goog­le-Ergeb­nis­li­sten zu popu­lä­ren Such­an­fra­gen fast unsicht­bar. Die Sei­ten der mei­sten deut­schen Par­tei­en erschei­nen nur dann pro­mi­nent in den Ergeb­nis­sen von Such­ma­schi­nen, wenn gezielt nach ihren Namen oder den Namen ihrer Spit­zen­kan­di­da­ten gesucht wird.“ Ein­zi­ge Aus­nah­me bil­det die Pira­ten­par­tei. Dar­aus folgt, dass die Web­sei­ten der Par­tei­en mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit in erster Linie Nut­zer errei­chen, die bereits par­tei­po­li­tisch fest­ge­legt sind.
Um eine poli­ti­sche Web­sei­te für Such­ma­schi­nen sicht­ba­rer zu machen, muss sie zum einen von ande­ren Web­sei­ten und auf Social Media-Kanä­len ver­linkt wer­den – was die Sei­ten­be­trei­ber natür­lich nicht direkt beein­flus­sen kön­nen. Zum ande­ren soll­te sie aber auch bewusst such­ma­schi­nen­freund­lich ange­legt sein und aktiv redak­tio­nell betreut werden.

Bun­des­wahl­kom­pass 2013

Ein neu­es Pro­jekt zum aktu­el­len Wahl­kampf ist der Bun­des­wahl­kom­pass 2013. „Es han­delt sich dabei um eine Online­wahl­hil­fe, die ähn­lich funk­tio­niert wie der bekann­te Wahl-O-Mat, aber mehr Mög­lich­kei­ten eröff­net“, erklärt Pro­jekt­lei­ter Harald Schoen. Der Bun­des­wahl­kom­pass ermög­licht es Nut­zern, mit ihren Ant­wor­ten zu 30 The­sen ihre Posi­ti­on in der poli­ti­schen Land­schaft Deutsch­lands her­aus­zu­fin­den und sich so bei der Wahl­ent­schei­dung zu ori­en­tie­ren. Die Aus­sa­gen wur­den von einer Grup­pe ange­se­he­ner deut­scher Poli­tik­wis­sen­schaft­ler ent­wickelt. Die Posi­tio­nen der deut­schen Par­tei­en zu die­sen rele­van­ten The­men wur­den den offi­zi­el­len Wahl­pro­gram­men oder ande­ren Par­tei­do­ku­men­ten ent­nom­men. Der Bun­des­wahl­kom­pass ist unter  www​.bun​des​wahl​kom​pass​.de erreichbar.

Über­sicht Forschungsprojekte

Eine Über­sicht über die Pro­jek­te des Leh­stuhls fin­den Sie hier!

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen und Publi­ka­tio­nen aus dem Pro­jekt „Poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on in sozia­len Net­zen“ sind dort eben­falls zu finden.

Andre­as Jung­herr betreibt dar­über hin­aus einen Blog und einen Twit­ter-Account mit aktu­el­len Infor­ma­tio­nen und Bewertungen:

http://​andre​as​jung​herr​.net
https://​twit​ter​.com/​a​j​u​n​g​h​err