ISOL­DE SAILS – Bri­an O’Doh­erty im Kunst­mu­se­um Bayreuth

Die Som­mer­aus­stel­lung „Art as an Argu­ment – Bri­an O’Doh­erty / Patrick Ire­land und die Ame­ri­ka­ni­sche Kunst nach 1945“ ist seit dem 3. Juli eröff­net und erfreut sich gro­ßer Reso­nanz durch die Medi­en und durch die Besucher.

ISOLDE SAILS - Brian O'Doherty

ISOL­DE SAILS – Bri­an O’Doherty

Die Iri­sche Prin­zes­sin Isol­de liebt Tri­stan von Corn­wall und geht in den Tod wegen eines far­bi­gen Segels… – so sagt die Legen­de. Das in den Wochen vor der Eröff­nung spe­zi­ell für die Räu­me des Kunst­mu­se­um Bay­reuth im Alten Barock­rat­haus geschaf­fe­ne „rope dra­wing“ Nr. 120 trägt den Titel ISOL­DE SAILS. Durch sei­ne segel­för­mi­gen Farb­flä­chen ver­än­dert es die Umge­bung: Raum und Flä­che, Linie und Far­be, Schat­ten und Licht wer­den neu erfahrbar.

One – here – now (einer/​ich allein – hier – jetzt) sind die Koor­di­na­ten der Wahr­neh­mung, in denen jede Erfah­rung zusam­men­kommt. ONE – HERE – NOW hei­ßen die drei spie­geln­den Ogham-Sculp­tures von Bri­an O’Doherty/​Patrick Ire­land, die erst­mals hier zusam­men in Bay­reuth zu sehen sind.

Die zwei­ge­teil­te Aus­stel­lung zeigt neben Arbei­ten von Bri­an O’Doherty/​Patrick Ire­land Wer­ke von Freun­den und Weg­ge­nos­sen aus der New Yor­ker Kon­zept­kunst­sze­ne der sech­zi­ger und sieb­zi­ger Jah­re, dar­un­ter, Mor­ton Feld­man, Roy Lich­ten­stein, Sol LeWitt, Bob Rau­schen­berg – und immer wie­der Mar­cel Duch­amp, mit dem der Arzt, Kunst­kri­ti­ker (Insi­de the White Cube) und Künst­ler O’Doh­erty und die Kunst­hi­sto­ri­ke­rin Bar­ba­ra Novak bis zu des­sen Tod eng befreun­det waren.

Bei­de gaben ihre Samm­lung 2010 an das Irish Muse­um of Modern Art, von dort, aus Ber­lin (Gale­rie THo­mas Fischer)und aus New York (Besitz des Künst­lers) kom­men die Leih­ga­ben die­ser Aus­stel­lung, die von der Kul­tur­stif­tung des Bun­des geför­dert wird.

Bri­an O’Doherty / Patrick Ireland

von Chri­sti­na Kennedy,Senior Cura­tor; Head of Coll­ec­tion, Irish Muse­um of Modern Art, Dublin

Die Aus­stel­lung Art as an Argu­ment wur­de im For­mat eines Dipty­chons kon­zi­piert. Sie ver­bin­det erst­mals eine Aus­wahl der Haupt­wer­ke von Bri­an O’Doherty mit Arbei­ten von Künst­lern, unter denen er in New York leb­te und arbeitete.

Für die Aus­stel­lung kamen Leih­ga­ben O’Dohertys vor allem aus den Samm­lun­gen des Irish Muse­um of Modern Art, Dub­lin, der City Gal­lery The Hugh Lane, der Gale­rie Tho­mas Fischer in Ber­lin und aus dem Besitz des Künst­lers. Die Arbei­ten, die nur einen klei­nen Teil des künst­le­ri­schen Œuvres dar­stel­len, ver­mit­teln einen Ein­druck des Lebens und Wir­kens eines der wohl viel­fäl­tig­sten und kon­tro­ver­se­sten Per­sön­lich­keit der Ame­ri­ka­ni­schen Kunst­sze­ne in den 1960er Jahren.

Als aus­ge­bil­de­ter Arzt und viel ver­spre­chen­der Künst­ler ver­ließ O’Doherty Dub­lin im Jahr 1957. In New York zog er in der auf­kei­men­den Kon­zept­kunst­sze­ne als Künst­ler und Schrift­stel­ler bald Auf­merk­sam­keit auf sich. Mit Skulp­tu­ren, Instal­la­tio­nen, Foto­gra­fie, Video, Zeich­nun­gen and Druck­gra­phik spannt die­se Aus­stel­lung einen Bogen von nahe­zu 60 Jah­ren des künst­le­ri­schen Werdegangs.

Anhand ver­schie­de­ner The­men wird in allen Wer­ke O’Dohertys ein Dis­kurs zwi­schen Geist und Kör­per erfahr­bar. Kon­ti­nu­ier­lich und in Seri­en arbei­tend setzt er sich mit Pro­ble­men der Wahr­neh­mung, der Sin­ne, der Spra­che and mit seri­el­len Syste­men aus­ein­an­der. Sein gan­zes Werk ist bestimmt von dem Bedürf­nis, den Geist des Betrach­ters in glei­chem Maße anzu­spre­chen wie sei­ne Sin­ne, und in ihm die Bewusst­heit sei­ner eige­nen Hand­lungs­macht im Rah­men sei­ner Gene­ra­ti­on, sei­ner Erfah­rung und sei­ner Inter­pre­ta­ti­on eines Kunst­wer­kes anzuregen.

