„Pre­mi­um-Vek­to­ren“ für die Life Sci­en­ces: Magne­ti­sche Nanopartikel

Posi­tiv gela­de­ne Stern­po­ly­me­re mit einem magne­ti­schen Kern eig­nen sich her­vor­ra­gend als DNA-Vek­to­ren und haben so viel­fäl­ti­ge Anwen­dun­gen in den Lebens­wis­sen­schaf­ten. Sie zeich­nen sich zunächst durch eine außer­or­dent­lich hohe Gen­trans­fer-Effi­zi­enz aus und ermög­li­chen anschlie­ßend eine schnel­le und ein­fa­che Aus­le­se der trans­fi­zier­ten Zel­len. Dar­über berich­tet ein For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth in der Online-Aus­ga­be der Zeit­schrift „Bio­macro­mole­cu­les“.

Es ist erst fünf Mona­te her, seit ein Bay­reu­ther For­schungs­team um Prof. Dr. Ruth Frei­tag (Bio­pro­zess­tech­nik) und Prof. Dr. Axel Mül­ler (Makro­mo­le­ku­la­re Che­mie II) mit einer Ent­deckung an die Öffent­lich­keit trat, die weit­hin inter­na­tio­na­le Beach­tung fand. Die Wis­sen­schaft­ler haben gro­ße stern­för­mi­ge Poly­me­re ent­wickelt, die neue Mög­lich­kei­ten in der Gen­tech­nik eröff­nen. Che­misch gespro­chen, han­delt es sich bei die­sen Mole­kü­len um PDMAE­MA-Ster­ne. Sie kön­nen Gene mit hoher Effi­zi­enz und fast ohne schä­di­gen­de Neben­wir­kun­gen auch in sol­che Zel­len trans­por­tie­ren, deren Erb­infor­ma­ti­on bis­lang nur mit­hil­fe von Viren ver­än­dert wer­den konn­te. Die­se Erkennt­nis eröff­net erst­mals die Mög­lich­keit, bei der gen­tech­ni­schen Ver­än­de­rung von Zel­len auf den risi­ko­be­haf­te­ten Ein­satz von Viren zu ver­zich­ten und statt­des­sen PDMAE­MA-Ster­ne als Vek­to­ren zu verwenden.

In der Online-Aus­ga­be der Zeit­schrift „Bio­macro­mole­cu­les“ berich­tet das Bay­reu­ther Team jetzt über eine ver­wand­te Ent­deckung. Prof. Dr. Ruth Frei­tag, Prof. Dr. Axel Mül­ler und ihre Mit­ar­bei­ter konn­ten zei­gen, dass es mög­lich ist, die als Vek­to­ren ein­ge­setz­ten PDMAE­MA-Ster­ne mit einem magne­ti­schen Kern aus­zu­stat­ten – was deut­li­che bio­tech­no­lo­gi­sche Vor­tei­le mit sich bringt. Auch die­ser For­schungs­er­folg war nur mög­lich dank einer inten­si­ven fächer­über­grei­fen­den Zusam­men­ar­beit auf dem Bay­reu­ther Cam­pus. In den Labo­ra­to­ri­en der Bay­reu­ther Poly­me­r­che­mie wur­den die magne­ti­schen PDMAE­MA-Ster­ne her­ge­stellt. Die unmit­tel­bar anschlie­ßen­den bio­pro­zess­tech­ni­schen Tests führ­ten zu dem – für alle Betei­lig­ten über­ra­schen­den – Ergeb­nis, dass sich die­se Mole­kü­le gera­de­zu als ‚Pre­mi­um-Vek­to­ren‘ für die gen­tech­ni­sche Ver­än­de­rung von Zel­len eignen.

Bio­tech­no­lo­gi­sche Vor­tei­le: Hohe Trans­fek­ti­ons­ef­fi­zi­enz, schnel­le und ein­fa­che Aus­le­se der trans­fi­zier­ten Zellen

Eben­so wie die frü­her erprob­ten PDMAE­MA-Ster­ne sind auch die magne­ti­schen PDMAE­MA-Ster­ne in der Lage, Gene in eine Viel­zahl leben­der Zel­len ein­zu­schleu­sen. In der For­schung wird die­ser Vor­gang als Trans­fek­ti­on bezeich­net. Mit PDMAE­MA-Ster­nen, ob magne­tisch oder nicht, kön­nen – und das ist neu – sogar sol­che Zel­len trans­fi­ziert wer­den, die sich nicht teilen.

Die Ver­wen­dung der magne­ti­schen PDMAE­MA-Ster­ne führ­te nun zu einer uner­war­tet hohen Gen­trans­fer-Effi­zi­enz. „Bei der Trans­fek­ti­on von Zel­len einer Zell­li­nie, die vom Chi­ne­si­schen Ham­ster (CHO) abstammt, haben wir wie­der­holt fest­ge­stellt, dass die magne­ti­schen PDMAE­MA-Ster­ne sich durch eine außer­or­dent­lich hohe Effi­zi­enz aus­zeich­nen“, berich­tet Prof. Dr. Ruth Frei­tag. „Der Anteil der Zel­len, in deren Ker­ne die gewünsch­te Erb­infor­ma­ti­on ein­ge­drun­gen ist, über­steigt deut­lich den Anteil, den wir bis­lang bei Trans­fek­tio­nen mit Poly­ethy­len­imin (PEI) erreicht haben.“ Line­ar auf­ge­bau­tes PEI gilt in der Bio­tech­no­lo­gie bis heu­te als ‚Gold­stan­dard‘ bei der Trans­fek­ti­on von Zel­len und kommt daher welt­weit in gen­tech­ni­schen Ver­fah­ren zum Einsatz.

