Bie­nen, Pil­ze, Orchi­deen: War­um die Arten­viel­falt bei Orchi­deen so groß ist

Prof. Dr. Gerhard Gebauer, Leiter des Labors für Isotopen-Biogeochemie, Universität Bayreuth.

Prof. Dr. Ger­hard Gebau­er, Lei­ter des Labors für Iso­to­pen-Bio­geo­che­mie, Uni­ver­si­tät Bayreuth.

(UBT). Ins­ge­samt 22.500 Orchi­deen­ar­ten gibt es heu­te auf der Erde. Wie ist die­se unge­wöhn­li­che Arten­viel­falt zu erklä­ren? Eine mul­ti­na­tio­na­le For­scher­grup­pe unter Mit­wir­kung von Prof. Dr. Ger­hard Gebau­er, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth das Labor für Iso­to­pen-Bio­geo­che­mie lei­tet, hat jetzt die Ursa­chen wei­ter auf­ge­klärt. Wech­sel­wir­kun­gen der Orchi­deen mit ande­ren Lebe­we­sen haben einen ent­schei­den­den Anteil dar­an, dass Orchi­deen in so gro­ßer Diver­si­tät ent­stan­den sind und neben­ein­an­der exi­stie­ren kön­nen. Im For­schungs­ma­ga­zin „The Ame­ri­can Natu­ra­list“ stel­len die Wis­sen­schaft­ler aus Süd­afri­ka, den USA, Groß­bri­tan­ni­en und Deutsch­land ihre For­schungs­er­geb­nis­se vor. Wie Orchi­deen, Bie­nen und Pil­ze zusam­men­wir­ken: Aus­wir­kun­gen auf die Artenvielfalt

„Eine Hand wäscht die ande­re“ – die­ses Prin­zip des wech­sel­sei­ti­gen Nut­zens gilt, wie die For­schung schon seit 200 Jah­ren weiß, auch in der Welt der Tie­re, Pflan­zen und Pil­ze. Insek­ten sichern den Fort­be­stand von Pflan­zen, indem sie deren Pol­len von einer Blü­te zur näch­sten trans­por­tie­ren. Wäh­rend der Bestäu­bung ernäh­ren sie sich vom Nek­tar, den die Pflan­zen in ihren Blü­ten abson­dern. Im Boden wie­der­um bil­den sich Wur­zel-Pilz-Netz­wer­ke, in denen Pil­ze lebens­wich­ti­ge Mine­ra­li­en den Pflan­zen zulie­fern. Als Gegen­lei­stung wer­den sie von den Pflan­zen mit Zucker versorgt.

Die For­scher­grup­pe hat bei­de For­men der Wech­sel­wir­kung mit ande­ren Orga­nis­men hin­sicht­lich der Fra­ge ver­gli­chen, ob und wie sie sich auf die Arten­viel­falt im Pflan­zen­reich aus­wir­ken. Die Unter­su­chun­gen kon­zen­trier­ten sich dabei auf 52 Orchi­deen­ar­ten, die in Süd­afri­ka behei­ma­tet sind und der Grup­pe der Coryci­inae ange­hö­ren. Alle die­se Arten pro­du­zie­ren in ihren Blü­ten Ölse­kre­te. Bie­nen sam­meln das Öl, um damit ihre Lar­ven zu ernäh­ren, und über­tra­gen dadurch die Pol­len der Orchi­deen. Das Ergeb­nis des Pro­jekts: Unter­schied­li­che Mecha­nis­men, durch die Orchi­deen und Bie­nen bei der Bestäu­bung mit­ein­an­der in Kon­takt kom­men, aber auch die Arten­viel­falt der Bie­nen tra­gen ursäch­lich dazu bei, dass neue Orchi­deen­ar­ten ent­ste­hen. Unter­ir­di­sche Stoff­aus­tausch­pro­zes­se mit Pil­zen haben hin­ge­gen kei­nen Ein­fluss auf die Ent­ste­hung neu­er Orchi­deen­ar­ten. Wohl aber tra­gen sie dazu bei, dass Orchi­deen­ar­ten in gro­ßer Viel­falt gemein­sam am sel­ben Stand­ort wach­sen und gedei­hen können.

Unter­ir­disch mit Pil­zen ver­bun­den: Wie Orchi­deen­ar­ten har­mo­nisch zusammenleben

Die­se neu­en Erkennt­nis­se hin­sicht­lich der Fra­ge, wie Aus­tausch­pro­zes­se mit Pil­zen die Arten­viel­falt der Orchi­deen beein­flus­sen, sind mög­lich gewor­den durch die For­schungs­kom­pe­ten­zen des Labors für Iso­to­pen-Bio­geo­che­mie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Hier wer­den ins­be­son­de­re Iso­to­pe des Stick­stoffs und Koh­len­stoffs schon seit vie­len Jah­ren dafür ein­ge­setzt, Nähr­stoff-Flüs­se inner­halb von Öko­sy­ste­men zu ana­ly­sie­ren und in Bezie­hung zur Ver­brei­tung von Pflan­zen- und Pilz­ar­ten zu set­zen. Iso­to­pe sind Ato­me, die sich allein durch die Anzahl der Neu­tro­nen im Atom­kern unterscheiden.

