Natür­li­che Schäd­lings­kon­trol­le: Wie wir­ken sich Arten­viel­falt und Land­schafts­struk­tur aus?

Symbolbild Bildung

Welt­weit wer­den trotz inten­si­ven Pesti­zid­ein­sat­zes jähr­lich rund 10 Pro­zent der land­wirt­schaft­li­chen Erträ­ge durch Schäd­lin­ge ver­nich­tet. Fal­len die­se Ver­lu­ste gerin­ger aus, wenn den Schäd­lin­gen vie­le Arten natür­li­cher Fein­de gegen­über ste­hen? Wel­chen Ein­fluss haben die Struk­tur der Land­schaft und ihre natür­li­chen Lebens­räu­me auf die Schäd­lings­kon­trol­le? Emi­ly Mar­tin, die im Rah­men des DFG-Gra­du­ier­ten­kol­legs TER­RE­CO an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth pro­mo­viert, hat die­se Fra­gen genau­er unter­sucht und ist dabei zu sehr dif­fe­ren­zier­ten For­schungs­er­geb­nis­sen gekommen.

Wie sich her­aus­ge­stellt hat, trägt ein Anstieg der Arten­viel­falt in struk­tur­rei­chen Agrar­land­schaf­ten nicht not­wen­di­ger­wei­se dazu bei, Schäd­lin­ge zurück­zu­drän­gen. Es kön­nen viel­mehr auch gegen­tei­li­ge Effek­te ein­tre­ten, wenn Fein­de ver­schie­de­ner Arten sich unter­ein­an­der angrei­fen und töten. Im Wis­sen­schafts­ma­ga­zin PNAS, den Pro­ce­e­dings of the Natio­nal Aca­de­my of Sci­en­ces der Ver­ei­nig­ten Staa­ten, stellt Emi­ly Mar­tin gemein­sam mit Prof. Dr. Ingolf Stef­fan-Dewen­ter (Uni­ver­si­tät Würz­burg), Prof. Dr. Björn Rei­ne­king und Bum­s­uk Seo (bei­de Uni­ver­si­tät Bay­reuth) ihre Ergeb­nis­se vor.

Expe­ri­men­te mit riva­li­sie­ren­den natür­li­chen Feinden

Die Stu­die befasst sich mit den Schä­den, die Schmet­ter­lings­rau­pen an Kohl-Pflan­zen ver­ur­sa­chen. In der von Agrar­wirt­schaft gepräg­ten, land­schaft­lich dif­fe­ren­zier­ten Regi­on Hae­an in Süd­ko­rea wur­den ins­ge­samt 18 Unter­su­chungs­flä­chen ein­ge­rich­tet. In einer Rei­he kom­ple­xer Feld­ver­su­che hat Emi­ly Mar­tin den Schäd­lings­be­fall und die dadurch ange­rich­te­ten Ern­te­ver­lu­ste gemes­sen. Dabei hat sie die Schä­den in Bezie­hung gesetzt zu den natür­li­chen Fein­den, denen die Schmet­ter­lings­rau­pen aus­ge­setzt waren. Nach­ein­an­der wur­den ein­zel­ne Grup­pen natür­li­cher Fein­de mit­hil­fe von Käfi­gen dar­an gehin­dert, in die Unter­su­chungs­flä­chen ein­zu­drin­gen. So konn­ten die Schä­den, die beim Aus­schluss einer bestimm­ten Grup­pe natür­li­cher Fein­de ein­tra­ten, mit den­je­ni­gen Schä­den ver­gli­chen wer­den, die ent­stan­den, wenn die­se Art auf den Unter­su­chungs­flä­chen mit ande­ren Fein­dar­ten zusam­men­traf. Dar­über hin­aus wur­de die Viel­falt der natür­li­chen Fein­de zur jewei­li­gen Land­schafts­struk­tur in Bezie­hung gesetzt.

Natür­li­che Fein­de fres­sen riva­li­sie­ren­de Arten: Erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Schädlingskontrolle

Die Ergeb­nis­se waren über­ra­schend: Zwar war bereits bekannt, dass die Arten­viel­falt ver­geichs­wei­se groß ist, wenn Land­schaf­ten kom­plex struk­tu­riert sind und zahl­rei­che natür­li­che Lebens­räu­me bie­ten. Doch wenn in der­ar­ti­gen Land­schaf­ten vie­le Arten vor­kom­men, die zur Schäd­lings­kon­trol­le bei­tra­gen, führt dies nicht not­wen­di­ger­wei­se zu ‘Syn­er­gie­ef­fek­ten’ und einem ent­spre­chend gerin­ge­ren Schäd­lings­be­fall. Viel­mehr wird der Umfang der Schä­den von zwei Fak­to­ren bestimmt: einer­seits von der Schäd­lings­kon­trol­le, die jede Feind­art für sich genom­men lei­stet; ande­rer­seits von den Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen ver­schie­de­nen Fein­dar­ten. Dabei scheint es eine wich­ti­ge Rol­le zu spie­len, dass natür­li­che Fein­de, die ver­schie­de­nen Arten ange­hö­ren, sich unter­ein­an­der fres­sen. Wie Emi­ly Mar­tin her­aus­ge­fun­den hat, fres­sen Vögel nicht nur die schäd­li­chen Schmet­ter­lings­rau­pen, son­dern auch Wes­pen, die sich gleich­falls von den Rau­pen ernäh­ren. Natür­li­che Fein­de fres­sen riva­li­sie­ren­de Arten: ein Vor­gang, der in der For­schung als “intra­guild pre­da­ti­on” bezeich­net wird.

