Leser­brief: „BAr­rie­re­frei – Vor­schlä­ge für die Preis­ver­lei­hung 2013“

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Sehr geehr­ter Herr Ober­bür­ger­mei­ster Starke!

„‚Bar­rie­ren ken­nen weder Alter noch Gesund­heits­zu­stand Sie stel­len ein Hin­der­nis dar, egal ob für Eltern mit Kin­der­wa­gen, Men­schen an Krücken, Klein­kin­der oder Roll­stuhl­fah­rer’“, wer­den Sie in der städ­ti­schen Pres­se­mit­tei­lung vom 28. Dezem­ber 2012 zitiert. Die Rei­he der Betrof­fe­nen wäre, soweit es um die Mobi­li­tät auf Fuß­ver­kehrs­flä­chen geht, ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit um Nutzer/​innen von Rol­la­to­ren sowie rad­fah­ren­de Kin­der zu ergänzen.

„Die Gestal­tung eines bar­rie­re­frei­en Umfel­des blei­be daher wei­ter­hin eine der wich­tig­sten Her­aus­for­de­run­gen für unse­re Gesell­schaft“, fährt Ihre Pres­se­stel­le fort. „Die Stadt Bam­berg wer­de des­halb nach­drück­lich das Ziel ver­fol­gen, Hin­der­nis­se jeg­li­cher Art abzu­bau­en. ‚Dabei brau­chen wir jedoch die Unter­stüt­zung enga­gier­te und krea­ti­ver Bür­ger’, beton­te Starke“.

Teil­wei­se bereits seit Jah­ren, bemü­hen sich ver­schie­de­ne Per­so­nen und Insti­tu­tio­nen, Ihnen, der Stadt Bam­berg, die­se Unter­stüt­zung zu geben – lei­der weit­ge­hend ohne Erfolg. Denn sie lau­fen ins Lee­re. Wenn über­haupt, erhal­ten sie abwie­geln­de, beschwich­ti­gen­de, beschö­ni­gen­de, kurz: nichts­sa­gen­de Reaktionen.

Zwei der genann­ten schla­ge ich nach­fol­gend für die Ver­lei­hung des BAr­rie­re­frei-Prei­ses 2013 der Stadt Bam­berg vor:

  • Frau Karin Zieg, wohn­haft in Bamberg
  • Ver­kehrs­club Deutsch­land (VCD), Kreis­ver­band Bam­berg e.V.

Frau Karin Zieg hat sich wie­der­holt an die Stadt Bam­berg – und not­ge­drun­gen an die Medi­en – gewandt und auf das zuneh­men­de Pro­blem auf Geh­we­gen abge­stell­ter Kraft­fahr­zeu­ge, vor­nehm­lich Kraft­rä­der, hin­ge­wie­sen. Der ent­spre­chen­de Schrift­ver­kehr liegt der Stadt­ver­wal­tung somit vor.

Der VCD Bam­berg hat die Initia­ti­ve auf­ge­grif­fen. Denn das zu Grun­de lie­gen­de The­ma, die ver­nach­läs­sig­ten Belan­ge des unmo­to­ri­sier­ten, nicht zuletzt des fuß­läu­fi­gen Ver­kehrs inklu­si­ve mobi­li­täts­be­hin­der­ter Men­schen, gehört seit jeher zu sei­nen Arbeits­schwer­punk­ten. Exem­pla­risch hat er an Hand der Lan­gen Stra­ße die Aus­wir­kun­gen auf­ge­zeigt (nach­zu­le­sen bspw. in der Pres­se­mel­dung vom 10. Okto­ber 2012, doku­men­tiert im Inter­net­auf­tritt www​.VCD​.org/​B​a​m​b​erg):

Die wider­recht­lich abge­stell­ten Kraft­fahr­zeu­ge engen den Auf­ent­halts- und Bewe­gungs­raum des fuß­läu­fi­gen Ver­kehrs ein und min­dern auf die­se Wei­se die Attrak­ti­vi­tät des Quar­tiers. Denn gera­de für zu Fuß Gehen­de beschränkt sich die Funk­ti­on der Stra­ße nicht auf ihre Bestim­mung als Ver­kehrs­weg. Zudem schwin­den Bewußt­sein und Erkenn­bar­keit der Sicher­heit die­nen­der Begren­zun­gen. Wie sol­len ins­be­son­de­re Kin­der begrei­fen, daß zwi­schen Geh- und Fahr­weg ein (u. U. lebens-)wichtiger Unter­schied besteht, wenn Kfz-Len­ker/in­nen die­sen nicht beach­ten (müs­sen)?

