Wie Enzy­me den Ener­gie­stoff­wech­sel regu­lie­ren: Neue Ein­blicke in Signal­netz­wer­ke der Zelle

Mito­chon­dri­en sind als „Kraft­wer­ke der Zel­le“ bekannt, denn sie erfül­len zen­tra­le Funk­tio­nen für den Stoff­wech­sel der Zel­le. Ein inter­na­tio­na­les For­schungs­team um Pro­fes­sor Dr. Cle­mens Steeg­born, Uni­ver­si­tät Bay­reuth, hat jetzt ein System bio­che­mi­scher Signa­le und Pro­zes­se auf­ge­deckt, die im wech­sel­sei­ti­gen Zusam­men­wir­ken den Ener­gie­stoff­wech­sel inner­halb der Zel­le steu­ern. Im „Jour­nal of Bio­lo­gi­cal Che­mi­stry“ berich­ten die Wis­sen­schaft­ler über ihre Ergeb­nis­se. Die­se wer­den die Grund­la­gen­for­schung zu signal­ge­steu­er­ten Pro­zes­sen in der Zel­le wei­ter vor­an­brin­gen. Sie eröff­nen zugleich inter­es­san­te Per­spek­ti­ven für die Ent­wick­lung medi­zi­ni­scher Wirkstoffe.

Damit die Zell­at­mung nicht ins Stocken gerät: der Boten­stoff cAMP

Eine zen­tra­le Bedeu­tung für den Ener­gie­stoff­wech­sel in der Zel­le hat das cycli­sche Ade­no­sin­mo­no­phos­phat, kurz: „cAMP“. Es fun­giert als Boten­stoff, indem es Signa­le wei­ter­lei­tet, die für einen funk­tio­nie­ren­den Stoff­wech­sel unab­ding­bar sind. In den Mito­chon­dri­en akti­viert es Pro­te­ine, die an der Zell­at­mung betei­ligt sind, und steu­ert so den Ener­gie­stoff­wech­sel. Die cAMP-Mole­kü­le befin­den sich im Innen­raum der Mito­chon­dri­en, der sog. Matrix, die von einer inne­ren und einer äuße­ren Mem­bran umschlos­sen wird. Ist eine erhöh­te Anzahl cAMP-Mole­kü­le dar­in vor­han­den, dann wird der Ener­gie­stoff­wech­sel ange­trie­ben. Ein Abbau der cAMP-Mole­kü­le wie­der­um schwächt den Energiestoffwechsel.

Von Enzy­men gesteu­ert: cAMP als Schal­ter für den Energiestoffwechsel

An die­ser Stel­le set­zen die For­schungs­er­geb­nis­se an, die Steeg­born zusam­men mit sei­nen Kol­le­gen an der Cor­nell Uni­ver­si­ty in New York und an der Ruhr-Uni­ver­si­tät Bochum jetzt ver­öf­fent­licht hat. Die Wis­sen­schaft­ler haben ent­deckt, wie der Abbau des cAMP in den Mito­chon­dri­en im Detail vor sich geht. So haben sie einen wich­ti­gen Mecha­nis­mus für die Regu­la­ti­on der Boten­stoff­men­ge entschlüsselt:

• Der Auf­bau von cAMP wird durch ein Enzym, die Ade­nylat­cy­cla­se (sAC), gesteu­ert. Denn die­ses Enzym pro­du­ziert cAMP-Mole­kü­le aus­ge­hend von dem zell­ei­ge­nen Ener­gie­spei­cher Ade­no­sin­tri­phos­phat (ATP). Damit das Enzym die­se kata­ly­ti­sche Funk­ti­on über­nimmt, muss es sei­ner­seits z.B. durch Bicar­bo­na­te akti­viert werden.

• Der gegen­läu­fi­ge Vor­gang, näm­lich der Abbau von cAMP, wird durch ein ande­res Enzym in Gang gesetzt. Es han­delt sich hier­bei um ein Pro­te­in aus der Fami­lie der Phos­pho­die­ster­a­sen (PDE); genau genom­men um eine Iso­form von PDE2A. Auch die­ses Enzym muss, damit es die in den Mito­chon­dri­en vor­han­de­ne cAMP-Men­ge ver­rin­gert, akti­viert wer­den. Dies geschieht durch Mole­kü­le, die sich an einen Bereich an einem Ende des Pro­te­ins – dem N‑Terminus der PDE2A-Mole­kü­le – anlagern.