Dies hat erheb­li­che Fol­gen für die Schäd­lings­kon­trol­le, wie das fol­gen­de Expe­ri­ment zeigt: Solan­ge Vögel und ande­re Fein­dar­ten von den Unter­su­chungs­flä­chen aus­ge­schlos­sen sind, ist die von Wes­pen gelei­ste­te Schäd­lings­kon­trol­le umso effek­ti­ver, je höher der Anteil natür­li­cher Lebens­räu­me in der Umge­bung ist. In beson­ders viel­fäl­ti­gen Land­schaf­ten ist die­se Schäd­lings­kon­trol­le durch Wes­pen so effek­tiv, dass die Zahl der Schäd­lin­ge um 90 Pro­zent und die Schä­den an den Pflan­zen um 70 Pro­zent sin­ken; die Ern­te­er­trä­ge errei­chen hin­ge­gen den sechs­fa­chen Umfang. Anders ver­hält es sich, wenn Vögel und ande­re Fein­dar­ten nicht län­ger am Ein­drin­gen gehin­dert wer­den. Dann sin­ken die Zahl der Schäd­lin­ge nur um 45 Pro­zent und die Schä­den an den Pflan­zen um 40 Pro­zent. Die Ern­te­er­trä­ge sind ledig­lich um das 2,6fache höher.

For­schungs­ar­bei­ten nut­zen der Landwirtschaft

Wel­che Kon­se­quen­zen haben die jetzt ver­öf­fent­lich­ten For­schungs­ar­bei­ten für die Land­wirt­schaft? Emi­ly Mar­tin meint: „Ver­läss­li­che Infor­ma­tio­nen dar­über, wie sich eine natür­li­che Schäd­lings­kon­trol­le auf den Anbau von Kul­tur­pflan­zen aus­wirkt, kön­nen für die Land­wir­te sehr hilf­reich sein. Dies gilt vor allem dann, wenn Ver­gleichs­zah­len vor­lie­gen, die sich auf den Ein­satz von Pesti­zi­den oder den Ver­zicht auf Schäd­lings­kon­trol­le bezie­hen. Dadurch erhal­ten die Land­wir­te wert­vol­le Anhalts­punk­te für ihre eige­nen Pla­nun­gen – in öko­no­mi­scher wie in öko­lo­gi­scher Hinsicht.“

Ver­öf­fent­li­chung:

Emi­ly A. Mar­tin, Björn Rei­ne­king, Bum­s­uk Seo, and Ingolf Steffan-Dewenter,
Natu­ral ene­my inter­ac­tions cons­train pest con­trol in com­plex agri­cul­tu­ral landscapes,
PNAS 2013 ; published ahead of print March 19, 2013, doi:
DOI: 10.1073/pnas.1215725110

Ansprech­part­ner:

Emi­ly A. Mar­tin, Ing. M.Sc.
Bio­geo­gra­phi­sche Model­lie­rung, Uni­ver­si­tät Bay­reuth (Dok­to­ran­din)
LS für Tier­öko­lo­gie und Tro­pen­bio­lo­gie, Uni­ver­si­tät Würz­burg (Mit­ar­bei­te­rin)
Tel: +49 (0) 931 31 83876
E‑Mail: emily.​martin@​uni-​bayreuth.​de / emily.​martin@​uni-​wuerzburg.​de

Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter
Lehr­stuhl für Tier­öko­lo­gie und Tropenbiologie
Bio­zen­trum, Uni­ver­si­tät Würzburg
Tel: +49 (0) 931 31 86947
E‑Mail: ingolf.​steffan@​uni-​wuerzburg.​de

Hin­ter­grund:

Das von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) geför­der­te Gra­du­ier­ten­kol­leg TER­RE­CO ist ein Gemein­schafts­pro­jekt zwi­schen der Uni­ver­si­tät Bay­reuth (Bay­CE­ER) und eini­gen Part­ner­ein­rich­tun­gen in Süd­ko­rea: der Kang­won Natio­nal Uni­ver­si­ty (KNU), der Seo­ul Natio­nal Uni­ver­si­ty (SNU), der Yons­ei Uni­ver­si­ty sowie dem Kore­an Forest Rese­arch Insti­tu­te (KFRI). Spre­cher­hoch­schu­le ist die Uni­ver­si­tät Bayreuth.

Home­page: www​.bay​ce​er​.uni​-bay​reuth​.de/​t​e​r​r​e​co/