Unter Anlei­tung von Prof. Dr. Ger­hard Gebau­er wur­den Vege­ta­ti­ons­pro­ben in drei süd­afri­ka­ni­schen Regio­nen ent­nom­men. Die iso­to­pen­che­mi­schen Ana­ly­sen führ­ten zu dem Ergeb­nis, dass Orchi­deen­ar­ten, die nur ent­fernt mit­ein­an­der ver­wandt sind, ver­schie­de­ne Pilz­ar­ten als Part­ner wäh­len. So kön­nen sehr unter­schied­li­che Orchi­deen arten in räum­li­cher Nach­bar­schaft leben, ohne dass sie sich lebens­wich­ti­ge Nähr­stof­fe strei­tig machen. Falls die­se Orchi­deen sich dann wei­ter­ver­brei­ten, koope­rie­ren sie mit den glei­chen Pilz­ar­ten, von denen sie auch in ihren ursprüng­li­chen Sied­lungs­ge­bie­ten mit Mine­ra­li­en ver­sorgt wur­den. Ein Unter­schied zeigt sich aller­dings im Ver­gleich mit nahe ver­wand­ten Orchi­deen­ar­ten: Die­se suchen sich mei­stens Pil­ze der glei­chen Art als Part­ner, so dass sie bei der Mine­ral­stoff­ver­sor­gung mit­ein­an­der im Wett­be­werb stehen.

Bie­nen als Pol­len­über­trä­ger: Wie neue Orchi­deen­ar­ten ent­stan­den sind

Orchi­deen sind die arten­reich­ste Pflan­zen­fa­mi­lie. Wie konn­ten weit mehr als 20.000 Orchi­deen-Arten aus einer ein­zi­gen „Ur-Orchi­dee“ her­vor­ge­hen, von der Evo­lu­ti­ons­bio­lo­gen anneh­men, dass sie mög­li­cher­wei­se „erst“ vor rund 80 Mil­lio­nen Jah­ren exi­stiert hat? Die Weg­be­rei­ter die­ser schnel­len Aus­dif­fe­ren­zie­rung sind, wie das inter­na­tio­na­le For­scher­team zei­gen konn­te, die Bie­nen. Wenn näm­lich Orchi­deen in neue Stand­or­te vor­drin­gen, müs­sen sie sich häu­fig an die dort leben­den ande­ren Bie­nen­ar­ten anpas­sen, damit der Trans­port der Pol­len gewähr­lei­stet ist. Aus die­sen Anpas­sungs­lei­stun­gen kön­nen neue Orchi­deen­ar­ten ent­ste­hen. Hin­zu kommt ein wei­te­rer Aspekt: Ver­schie­de­ne Orchi­deen­ar­ten, die in enger Nach­bar­schaft leben und von Bie­nen der­sel­ben Art bestäubt wer­den, plat­zie­ren ihre Pol­len an unter­schied­li­chen Stel­len der­sel­ben Bie­ne – bei­spiels­wei­se auf ver­schie­de­nen Abschnit­ten ihres Vor­der­beins. Die­se Beob­ach­tung spricht nach Auf­fas­sung der Wis­sen­schaft­ler für die Annah­me, dass das Bestre­ben der Orchi­deen, den Kör­per der Bie­nen opti­mal für die Pol­len-Über­tra­gung zu nut­zen, erheb­lich zur Her­aus­bil­dung ver­wand­ter Orchi­deen­ar­ten bei­getra­gen hat.

Arten­viel­falt durch Inter­ak­tio­nen mit ande­ren Lebewesen

Wech­sel­wir­kun­gen mit ande­ren Lebe­we­sen haben eine nicht zu unter­schät­zen­de Bedeu­tung für die Ent­ste­hung und Bewah­rung der Arten­viel­falt. Die­ser grund­sätz­li­che Aspekt ihres For­schungs­pro­jekts ist für Prof. Dr. Ger­hard Gebau­er und sei­ne Kol­le­gen von beson­de­rer Aktua­li­tät. „Infol­ge des Kli­ma­wan­dels wer­den sich in zahl­rei­chen Regio­nen der Erde die Vor­aus­set­zun­gen für das Zusam­men­wir­ken von Pflan­zen, Tie­ren und Pil­zen ändern. Schon heu­te ist bei­spiels­wei­se zu beob­ach­ten, dass sich die Qua­li­tät der Böden vie­ler­orts ver­schlech­tert und Insek­ten­ar­ten aus­ster­ben,“ erklärt Gebau­er. „Wenn dadurch die Spiel­räu­me für Inter­ak­tio­nen zwi­schen ver­schie­de­nen Lebe­we­sen sin­ken, ist davon die Arten­viel­falt mög­li­cher­wei­se stär­ker betrof­fen, als man bis­her ver­mu­tet hat.“