Auf die­se Wei­se wirkt der Boten­stoff cAMP wie ein von Enzy­men gesteu­er­ter Schal­ter, der den Ener­gie­stoff­wech­sel stei­gert oder schwächt. In wel­cher „Stel­lung“ sich die­ser Schal­ter befin­det, hängt davon ab, wel­ches der bei­den Enzy­me domi­niert: Ade­nylat­cy­cla­se (sAC) erhöht die cAMP-Men­ge, Phos­pho­die­ster­a­se (PDE2A) ver­rin­gert sie.

Von der Maus bis zum Men­schen: Der glei­che Steue­rungs­me­cha­nis­mus in Säugetieren

Die in den Mito­chon­dri­en vor­han­de­ne Phos­pho­die­ster­a­se (PDE2A) hat die beson­de­re Auf­merk­sam­keit der For­scher geweckt. Sie haben die­ses Enzym nicht nur in Mito­chon­dri­en aus ver­schie­de­nen Zell­ge­we­ben von Mäu­sen und Rat­ten, son­dern auch in Mito­chon­dri­en aus mensch­li­chen Zell­kul­tu­ren gefun­den. „Auf­grund die­ser Labor­er­geb­nis­se kön­nen wir davon aus­ge­hen, dass der von uns beschrie­be­ne Mecha­nis­mus zur Steue­rung des Ener­gie­stoff­wech­sels vom Prin­zip her in allen Säu­ge­tie­ren so abläuft“, erklärt Steeg­born. Ihm und sei­nen Kol­le­gen ist auch der Nach­weis gelun­gen, wie die PDE2A in die Mito­chon­dri­en hin­ein­ge­rät. Es ist der N‑Terminus, der dafür sorgt, dass die­se beson­de­re Form der Phos­pho­die­ster­a­se durch die schüt­zen­de Dop­pel­mem­bran der Mito­chon­dri­en hin­durch­ge­las­sen wird.

Wel­che Mole­kü­le es sind, die sich inner­halb der Mito­chon­dri­en an den regu­la­ri­schen Bereich der PDE2A anla­gern und so das Enzym akti­vie­ren, konn­te bis­her noch nicht geklärt wer­den. Der­zeit prü­fen Steeg­born und sei­ne Mit­ar­bei­ter die Ver­mu­tung, dass es sich bei die­sen Mole­kü­len um cycli­sches Gua­no­sin­mo­no­phos­phat (cGMP) han­deln könn­te. Auch dies ist ein zell­ei­ge­ner Boten­stoff, der aber bis­her nur außer­halb der Mito­chon­dri­en im Zyto­sol nach­ge­wie­sen wer­den konnte.

Neue Per­spek­ti­ven für die Bekämp­fung von Krankheiten

Die Ent­deckung, dass Phos­pho­die­ster­a­se den akti­vie­ren­den Ein­fluss des cAMP auf die Zell­at­mung schwächt, bie­tet auch der medi­zi­ni­schen Wirk­stoff­for­schung neue Chan­cen. Schon heu­te sind in ande­ren Zusam­men­hän­gen Arz­nei­stof­fe im Gebrauch, die als Inhi­bi­to­ren in der Lage sind, die Wir­kun­gen von Phos­pho­die­ster­a­sen zu hem­men. „Unse­re Erkennt­nis­se bie­ten des­halb einen aus­sichts­rei­chen Ansatz­punkt, Sub­stan­zen zu ent­wickeln, die dem Abbau von cAMP gezielt ent­ge­gen­wir­ken“, meint Steeg­born. Der­ar­ti­ge Wirk­stof­fe wür­den folg­lich den Ener­gie­stoff­wech­sel antrei­ben und könn­ten so dazu bei­tra­gen, Erkran­kun­gen des Stoff­wech­sels oder auch neu­ro­na­le Krank­hei­ten erfolg­reich zu bekämpfen.