Vor­trag von Georg Knör­lein über Haus­na­men in Kirchehrenbach

Schon immer hat­ten die Bür­ger Kirch­eh­ren­bachs, gro­ßen Durst. Zwi­schen drei­ßig und vier­zig Wirts­häu­ser soll es am Beginn der frü­he­ren Neu­zeit im Ort gege­ben haben, was sicher auch damit zusam­men­hing, dass das Dorf an der wich­ti­gen Stra­ße zwi­schen den Markt­gra­fen – Resi­den­zen Erlan­gen und Bay­reuth lag und hier vor dem stei­len Jura-Anstieg die Pfer­de gewech­selt wur­den. Aber die Gast­hö­fe benö­tig­ten Kan­nen. Eben­so die Bau­ern­häu­ser, in denen mei­stens ein Schütz oder Geb­hard wohn­te. Die Not­wen­dig­keit für dif­fe­ren­zie­ren­de Haus­na­men lag also auf der Hand.

Kreis­ar­chi­var Georg Knör­lein, der Spe­zia­list für die­sen Son­der­zweig hei­mat­ge­schicht­li­cher Sprach­for­schung, lebt seit mehr als einem hal­ben Jahr­hun­dert im Ort. Der Arbeits­platz für sei­nen Haupt­be­ruf, die Schu­le, liegt rela­tiv nahe bei sei­nem Wohn­haus in der Heu­gas­se. Sein Refe­rat über die Haus­na­men in Kirch­eh­ren­bach im Gast­haus Spon­sel ver­mit­tel­te eine ihm sehr ver­trau­te Mate­rie, eine an der eige­nen Fami­li­en­ge­schich­te, äußerst inter­es­sier­ten gro­ßem Publikum.

Knör­lein erin­ner­te zunächst an das frü­he 19. Jahr­hun­dert, als Fran­ken an das von Napo­le­ons Gna­den neu gegrün­de­te König­reich Bay­ern gefal­len war. Die Ver­wal­tungs­be­am­ten, die aus der Münch­ner Metro­po­le in die besetz­te Pro­vinz geschickt wur­den, ver­stan­den deren Dia­lekt besten­falls zur Hälf­te. Ent­spre­chend häuf­ten sich die Schreib­feh­ler in ihren Akten.

Der „Zwerg­weg“ war kei­ne Sied­lung für zau­ber­kun­di­ge Lili­pu­ta­ner, son­dern hieß eigent­lich „Zwerch­weg“, weil er so wie das „Zwerch­fell“ quer zu ande­ren Orga­nen des mensch­li­chen Kör­pers – quer zur Struk­tur der Fel­der lag. Der Bau­er Josef Ross besaß kein Pferd, son­dern hieß eigent­lich Ries. Die Schrift­spra­che ver­deckt den ursprüng­li­chen Sinn der mund­art­li­chen Bezeich­nung – so lau­te­te eine erste The­se Knör­leins, die er an zahl­rei­chen Bei­spie­len aus dem Ort erläu­ter­te. Dabei bezog er sei­ne, an den eige­nen Fami­li­en­tra­ti­tio­nen leb­haft inter­es­sier­ten Zuhö­rer geschickt in sei­ne sprach­ge­schicht­li­chen Aus­füh­run­gen ein, so dass ein leb­haf­tes Namen­ra­ten in Gang kam.

Der Haus­na­me Adel ver­weist also nicht auf frei­herr­li­chen Besitz, son­dern auf einen Adolf; Kadel erin­nert an Karl, Kor­zan – Kon­rad, Dor­beran – Urban und Han­ring an Hein­rich. Tur­tel meint kei­ne wie ein Täub­chen tur­teln­de Dorf­jung­frau, son­dern erhüllt sich als Doro­thea. Gockel erin­nert an eine Jakob, Kul­zer an Kut­scher und Ames an Amt­mann. Hin­ter „Her­mes“ ver­birgt sich kei­ne Anspie­lung auf den alt­grie­chi­schen Gott der Wege­la­ge­rer und der Die­be, son­dern der alt­ger­ma­ni­sche Name Hermann.

Schwie­ri­ger war die Fra­ge nach der Her­kunft des Haus­na­mens „Schwie­da“ zu beant­wor­ten. Das Rät­sel konn­te nur der refe­rie­ren­de Exper­te lösen. Der Name asso­ziert „Schwe­den“. War ein schwe­di­scher Söld­ner nach dem Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg im katho­li­schen Ober­fran­ken hän­gen geblie­ben? Nach Knör­leins Auf­fas­sung deu­tet das Wort nur auf einen evan­ge­li­schen Tauf­pa­ten hin. Manch­mal muss­ten die Haus­na­men Kirch­eh­ren­bachs noch zusätz­lich lokal dif­fe­ren­ziert wer­den. „Staf­fel – Götz“ und „Bach – Götz“ führ­te der Refe­rent als heu­te noch anschau­li­che Bei­spie­le an.

Knör­lein betrach­te­te auch eini­ge Feh­ler und Irr­we­ge der Haus­na­mens­for­schung. Der Name „Heu­bau­er“ in Mor­sch­reuth deu­tet kei­nes­falls auf einen Bau­ern in, der sich auf die Pro­duk­ti­on von Heu spe­zia­li­siert hat, son­dern ist das schlich­te Ergeb­nis eines Schreib­feh­lers: „Neu­bau­er“. Und „Schul­ler“ kann in einem Ort, der nie eine Schu­le besaß, kei­nen Leh­rer mei­nen, son­dern nur einen „Schult­heiss“.

Knör­lein insze­nier­te einen leben­di­gen Abend, der Hei­mat­kun­de und Sprach­ge­schich­te und traf dabei auf äußerst akti­ve Zuhö­rer. Eine ban­ge Fra­ge stellt er zum Schluss: Wie wird es mit der Haus­na­mens­for­schung, die in der Ger­ma­ni­stik und Lan­des­ge­schich­te nur eine exo­ti­sche Neben­rol­le spielt, wei­ter­ge­hen? In sei­nem in abseh­ba­rer Zeit begin­nen­den Ruhe­stand, will er die­sen Zweig der Volks­kun­de ins digi­ta­le Zeit­al­ter ret­ten und einen vir­tu­el­len Haus­na­men­pfad quer durch Kirch­eh­ren­bach legen.