Zur finanz­wirt­schaft­li­chen Lage des baye­ri­schen Mit­tel­stands: Opti­mi­sti­scher Blick in die Zukunft

Wie beur­tei­len mit­tel­stän­di­sche Fir­men in Bay­ern ihre finanz­wirt­schaft­li­che Lage? Die­ser Fra­ge wid­met sich eine Stu­die, die das Betriebs­wirt­schaft­li­che For­schungs­zen­trum für Fra­gen der Mit­tel­stän­di­schen Wirt­schaft (BF/​M‑Bayreuth) jetzt ver­öf­fent­licht hat. Das BF/​M‑Bayreuth, ein An-Insti­tut der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, hat im Jahr 2010 rund 1.000 mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men befragt, die ihren Haupt­sitz im Frei­staat Bay­ern haben und zum Kun­den­stamm der Volks- und Raiff­ei­sen­ban­ken zäh­len. 319 Unter­neh­men haben mit detail­lier­ten Aus­künf­ten geant­wor­tet. Fazit: Die eige­ne Geschäfts­la­ge wird ins­ge­samt, trotz welt­wei­ter Finanz­kri­se, vom baye­ri­schen Mit­tel­stand als über­aus posi­tiv eingeschätzt.

Dipl.-Kfm. Alex­an­der Rauch, der am BF/​M‑Bayreuth den Bereich Finanz­wirt­schaft und Bank­be­triebs­leh­re lei­tet, hat das Design der Stu­die ent­wor­fen und die Ergeb­nis­se aus­ge­wer­tet. Er wur­de dabei unter­stützt von Dr. Chri­sti­na Stad­ler, der Geschäfts­füh­re­rin des Insti­tuts, sowie von Prof. Dr. Klaus Schä­fer, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth den Lehr­stuhl für Finanz­wirt­schaft und Bank­be­triebs­leh­re inne­hat und dem Vor­stand des BF/​M‑Bayreuth angehört.

Opti­mi­sti­scher Blick in die eige­ne Zukunft

Die baye­ri­schen Mit­tel­stands­un­ter­neh­men, die sich an der Umfra­ge betei­ligt haben, blicken aus­ge­spro­chen opti­mi­stisch in die eige­ne Zukunft. Deut­lich mehr als 90 Pro­zent erklä­ren, dass sich ihre all­ge­mei­ne Geschäfts­la­ge, die Auf­trags­la­ge, der Umsatz, die Gewinn­si­tua­ti­on und die Risi­ko­vor­sor­ge inner­halb der näch­sten 12 Mona­te „stark ver­bes­sern“, „ver­bes­sern“ oder „eher ver­bes­sern“ wer­den. Für die Kon­kur­renz­si­tua­ti­on machen 87,1 Pro­zent die­se Anga­ben. Infol­ge die­ser posi­ti­ven Erwar­tungs­hal­tung gehen 32,6 Pro­zent der Mit­tel­ständ­ler davon aus, dass die Zahl ihrer Beschäf­tig­ten in den näch­sten 12 Mona­ten steigt; 64,2 Pro­zent von ihnen wol­len im glei­chen Zeit­raum die Zahl ihrer Beschäf­tig­ten nicht verändern.

Im Visier: Eine Erhö­hung der Eigenkapital-Quote

Die Aus­stat­tung mit Eigen­ka­pi­tal gilt in der betriebs­wis­sen­schaft­li­chen For­schung als wich­ti­ger Hin­weis dar­auf, wie kri­sen­an­fäl­lig ein mit­tel­stän­di­scher Betrieb ist und wie hoch das Risi­ko einer Insol­venz ein­zu­schät­zen ist. 51,8 Pro­zent der baye­ri­schen Mit­tel­ständ­ler nen­nen eine Eigen­ka­pi­tal-Quo­te von unter 20 Pro­zent; bei 28,9 Pro­zent liegt die Quo­te sogar unter 10 Pro­zent. Daher kön­nen die­se Unter­neh­men nicht oder jeden­falls nicht ohne Ein­schrän­kung als „wet­ter­fest“ ange­se­hen wer­den. Die Mit­tel­ständ­ler schei­nen sich aber der Gefah­ren, die in einer zu gerin­gen Eigen­ka­pi­tal­aus­stat­tung lie­gen, bewusst zu sein. Ins­ge­samt stre­ben 68 Pro­zent eine Erhö­hung ihrer Eigen­ka­pi­tal-Quo­te an.

Finan­zie­rungs­zie­le: Kon­ti­nu­ier­li­ches Wachs­tum in län­ger­fri­sti­ger Perspektive

Wel­che Zie­le ste­hen im Mit­tel­punkt, wenn es um Finan­zie­rungs­ent­schei­dun­gen geht? Die mei­sten Unter­neh­mer wol­len offen­bar an die vor­han­de­ne Fir­men­struk­tur und an die bis­he­ri­ge Geschäfts­po­li­tik anknüp­fen. 90,1 Pro­zent stre­ben ein „Orga­ni­sches Wachs­tum“ an, 70,3 Pro­zent pla­nen „Ersatz­in­ve­sti­tio­nen“, 62,1 Pro­zent steu­ern „Erwei­te­rungs­in­ve­sti­tio­nen“ an. Grund­le­gen­de Ver­än­de­run­gen, die in die Sub­stanz des Unter­neh­mens ein­grei­fen, sind hin­ge­gen in deut­lich weni­ger Betrie­ben geplant. Nur 27,4 Pro­zent der Mit­tel­ständ­ler wol­len Restruk­tu­rie­rungs­maß­nah­men finan­zie­ren, und ledig­lich 2,8 Pro­zent den­ken an eine Schlie­ßung gan­zer Geschäftsbereiche.