Zusätz­lich zu ihrer außer­ge­wöhn­li­chen Effi­zi­enz haben die neu­en Vek­to­ren noch einen wei­te­ren Vor­zug: Die PDMAE­MA-Ster­ne behal­ten ihre magne­ti­sche Wir­kung auch dann, wenn sie sich inner­halb der Zel­len befin­den. Des­halb las­sen sich die trans­fi­zier­ten Zel­len auf eine tech­nisch sehr ein­fa­che Wei­se voll­stän­dig von allen übri­gen Zel­len abtren­nen. Ein han­dels­üb­li­cher star­ker Magnet genügt, um die­se Zel­len gezielt aus der Gesamt­pro­be her­aus­zu­zie­hen. Wie es aus­sieht, sind PDMAE­MA-Ster­ne mit einem magne­ti­schen Kern der­zeit das zuver­läs­sig­ste Instru­ment, um in Rein­kul­tur eine mög­lichst hohe Anzahl leben­der Zel­len mit ver­än­der­tem Erb­gut zu erhal­ten – sei es, dass neue Gene ein­ge­schleust, feh­len­de Gene ergänzt, defek­te Gene ersetzt oder die Fol­gen sol­cher Schä­den abge­mil­dert wer­den sollen.

Stern­för­mi­ge Rie­sen­mo­le­kü­le mit magne­ti­schem Kern, syn­the­ti­siert durch moder­ne poly­me­r­che­mi­sche Verfahren

Wie wer­den die magne­ti­schen PDMAE­MA-Ster­ne im Labor her­ge­stellt? Aus­gangs­punkt des Ver­fah­rens sind kugel­för­mi­ge Nano­par­ti­kel. Sie gehö­ren zur Klas­se der Eisen­oxi­de und besit­zen magne­ti­sche Eigen­schaf­ten. Wegen ihrer beson­de­ren kri­stal­li­nen Struk­tur wer­den sie auch als „Mag­hä­mit“ bezeich­net. Rund­um auf der Ober­flä­che eines sol­chen Par­ti­kels wer­den Mole­kü­le befe­stigt, wel­che die Aus­gangs­punk­te („Initia­to­ren“) für den Auf­bau einer stern­för­mi­gen Struk­tur bil­den. Denn an jedes die­ser Mole­kü­le wird durch Poly­me­ri­sa­ti­on meh­re­re hun­dert Male die glei­che Mole­kül­grup­pe ange­reiht, bis ein lan­ger PDMAE­MA-Arm ent­stan­den ist. Die­ses Ver­fah­ren, das als „Graf­ting-from“ bezeich­net wird, macht den kugel­för­mi­gen Nano­par­ti­kel zum Mit­tel­punkt eines gro­ßen Mole­küls, das schritt­wei­se ein stern­för­mi­ges Aus­se­hen gewinnt.

Das stern­för­mi­ge Mole­kül hat, sobald es fer­tig her­ge­stellt ist, im Mit­tel 46 sol­cher ket­ten­för­mi­gen Arme. Dabei besteht jeder Arm aus nahe­zu 600 sich wie­der­ho­len­den Mole­kül­grup­pen. Die lan­gen Arme des Par­ti­kels wei­sen wie die Strah­len eines Sterns in alle Rich­tun­gen nach außen.

Anmel­dung zum Patent

Ange­sichts der viel­ver­spre­chen­den Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten in der Bio­tech­no­lo­gie hat die Baye­ri­sche Paten­t­al­li­anz (Bay­PAT), als zen­tra­le Patent- und Ver­mark­tungs­agen­tur der baye­ri­schen Hoch­schu­len, die magne­ti­schen PDMAE­MA-Ster­ne im Namen der Uni­ver­si­tät Bay­reuth zum Patent ange­mel­det. Die Erfin­der­be­ra­tung der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mit Dr. Andre­as Kokott und Dr. Heinz-Wal­ter Lud­wigs war an der Vor­be­rei­tung der Patent­an­mel­dung wesent­lich beteiligt.

Ver­öf­fent­li­chung:

Alex­an­der P. Majew­ski, Anja Schal­lon, Valé­rie Jérô­me, Ruth Frei­tag, Axel H. E. Mül­ler, and Hol­ger Schmalz,
Dual-Respon­si­ve Magne­tic Core-Shell Nano­par­tic­les for Non-Viral Gene Deli­very and Cell Separation,
in: Bio­macro­mole­cu­les, Publi­ca­ti­on Date (Web): Feb 1, 2012
DOI: 10.1021/bm2017756

Zur Eig­nung von PDMAE­MA-Ster­nen für Gen­the­ra­pien sie­he auch:
http://www.uni-bayreuth.de/blick-in-die-forschung/31–2011.pdf

Ansprech­part­ner für wei­te­re Informationen:

Prof. Dr. Ruth Freitag
Lehr­stuhl für Bioprozesstechnik
Uni­ver­si­tät Bayreuth
D‑95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55–7371
E‑Mail: ruth.​freitag@​uni-​bayreuth.​de

Prof. Dr. Axel Müller
Lehr­stuhl für Makro­mo­le­ku­la­re Che­mie II
Uni­ver­si­tät Bayreuth
D‑95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55- 3399
E‑Mail: axel.​mueller@​uni-​bayreuth.​de