Sonn­tags­ge­dan­ken: (K)ein Unterschied

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs

Bischof Wil­helm Stäh­lin besuch­te einen über­füll­ten Fest­got­tes­dienst. Die Pre­digt trug den Titel: „ohne Anse­hen der Per­son“. Da bemerk­te Stäh­lin, wie der Mes­ner sich durch die Rei­hen der Ste­hen­den dräng­te und zor­nig umher­blickend aus­rief: „Ist denn kein Stuhl für den Ober­bür­ger­mei­ster da?“

Ich erin­ne­re mich auch dar­an, dass mein Urgroß­va­ter, als er vor 100 Jah­ren in unser Dorf zog, sich für viel Geld einen Sitz­platz im Got­tes­haus kau­fen (!) musste.

Vie­le kri­ti­sche Zeit­ge­nos­sen grei­fen die Kir­che des­we­gen an, weil Wort und Tat bei so man­chem Chri­sten all­zu weit aus­ein­an­der­klaf­fen. Da besucht jemand regel­mä­ßig den Got­tes­dienst und lästert zugleich gehäs­sig über sei­ne Mit­men­schen oder ver­prü­gelt daheim Frau und Kind. Aber wie wür­den wir reagie­ren, wenn ein Obdach­lo­ser ver­dreckt und mit zer­ris­se­nen Klei­dern unsern Got­tes­dienst besuch­te? Auch Chri­sten sind Men­schen mit mensch­li­chen Eigen­ar­ten und jeder Christ unter­liegt der fami­liä­ren, gesell­schaft­li­chen Prä­gung. Wir bewun­dern oder mehr noch benei­den die Men­schen, die es „geschafft“ haben, etwas „aus sich gemacht“ haben, eben die Erfolg­rei­chen. Wer dage­gen aus wel­chem Grün­den auch immer geschei­tert ist in und mit sei­nem Leben, der wird all­ge­mein ver­ach­tet, eine Ten­denz, die sich lei­der ver­schärft: Frü­her galt Behin­de­rung als Unglück, das man mit Gott­ver­trau­en zu tra­gen hat­te, heu­te dage­gen als ver­meid­ba­re, zu ver­mei­den­de Bela­stung der Gesellschaft.

Wo wir aber im Got­tes­dienst zusam­men­kom­men, dür­fen wir etwas davon erah­nen, dass Gott jeden Men­schen „ohne Anse­hen der Per­son“ liebt, dass es vor Gott nicht auf Gesund­heit und Geld­beu­tel ankommt, son­dern nur auf unser Ver­trau­en, auf den Glau­ben an Chri­stus. Beson­ders die Sakra­men­te machen dies deut­lich, denn jeder hat hier leib­haf­tig Gemein­schaft mit dem Herrn von Natur und Geschich­te, auch der Alte und Kran­ke. Aus die­ser Gewiss­heit dür­fen wir dann auch Kraft und Geduld schöp­fen, um die sozia­len Gegen­sät­ze in unse­rer Gesell­schaft aus­zu­glei­chen, um begon­nen in der Kir­che(!), eine neue auf ande­ren Wer­ten beru­hen­de Gemein­schaft auf­zu­bau­en. Die Arro­ganz des Gel­des, der Bil­dung, der Haut­far­be hat in der wah­ren Kir­che nichts verloren.

Pfar­rer Dr. Chri­sti­an Fuchs, www​.neu​stadt​-aisch​-evan​ge​lisch​.de