„Bam­Bo­le­ro“ in Kirchehrenbach

Kuli­na­ri­sches Thea­ter in drei Akten und vier Gän­gen fand im Kirch­eh­ren­ba­cher Gast­haus Spon­sel statt. Beim Auf­tritt der Bam­Bo­le­ro-Trup­pe aus Bam­berg gelang­ten Schau­spiel­kunst und Koch­kunst zu einer Har­mo­nie, die das Publi­kum in eupho­ri­sche Stim­mun­gen ver­setz­te. Am Beginn des Abends aber herrsch­te auf der Büh­ne Tri­stesse. Eine schwe­re Exi­stenz­kri­se bela­stet Bam­Bo­le­ro, das ver­siff­te spa­ni­sche Spei­se­lo­kal in der Alt­stadt des Bischofssitzes.

Das Trio Infer­nal, das es führt, ver­zwei­felt ange­sichts der Umsatz­rück­gän­ge. Der umtrie­bi­ge Geschäfts­lei­ter Heinz Schlei­cher, der sonst im aus­ge­lei­er­ten schwar­zen Anzug durch das Eta­blis­se­ment hetzt, schläft. Sein Ober­kell­ner Mar­kus, der trieb­ge­steu­er­te Päd­ago­gen­kind aus Mit­te­leh­ren­bach am Ran­de der Wild­nis, schläft bei Sancho Pan­scho, der mas­si­ge spa­ni­sche Koch, des­sen Wanst sei­nen abge­nutz­ten Küchen­dress fast in die vier­te Dimen­si­on dehnt, singt. Wenn er nicht gera­de Ger­ma­ni­stik stu­diert um die Sprach­prü­fung zum Erlan­gen der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit zu bestehen.

Bei jeder Mal­zeit, die aus sei­ner Küche kommt, stellt sich die Fra­ge: „Ist es Kunst oder kann man es noch essen?“ Der Koch­topf muss also neu erfun­den wer­den. Zu die­sem Zweck hat sich der Chef mit einem Moti­va­tions-Guru bei der Indu­strie- und Han­dels­kam­mer in Bay­reuth in Ver­bin­dung gesetzt. „Ich habe ein Ziel“ brüllt das Trio im Chor. „Das Ziel muss aus Dir her­aus­kom­men!“ ergänzt der Chef und merkt nicht, dass eine sol­che öffent­li­che Ent­lee­rungs­ak­ti­on poli­zei­li­che Maß­nah­men nach sich zie­hen würde.

Dann beginnt sich die Sze­ne zu dre­hen. Die Gags ver­san­den. Manch­mal bewe­gen sich die Kalau­er auf der Gren­ze zur Infan­ti­li­tät. Aber das Publi­kum ist durch die­se anar­chi­sti­sche Mischung aus Come­dia dell‚ Arte und Bau­ern­thea­ter fas­zi­niert und wid­met sich vol­ler Kunst und Genuss dem zwei­ten Gang des Menüs. Zum Ein­stig hat­te der Jung­koch Fer­di­nand Spon­sel – nach Lehr­jah­ren in Wink­ler Bräu aus der Ober­pfalz ab und zu in der Hei­mat – geräu­cher­te Forel­len­nockerln auf Feld­sa­lat gezau­bert. Jetzt tischt er Lauch­sup­pe mit Grie­ben­maul­ta­schen auf.

Am Beginn des zwei­ten Aktes der Fress-Komö­die panscht dann Sancho Pan­scho Melo­di­os am Kla­vier. Sein Chef Heinz Schlei­cher aber plant als Aus­weg aus sei­ner beruf­li­chen Mise­re eine Kar­rie­re als CSU-Poli­ti­ker. „In Spa­ni­en kann jeder Depp Poli­ti­ker wer­den“, behaup­tet der volu­mi­nö­se Koch. Auf­grund der EU Nor­men dürf­te es in Bay­ern kaum anders sein. Immer­hin haben sich in der Zwi­schen­zeit Sanchos Deutsch-Kennt­nis­se ver­bes­sert. Er kennt inzwi­schen die Namen der Bun­des­län­der, ihrer Mini­ster­prä­si­den­ten und Metro­po­len. Doch auf die Fra­ge nach dem höch­sten deut­schen Gericht ant­wor­tet er in fach­idio­ti­scher Befan­gen­heit „Schwei­ne­bra­ten“.

Neu­er Leben kommt in die Sze­ne, als zwei Bam­ber­ger Land­frau­en in ihrer Dorf­spra­che von den häus­li­chen Ehe­prak­ti­ken erzäh­len. Wenn die Män­ner vom Stamm­tisch im Sport­heim nach Hau­se ins Bett kom­men, ver­fal­len die Frau­en in Duldungsstarre.

Im drit­ten Akt des kuli­na­ri­schen Schau­spiels wird spä­ter die­ses The­ma wie­der auf­ge­nom­men. Die gereim­ten Regeln der pro­vin­zi­el­len Leit­kul­tur lau­ten: „Frau­en und Hund g‚hörn g‚schlagen jede Stund“ und „Wer sich nicht wehrt kommt an den Herd“. Die wich­tig­sten Phi­lo­so­phen im süd­li­chen Ober­fran­ken hei­ssen Kas­par, Mel­chi­or und Bal­tha­sar. Doch inzwi­schen ist an den Rän­dern der Pro­vinz eine kuli­na­ri­sche Revo­lu­ti­on aus­ge­bro­chen. Vor Beginn des Schluss­ak­tes kam im Gast­haus Spon­sel ein in wür­zi­ge Salz­kru­ste gehüll­ter rosa­far­be­ner Reh­rücken auf die Tafel. Beglei­tet war er von einem fru­ga­len Prei­sel­beer­schmarrn, der nicht nur Holz­knech­te aus dem Ober­pfäl­zer Wald ver­zückt hät­te. Zum Abschluss kommt der Höhe­punkt: Mar­mo­rier­tes Mou­se au Cho­co­lat an Blutorangenkompott.