Bekannt als Künst­ler, Schrift­stel­ler, Kri­ti­ker, Fern­seh-Inter­view­er, Fil­me­ma­cher and Ver­mitt­ler, hat O’Doherty in den letz­ten 60 Jah­ren ver­schie­de­ne künst­le­ri­sche Iden­ti­tä­ten her­vor­ge­bracht, vor allem natür­lich Patrick Ire­land, das künst­le­ri­sche Alter Ego, das er in 1972 als patrio­ti­schen Pro­test gegen den „Bloo­dy Sun­day“ annahm, als 13 Men­schen­rechts­ak­ti­vi­sten in Der­ry, Nord­ir­land, durch die Bri­tisch Armee erschos­sen wur­den. In den näch­sten 36 Jah­ren ent­stan­den alle sei­ne Wer­ke unter dem Namen von Patrick Ire­land. Nach­dem eine Regie­rung unter Betei­li­gung aller Par­tei­en in Nord­ir­land ein­ge­setzt wur­de, wur­de 2008 die Iden­ti­tät Patrick Ire­lands in Form einer ein­ge­sarg­ten Figur bei einer Toten­fei­er im Barock­gar­ten des Irish Muse­um of Modern Art zu Gra­be getra­gen, und der Künst­ler nahm sei­nen Geburts­na­men Bri­an O’Doherty wie­der an.

Die­se Aus­stel­lung zeigt grund­le­gen­de Wer­ke O’Dohertys der 1960er Jah­re-Kon­zept­kunst wie zum Bei­spiel Duch­amp Boxed (ein Teil von Por­trait of Mar­cel Duch­amp, 1966, das von beson­de­rer Bedeu­tung für die Kon­zept­kunst ist, Bei­spie­le sei­ner of frü­hen Laby­rin­the (den ersten der Kon­zept­kunst); Kips Bay: The Body and its Dis­con­tents, 1964, eine klei­ne Skulp­tur, die eine drei­di­men­sio­na­le tau­to­lo­gi­sche Land­kar­te des Kör­pers repräsentiert.

Außer­dem ist In the Wake(of), 1964 zu sehen, eine Waben­box, die mit vier­sei­ti­gen Kuben gefüllt ist, die jeweils einen Schlüs­sel­text aus Joy­ces The Wake in Bezug zu der Musi­ka­li­tät sei­ner Spra­che ana­ly­sie­ren. Die Ogham Sculp­tures ent­stan­den zwi­schen 1967 und 1970, sie sind iko­ni­sche Bei­spie­le des Mini­mal-Kon­zep­tua­lis­mus; genau so wie zahl­rei­che Zeich­nun­gen, die die Wahr­neh­mung und unser Poten­zi­al an Erfah­rungs­struk­tu­ren herausfordern.

1973 ent­wickel­te der Künst­ler eine ein­zig­ar­ti­ge Aus­drucks­form: das Rope Dra­wing, das sei­nen Platz zwi­schen den ori­gi­nell­sten und signi­fi­kan­te­sten Wer­ken des 20. Jahr­hun­derts fin­det. Für das Kunst­mu­se­um Bay­reuth schuf Bri­an O’Doherty ein neu­es – das 120ste – „rope dra­wing“ mit dem Titel Isol­de Sails,. Wie in frü­he­ren “rope dra­wings” hat O’Doherty die Wän­de und die vor­han­de­nen Sicht­kan­ten und Rah­men bemalt und dar­über wei­ße Kor­deln ange­bracht, die den Effekt her­vor­ru­fen, dass die Wän­de in die Flä­che zurück­wei­chen oder in den Vor­der­grund drän­gen, je nach­dem, wie sich der Betrach­ter um das Werk her­um bewegt. O’Dohertys, bzw. Ire­lands pio­nier­haf­te Dekon­struk­ti­on des Aus­stel­lungs­rau­mes mit sei­nen “rope dra­wings” ist beglei­tet von einer ein­fluss­rei­chen Arti­kel­se­rie, die er in 1976 unter dem Titel Insi­de the White Cube in Art­fo­rum publizierte.

Isol­de Sails wur­de von der tra­gi­schen Schluss-Sze­ne der alten kel­ti­schen Legen­de und Lie­bes­ge­schich­te des Rit­ters Tri­stan von Corn­wall und der Iri­schen Prin­zes­sin Isol­de inspi­riert, die von Richard Wag­ner zu sei­ner Oper anregte.

O’Dohertys, bzw. Ire­lands, iri­sche Her­kunft und Kul­tur haben sei­ne Ideen beein­flusst und wur­den Teil sei­ner For­men­spra­che. Zurück­ge­hend auf Iri­sche Geschich­te, Lite­ra­tur, auf künst­le­ri­sche und archai­sche For­men wie zum Bei­spiel das Bri­git­ten­kreuz, das die Linea­ri­tät der nicht mehr ver­wen­de­ten anti­ken Iri­schen Ogham-Schrift und Schrif­ten von James Joy­ce und ande­ren mit sei­nem medi­zi­ni­schen Inter­es­se am laby­rin­thi­schen System des Kör­pers kom­bi­niert, hat O’Doherty Kom­po­si­tio­nen ent­wickelt, die in Bezug ste­hen zu den aus­ge­spro­chen abstrak­ten For­men der Iri­schen Kul­tur, mit denen er eini­ge der bild­haf­te­sten Wer­ke der Mini­mal- / Kon­zept­kunst rea­li­sier­te. Zuneh­mend wer­den die­se Ideen rezi­piert und gewür­digt. Bri­an O’Doherty ist in der Geschich­te der zeit­ge­nös­si­schen Kunst heu­te eine der grund­le­gen­den Persönlichkeiten.