Fortsetzungsroman: “Mamas rosa Schlüpfer” von Joachim Kortner, Teil 84
Es wird ernst
Frau Snura hielt ihm eine Postkarte unter die Nase. Diese Bleistiftschrift war mehr als vertraut. Hans konnte an ihrer wichtigen Miene erkennen, dass sie diese Post schon gelesen haben musste.
Hedwig meldete sich für einen Wochenendbesuch an. Die Jungen wollten unbedingt wieder einmal in den Zoo gehen. Sie solle sich um Gottes Willen keine Umstände machen, denn am Montag müssten sie ja sowieso wieder in der Schule sein.
„Ja, Hans, jetzt komm keine Pakete aus Drahnsdorf mehr. Jetzt wird’s Ernst.“ Nach einem Monat West-Berlin war ihm aufgefallen, dass seine Mutter im Stillen damit rechnete, ihre Karte könnte auch von Leuten gelesen werden, für die sie nicht bestimmt war. Die versteckte Angst in ihrem Schreiben machte ihm schlagartig klar, dass es zwischen Drahnsdorf und West-Berlin nicht nur den Unterschied von Stadt und Dorf gab.
Das war natürlich wieder typisch Mama: Was auf einer Postkarte steht, wird weniger kontrolliert als ein Brief. Dann der harmlose Zoobesuch und dass seine jüngsten Brüder schon am Sonntag wieder in Drahnsdorf sein müssen, weil sie ja am Montag wieder in die Schule gehen.
Ihm gefiel die Klugheit und List seiner Mutter. Aber hatte sie ihm wirklich alles erzählt, was dabei passieren kann, wenn man schwarz über die Grenze in den Westen gehen will?
An das Motorengedröhn der DC 3 Blockadebrecher hatte er sich im letzten Monat fast schon gewöhnt. Jetzt hörte er es wieder bewusst, dieses endlose Röhren der Versorgungsflugzeuge.
Aus dem Roman “Mamas Rosa Schlüpfer” von Joachim Kortner, Ebermannstadt.
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