Fort­set­zungs­ro­man: “Mamas rosa Schlüp­fer” von Joa­chim Kort­ner, Teil 56

Damen an der Dahme

Mamas Rosa Schlüpfer

Mamas Rosa Schlüpfer

Spät­som­mer­hit­ze flim­mer­te und laste­te über den Feldern.

Die mei­sten waren schon abge­ern­tet. Jank und Mill hat­ten auf dem Acker noch ein paar Auf­trä­ge zu erfül­len. Boh­nen und Erb­sen soll­ten sie rei­ßen, Bee­te gie­ßen, umgra­ben und die ewig nach­wach­sen­den Quecken hat­ten sie aus dem Boden zu zer­ren. Danach stell­ten sie sich bis zu den Waden in das dunk­le Schöpf­loch im Bach, das der Hans mal ver­tieft hat­te. Nach die­ser flüch­ti­gen Erfri­schung nah­men sie ihre Rol­ler mit den Alu­mi­ni­um­rä­dern und scho­ben sie am Bahn­hof vor­bei zu ihrer Sah­ne­stra­ße nach Kros­sen. Die noch befahr­ba­re asphal­tier­te Mit­te war aber in der Glut­hit­ze des August­nach­mit­tags teig­weich zer­flos­sen. An ein genuss­vol­les Dahin­glei­ten auf ihren Ren­nern war nicht zu denken.

Trotz­dem fuh­ren sie auf dem erdi­gen Rand­strei­fen der Chaus­see, der in der Som­mer­glut kno­chen­hart gewor­den war. An die Brücke über die vier­fünf Meter brei­te Dah­me lehn­ten sie die Rol­ler hin und schick­ten ihren hei­ßen, gel­ben Strahl durch das Brücken­ge­län­der in das kla­re Flüss­chen. Stumm ver­folg­ten sie, wie die Strö­mung ihre Pin­kel­schaum­spu­ren forttrug.

Schließ­lich trieb eine uner­träg­li­che, brü­ten­de Wind­stil­le bei­de Brü­der die sanf­te Böschung hin­un­ter in den klei­nen Fluss. Sie waren sowie­so den gan­zen Som­mer bar­fuß und stie­gen gleich über glit­schi­ge Kie­sel in die Mit­te der Strömung.

Als sie sich dann auch noch bäuch­lings in die Fri­sche leg­ten, fiel die gan­ze Mühe der aus­dör­ri­gen und son­nen­bran­di­gen Gar­ten­ar­beit von ihnen ab. In dem hal­ben Meter bis zum Fluss­grund pro­bier­ten sie zum ersten Mal in ihrem Leben die­ses frosch­ähn­li­che Stram­peln und Ruder­be­we­gun­gen mit den Armen.

„Mach ma so!“
„Is ja leicht, aber kann­ste des?“
„Aber der Kopf muss überm Was­ser sein. Sonst gil­tet des nich!“

Bald hat­te die küh­le Dah­me den dür­ren Jun­gen­kör­pern ihre über­schüs­si­ge Wär­me ent­zo­gen und die Lip­pen began­nen, lang­sam blau zu werden.

„Los, noch eima bis unter die Brücke, dann geh­mer raus!“

Im Eifer hat­ten die Brü­der nicht sehen kön­nen, dass ihre Mut­ter inzwi­schen in Beglei­tung von zwei Mäd­chen aus Janks Klas­se auf der Brücke stand.

„Ihr könnt ja schon rich­tig schwimm“, schmei­chel­te sie den beiden.

„Jetzt kommt aber raus, ihr habt ja ganz blaue Lippm!“

Beim Anblick der bei­den Mäd­chen wur­de ihnen bewusst, dass sie bloß ihre Unter­ho­sen anhat­ten, mehr oder weni­ger wei­ße Din­ger, oben einen Gum­mi­zug und unten glockig offen.

Sie waren über den Feld­weg zum Acker und dann zur Land­stra­ße gegan­gen. Auf die­sem Weg war unmög­lich mit Mäd­chen zu rech­nen gewe­sen. Und wenn doch wel­che auf­ge­taucht wären, dann hät­ten sie sich eben ein­fach ver­drückt und wären einen Umweg gegan­gen. Oder sie hät­ten sich irgend­wo in die Büsche geschlagen.

Aber hier, Mäd­chen mit der Mama zusam­men, da saßen sie in der Fal­le. Doch das Schlimm­ste ahn­ten die drei Damen auf der Brücke noch nicht ein­mal. Bei einem Land­gang müss­ten die Jun­gen ihre Kar­ten offen legen. Ihre Unter­ho­sen waren nass durch­sich­tig. Jetzt lehn­ten sich bei­de Zuschaue­rin­nen sogar über das Gelän­der und schau­ten nur noch auf die Unter­ho­sen, die im Was­ser auf­blüh­ten, wie gro­ße, wei­ße Quallen.

„Nu is aber Schluss! Ihr könnt euch ja noch den Tod holn!“

Mamas ent­schie­de­ne Stim­me von der Brücke been­de­te jetzt die kal­te Baderei.

„Geht scho ma vor. Wir müssn nochn Spatn und die Har­ke holn. Ham­mer aufm Acker ver­gessn. Und die Bohn und die Erb­sen auch!“

Das war Janks erlö­sen­de Idee. Erst, als sie die Mut­ter mit ihren Beglei­te­rin­nen wie­der auf der Land­stra­ße von hin­ten sahen, kamen sie blau­li­p­pig und bleich aus dem Flüss­chen. Mit Schlot­tern und Zäh­ne­klap­pern lie­ßen sie sich die Gän­se­haut von der Son­ne wegwärmen.