Per­so­nen mit erhöh­tem Platz­be­darf wer­den durch auf dem Geh­weg abge­stell­te Kraft­fahr­zeu­ge mas­siv behin­dert. Betrof­fen sind nicht allein die ein­gangs die­ses Schrei­bens auf­ge­zähl­ten Grup­pen. Kin­der möch­ten neben ihren Eltern und / oder Freund/​inn/​en gehen, Erwach­se­ne man­ches Mal paar­wei­se. Ver­ord­ne­ter oder durch abge­stell­te Kraft­fahr­zeu­ge erzwun­ge­ner Gän­se­marsch schreckt sie ab, ver­drängt vie­le in ande­re Regio­nen oder, besteht die­se Alter­na­ti­ve nicht, schränkt ihre Mobi­li­tät deut­lich ein. Lei­der dul­det die Stadt Bam­berg nicht nur behin­dern­des Falsch­par­ken offen­bar ganz offi­zi­ell (sie­he nach­fol­gen­de Zita­te!), son­dern ord­net behin­dern­des Geh­weg­par­ken in vie­len Fäl­len aus­drück­lich an: Mann­le­hen­weg, Robert-Bosch-Stra­ße, Geisfel­der Straße, … .

Grif­fe die Stadt Bam­berg die Akti­vi­tä­ten der enga­gier­ten Bür­ge­rin sowie des aner­kann­ten Fach­ver­ban­des auf, fie­len zahl­rei­che Bar­rie­ren in Bam­berg – für mobi­li­täts­ein­ge­schränk­te Men­schen wie auch für vie­le ande­re. Die Stadt wäre um eini­ges attrak­ti­ver: ein abwechs­lungs- und erleb­nis­rei­cher Lebens- und Auf­ent­halts­raum an Stel­le einer groß­räu­mi­gen Abstell­flä­che für Kraft­fahr­zeu­ge, die den über­wie­gen­den Teil ihrer Exi­stenz (durch­schnitt­lich mehr als 23 Stun­den am Tag) ste­hen – viel zu oft im Weg. Ins­be­son­de­re beträ­fe die Aus­zeich­nung nicht ein ein­zel­nes, somit letzt­lich – ohne es des­we­gen gering­schät­zen zu wol­len – begrenzt wir­ken­des Pro­jekt. Viel­mehr wäre der All­tag, die brei­te Lebens­wirk­lich­keit der Betrof­fe­nen ange­spro­chen. Dies unter­streicht die Preis­wür­dig­keit der von mir Vorgeschlagenen.

„Das Par­ken auf Geh­we­gen darf nur zuge­las­sen wer­den, wenn genü­gend Platz für den unbe­hin­der­ten Ver­kehr von Fuß­gän­gern gege­be­nen­falls mit Kin­der­wa­gen oder Roll­stuhl­fah­rern auch im Begeg­nungs­ver­kehr bleibt.“
All­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­vor­schrift zur Straßenverkehrs-Ordnung

„In Kap. 4.7 RASt“ (Richt­li­nie für die Anla­ge von Stadt­stra­ßen) „wer­den Grund­ma­ße für die Ver­kehrs­räu­me des Fuß­gän­ger­ver­kehrs gegeben.

Eine aus­rei­chen­de Ver­kehrs­flä­che für den Fuß­ver­kehr ist dann gege­ben, wenn zwei Fuß­gän­ger ein­an­der ohne Ein­schrän­kun­gen pas­sie­ren kön­nen. Dies ist dann der Fall, wenn der Ver­kehrs­raum (befe­stig­te Flä­che) eine Brei­te von 1,80 m auf­weist. Führt der Fuß­weg ent­lang einer Haus­wand oder Mau­er über 0,5m Höhe, ist auf die­ser Sei­te ein Sicher­heits­raum von 0,2 m hin­zu­zu­zäh­len. … Nur an über­schau­ba­ren Eng­stel­len ist ein Fuß­gän­ger­ver­kehrs­raum von 1,5m noch möglich.

