Was Pil­ze in Öko­sy­ste­men lei­sten: Bay­reu­ther Bio­lo­gen ent­wickeln neu­en ‚Eco­Chip‘

Wis­sen­schaft­lern der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist es gelun­gen, das Poten­zi­al der Chip-Tech­no­lo­gie für neue Anwen­dun­gen in der Öko­sy­stem­for­schung zu erwei­tern. Ein neu­er ‚Eco­Chip‘ macht es jetzt mög­lich, von Umwelt­pro­ben auf Arten­viel­falt und Funk­tio­nen in Öko­sy­ste­men zu schließen.
Pil­ze spie­len in fast allen Öko­sy­ste­men, wie Wäl­der oder Acker­bö­den, eine zen­tra­le Rol­le. Sie zer­set­zen dort etwa 90 Pro­zent der Bio­mas­se abge­stor­be­ner Orga­nis­men und spei­sen sie dadurch wie­der in den Stoff­kreis­lauf ein. In einem Öko­sy­stem über­neh­men ver­schie­de­ne Pilz­ar­ten jeweils beson­de­re Auf­ga­ben und ste­hen auch unter­ein­an­der in Wech­sel­wir­kung. Die­se Lei­stun­gen in vol­ler Brei­te zu ana­ly­sie­ren, war bis­lang nicht mög­lich, weil die vor­han­de­nen Tech­no­lo­gien nicht aus­reich­ten. Doch ein so genann­ter ‚Eco­Chip‘, den Wis­sen­schaft­ler an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ent­wickelt haben, ver­setzt die For­scher jetzt in die Lage, den öko­sy­ste­ma­ren Funk­tio­nen von Pilz­ar­ten genau­er auf die Spur zu kom­men. In der aktu­el­len Aus­ga­be der Zeit­schrift „Micro­ar­rays“ stellt das For­schungs­team um Prof. Dr. Ger­hard Ram­bold, der die Abtei­lung für Myko­lo­gie am Fach­be­reich Bio­lo­gie lei­tet, den Pro­to­typ vor.

Der neue Eco­Chip macht es mög­lich, bei­spiels­wei­se Boden- und Pflan­zen­pro­ben mit einer bis­her uner­reich­ten Genau­ig­keit auf die dar­in vor­kom­men­den Pilz­ar­ten zu ana­ly­sie­ren. Ent­schei­dend ist, dass es sich um Nukle­in­säu­re­pro­ben han­delt. Die­se wer­den mit Farb­stof­fen mar­kiert und mit der Ober­flä­che des Eco­Chips in Kon­takt gebracht. Auf­grund von Signa­len, die dabei ent­ste­hen, lässt sich zunächst ein­mal mit hoher Treff­si­cher­heit ermit­teln, wel­che Pilz­ar­ten in der Pro­be vor­han­den waren. Schon dies ist ein gro­ßer Fort­schritt ange­sichts der Tat­sa­che, dass aktu­ell rund 46.000 Pilz­ar­ten bekannt sind, aber mehr als 1,5 Mil­lio­nen Pilz­ar­ten welt­weit ver­mu­tet wer­den. Zugleich eröff­net der Eco­Chip aus Bay­reuth die Mög­lich­keit, prä­zi­se Ein­blicke in die beson­de­ren Lei­stun­gen der Pilz­ge­mein­schaft zu gewinnen.

Damit ist es gelun­gen, das Poten­zi­al der bekann­ten Chip-Tech­no­lo­gie so zu erwei­tern, dass sie neue Anwen­dun­gen in der Öko­sy­stem­for­schung ermög­licht. Die Inno­va­ti­on liegt dar­in, dass die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler in einer ent­schei­den­den Hin­sicht vom Design der­je­ni­gen Chips abge­wi­chen sind, die in der Gen­for­schung bis­lang ver­wen­det wer­den. Der Eco­Chip ana­ly­siert näm­lich nicht die DNA, in der die Erb­infor­ma­tio­nen eines Orga­nis­mus gespei­chert sind. Statt­des­sen unter­stützt er die Ent­schlüs­se­lung des Tran­skriptoms. So wird in der For­schung die im Orga­nis­mus ent­hal­te­ne RNA bezeich­net, die dadurch ent­steht, dass Abschnit­te der DNA umge­schrie­ben wer­den. Die RNA steu­ert die Bereit­stel­lung von Pro­te­inen, die spe­zi­fi­sche Funk­tio­nen im Orga­nis­mus und in sei­ner Umwelt über­neh­men. Weil der Bay­reu­ther Eco­Chip für RNA-Ana­ly­sen aus­ge­legt ist, ver­setzt er die Wis­sen­schaft­ler nicht nur in die Lage, die in den Pro­ben ent­hal­te­nen akti­ven Pilz­ar­ten aus­fin­dig zu machen. Er gibt gleich­zei­tig dar­über Aus­kunft, wel­che Funk­tio­nen die­se Pilz­ar­ten in ihrer Umwelt haben – bei­spiels­wei­se im Zusam­men­hang mit dem Bio­mas­se­kreis­lauf eines Öko­sy­stems. Auch die Dyna­mik die­ser Funk­tio­nen tritt erst dann deut­lich zuta­ge, wenn die Chip-Tech­no­lo­gie für die Unter­su­chung des Tran­skriptoms ein­ge­setzt wird.

Die For­schungs­ideen der Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler eröff­nen damit den Weg für eine neue Gene­ra­ti­on von Micro­ar­rays, die nicht allein die Pilz­for­schung, son­dern auch die Öko­sy­stem­for­schung vor­an­brin­gen kön­nen. Denn die Chip-Her­stel­lung hat sich, dank neu­er Pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren, enorm ver­bil­ligt. So kön­nen heu­te auf einem weni­ge Qua­drat­zen­ti­me­ter gro­ßen Chip Hun­dert­tau­sen­de von Mini­son­den plat­ziert wer­den. Die­se sind dar­auf spe­zia­li­siert, bestimm­te Abschnit­te des Tran­skriptoms und die dar­in begrün­de­ten Funk­tio­nen zu iden­ti­fi­zie­ren. Zudem ist das Preis-Lei­stungs-Ver­hält­nis beim Bay­reu­ther Eco­Chip sehr viel gün­sti­ger als bei der Hoch­durch­satz-Sequen­zie­rung. Die­ses Ver­fah­ren wird seit kur­zem in der gene­ti­schen Dia­gno­stik mit gro­ßem Erfolg ein­ge­setzt, aber ist für brei­ter ange­leg­te mole­ku­lar­öko­lo­gi­sche Stu­di­en der­zeit noch viel zu teuer.

Das Labor für DNA-Ana­ly­tik und Öko­in­for­ma­tik des Fach­be­reichs Bio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ver­fügt über die not­wen­di­ge tech­ni­sche Aus­stat­tung, um Eco­Chips maß­ge­schnei­dert für ver­schie­de­ne For­schungs­vor­ha­ben zu ent­wer­fen. Da die Fer­ti­gungs­zeit und die anschlie­ßen­de Ana­ly­se nur weni­ge Wochen dau­ert, kön­nen selbst umfang­rei­che Pro­jek­te in ver­hält­nis­mä­ßig kur­zer Zeit abge­schlos­sen werden.

Ver­öf­fent­li­chung:

Derek Peršoh, Alfons R. Weig and Ger­hard Rambold,
A Tran­scripto­me-Tar­ge­ting Eco­Chip for Asses­sing Func­tion­al Mycodiversity,
in: Micro­ar­rays 2012, 1(1), pp. 25–41
DOI-Book­mark: 10.3390/microarrays1010025