Bei ihren Finan­zie­rungs­maß­nah­men den­ken die baye­ri­schen Mit­tel­stands­un­ter­neh­men weit über den Tag hin­aus. 48,0 Pro­zent haben bei den Maß­nah­men, die sie inner­halb der näch­sten 12 Mona­te täti­gen wol­len, mit­tel­fri­sti­ge Zie­le im Blick; 41,0 Pro­zent kon­zen­trie­ren sich sogar auf lang­fri­sti­ge Zie­le. Nur 11,0 Pro­zent nen­nen kurz­fri­sti­ge Ziele.

Trotz Finanz­kri­se: Kei­ne ver­schlech­ter­ten Chan­cen auf einen Bankkredit

Die inter­na­tio­na­le Finanz­kri­se hat den baye­ri­schen Mit­tel­stand nicht in eine Kre­dit­klem­me geführt. Im Gegen­teil: 74,7 Pro­zent der Unter­neh­mer sind der Auf­fas­sung, ihre Chan­cen auf einen Bank­kre­dit hät­ten sich nicht ver­schlech­tert; 18,8 Pro­zent sind sogar der Mei­nung, sie hät­ten sich ver­bes­sert. Die­se posi­ti­ve Ein­schät­zung ist umso auf­fäl­li­ger, als gleich­zei­tig der Ein­druck vor­herrscht, die Ban­ken hät­ten ihre Anfor­de­run­gen an eine Kre­dit­ver­ga­be erhöht. Mög­li­cher­wei­se wirkt sich die posi­ti­ve Ein­schät­zung der eige­nen Geschäfts­la­ge auch in der Wei­se aus, dass eine gro­ße Mehr­heit der Mit­tel­ständ­ler glaubt, den gestie­ge­nen Anfor­de­run­gen stand­hal­ten zu können.

Star­kes Ver­trau­ens­ver­hält­nis zur Hausbank

Die­se Zuver­sicht wird gestützt durch ein sehr star­kes Ver­trau­ens­ver­hält­nis zur jewei­li­gen Haus­bank. Die mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men haben aus­ge­spro­chen gute Erfah­run­gen mit dem Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­hal­ten und dem Enga­ge­ment gemacht, das ihnen die Bank­mit­ar­bei­ter ent­ge­gen­brin­gen. Weni­ger als 2 Pro­zent der Mit­tel­ständ­ler sehen einen Anlass, ihrer Bank zu miss­trau­en. Kre­dit­an­fra­gen wer­den in der Regel zügig beant­wor­tet: 79,5 Pro­zent der Mit­tel­ständ­ler nen­nen eine Bear­bei­tungs­zeit von höch­stens drei Wochen, 15,5 Pro­zent von höch­stens zwei Monaten.

Ein deut­li­cher Nach­hol­be­darf wird aller­dings erkenn­bar, wenn es um die Trans­pa­renz des Rating­ver­fah­rens geht, mit dem die Ban­ken – auf­grund einer Viel­zahl von Kenn­grö­ßen – die Kre­dit­wür­dig­keit (Boni­tät) eines Unter­neh­mens beur­tei­len. Knapp ein Drit­tel der Mit­tel­ständ­ler sieht sich noch nicht hin­rei­chend über das Rating infor­miert; nur 18,7 Pro­zent erhiel­ten eine umfas­sen­de Beur­tei­lung ihrer Bonitätsprüfung.

Alter­na­ti­ven zum Bank­kre­dit: För­der­gel­der und Lea­sing bevorzugt

Auch hin­sicht­lich der bevor­zug­ten Finan­zie­rungs­for­men kommt die Umfra­ge des BF/​M‑Bayreuth zu auf­schluss­rei­chen Ergeb­nis­sen. Wenn ein klas­si­scher Bank­kre­dit nicht in geeig­ne­ter Höhe oder nicht unter annehm­ba­ren Rück­zah­lungs­be­din­gun­gen akqui­riert wer­den kann, müs­sen alter­na­ti­ve Finan­zie­rungs­in­stru­men­te gefun­den wer­den. In die­sem Bereich gibt es auch für Mit­tel­stands­un­ter­neh­men ein sehr brei­tes Ange­bot, das z.B. auch Fac­to­ring, Mez­za­ni­ne-Kapi­tal und Debt-Equi­ty-Swap umfasst. Die­se Band­brei­te wird von den mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men jedoch längst nicht aus­ge­schöpft. 33,9 Pro­zent der baye­ri­schen Mit­tel­ständ­ler haben För­der­gel­der in Anspruch genom­men, die in der Regel über die Haus­bank bean­tragt wur­den. 30,7 Pro­zent haben sich für Lea­sing-Maß­nah­men ent­schie­den; 23,2 Pro­zent haben für die Eigen­fi­nan­zie­rung auf den Cash-Flow zurück­ge­grif­fen. Alle wei­te­ren alter­na­ti­ven Finan­zie­rungs­for­men wur­den jeweils von deut­lich weni­ger als 5 Pro­zent der Unter­neh­men genutzt. Selbst in Fäl­len, in denen alter­na­ti­ve Finan­zie­rungs­in­stru­men­te zur beab­sich­tig­ten Stei­ge­rung der Eigen­ka­pi­tal-Quo­te bei­tra­gen kön­nen, zei­gen die Mit­tel­ständ­ler bis­her eine deut­li­che Zurück­hal­tung gegen­über einer gan­zen Rei­he neu­ar­ti­ger Finanzierungsformen.