Laut Kap. 3.2.1 und 3.2.2 EFA“ (Emp­feh­lun­gen für Fuß­ver­kehrs­an­la­gen) „gel­ten 1,80m (anbau­frei) bzw. 2,00m (ange­baut) nur als geeig­ne­te Fuß­weg­brei­ten für Wohn­stra­ßen gerin­ger Dich­te. Bei dich­te­rer Bebau­ung mit gemisch­ter Wohn- und Geschäfts­nut­zung wer­den für die Fuß­gän­ger­flä­chen grö­ße­re Brei­ten gefor­dert: Bei ange­bau­ten Stra­ßen in Gebie­ten mit gemisch­ter Wohn- und Geschäfts­nut­zung mitt­le­rer Dich­te soll die Geh­weg­brei­te min­de­stens 2,5m betra­gen, in Geschäfts­stra­ßen hoher Dich­te sind es sogar min­de­stens 4,5m. der Unter­schied zwi­schen den Situa­tio­nen ‚anbau­frei’ und ‚ange­baut’ von 0,2m resul­tiert aus dem not­wen­di­gen Sicher­heits­ab­stand, um nicht beim Gehen die Haus­wand, Mau­er, o.ä. zu Streifen.

Nach Exper­ten­mei­nung ist nur in Aus­nah­me­fäl­len in über­schau­ba­ren Eng­stel­len, d.h. wenn die­se max. 50m lang sind, eine Ver­en­gung des Fuß­wegs auf mini­mal 1,5m noch zu tole­rie­ren. Ein unge­hin­der­ter Begeg­nungs­fall zwei­er Mobi­li­täts­ein­ge­schränk­ter ist dann jedoch nicht mehr möglich.“
Jonas Klöp­fer: Leit­fa­den zur Über­prü­fung der Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht in Mainz, Juni 2011

„Manch­mal gibt es für das Geh­weg­par­ken kei­ne Alter­na­ti­ve, weil die Anwoh­ner ihren Pkw abstel­len müssen … .“
Ober­bür­ger­mei­ster und OB-Kan­di­dat Andre­as Star­ke, 29.02.2012

„Die Stadt Bam­berg tole­riert im Rah­men des Oppor­tu­ni­täts­prin­zips das“ uner­laub­te „Park­ver­hal­ten …, soweit … eine Rest­geh­weg­brei­te von 1,50 m gewähr­lei­stet ist.“
Bür­ger­mei­ster­amt der Stadt Bam­berg, 18.09.2012

„Klas­si­sche Stra­ßen­pla­nung ist heu­te – von der Mit­te aus­ge­hend – pri­mär auf die vor­ran­gi­ge Flä­chen­zu­tei­lung für den flie­ßen­den und die Unter­brin­gung des ruhen­den Ver­kehrs fokus­siert. … Nah­mo­bi­li­tät als Basis­mo­bi­li­tät erfor­dert dage­gen a prio­ri eine adäqua­te Dimen­sio­nie­rung der Ver­kehrs­flä­chen für den Fuß- und Rad­ver­kehr, die den Grund­an­sprü­chen nach Sicher­heit, Lei­stungs­fä­hig­keit, Geh- wie Fahr­kom­fort und nach Geschwin­dig­keit (sport­li­che und e‑mobile Fahr­rä­der) gerecht wird. Gefragt ist folg­lich ein neu­er Ansatz in der Stra­ßen­pla­nung, der am Stra­ßen­rand beginnt und zuerst die Flä­chen­an­sprü­che des Fuß- und Rad­ver­kehrs klärt. … Der neue Ansatz ist deckungs­gleich mit der soge­nann­ten ‚Städ­te­bau­li­chen Bemes­sung’ in den RASt 06.“
NAH­MO­BI­LI­TÄT 2.0,
Arbeits­ge­mein­schaft fahr­rad­freund­li­che Städ­te, Gemein­den und Krei­se in Nord­rhein-West­fa­len e.V. (AGFS),

Mit freund­li­chen Grüßen
Wolf­gang Bönig
Mar­tin-Ott-Stra­ße 8
96049 Bamberg-Gaustadt